Mäßige Geschäftszahlen

SAP streicht 3.000 Stellen

26.01.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
SAP macht zwar Fortschritte im Cloud-Geschäft, doch der Gewinn schrumpft. CEO Christian Klein will nun sein Softwareangebot straffen. Dafür sollen 3.000 Arbeitsplätze gestrichen werden.
SAP will seine Transformation zur Cloud-Company beschleunigen. Dafür werden das Portfolio gestrafft und Stellen gestrichen.
SAP will seine Transformation zur Cloud-Company beschleunigen. Dafür werden das Portfolio gestrafft und Stellen gestrichen.
Foto: Cineberg - shutterstock.com

SAP plant eine Restrukturierung und will etwa 3.000 Stellen abbauen. Klein sprach von einer gezielten Optimierung des Portfolios in bestimmten Bereichen. So gebe es beispielsweise in einzelnen Segmenten für Industrielösungen sowie im Bereich der CRM-Lösungen Überschneidungen, die SAP beseitigen wolle.

Der Vorstandsvorsitzende widersprach Vermutungen, SAP haben in den vergangenen Jahren zu viele Menschen eingestellt und müsse nun aus wirtschaftlichen Gründen Stellen abbauen. Der scheidende Finanzchef Luka Mucic sekundierte seinem Chef. In den Jahren 2015 und 2019 habe SAP tatsächlich breit angelegte Restrukturierungsprogramme angelegt, in denen es darum gegangen sei, den Headcount zu reduzieren. Das sei heute nicht der Fall. Auch die für das aktuelle Programm avisierten Kosten von 250 bis 300 Millionen Euro hält Mucic für nicht zu hoch. 2019 habe SAP für den Abbau von gut 4.000 Stellen rund eine Milliarde Euro gezahlt.

SAP-Chef Christian Klein: "SAP ist eine Cloud-Company"

Klein brachte die Restrukturierung mit der Transformation von SAP in Verbindung, die nicht einfach gewesen sei. Doch mittlerweile könne sich SAP als eine Cloud-Company bezeichnen. Das helfe dem Softwarehersteller unter den aktuell schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. "Wären wir heute noch die SAP von vor zwei Jahren, dann hätten wir ein Problem", sagte Klein. Klassische Softwareprojekte mit hohen Anfangsinvestitionen seien angesichts des wachsenden wirtschaftlichen Drucks, unter dem viele SAP-Kunden derzeit stünden, nicht mehr zu vermitteln.

Big Tech baut Personal ab

Die jüngsten Geschäftszahlen belegen denn auch, dass SAPs Cloud-Business weiter zulegt, wenn auch nicht in der Dynamik vergangener Jahre. 2022 betrugen SAPs Cloud-Erlöse fast 12,6 Milliarden Euro, ein Plus von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dagegen schrumpfte das angestammte Geschäft mit Softwarelizenzen von 3,2 auf 2,0 Milliarden Dollar (minus 37 Prozent), während die Wartungserlöse um vier Prozent auf 11,9 Milliarden Euro anwuchsen. Mit Softwarelizenz und -support-Erlösen nahm SAP 2022 also insgesamt knapp 14 Milliarden Euro ein, ein Minus von fünf Prozent gegenüber 2021. Insgesamt erzielte der deutsche Softwarekonzern im vergangenen Jahr einen Umsatz von knapp 30,9 Milliarden Euro, ein Plus von elf Prozent.

CEO Christian Klein sieht sich beim Umbau von SAP in eine Cloud-Company auf einem guten Weg.
CEO Christian Klein sieht sich beim Umbau von SAP in eine Cloud-Company auf einem guten Weg.
Foto: SAP

Auf der Ergebnisseite gab es allerdings teils deutliche Einbußen. Das Betriebsergebnis stagnierte im Verglich zu 2021 bei knapp 4,7 Milliarden Euro. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 1,7 Milliarden Euro - ein Minus von 68 Prozent gegenüber den fast 5,4 Milliarden Euro aus dem vorangegangenen Jahr. Die SAP-Verantwortlichen verwiesen an dieser Stelle auf negative Einflüsse durch die Entscheidung, die Geschäftsaktivitäten in Russland und Belarus einzustellen, sowie höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung (6,2 Milliarden Euro) sowie Vertrieb und Marketing (8,9 Milliarden Euro). Beide Posten erhöhten sich 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent. Die höheren Investitionen sollen helfen, "aktuelle und zukünftige Marktchancen zu nutzen", hieß es bei SAP.

Vertrauen der SAP-Kunden schwindet

Auch an anderer Stelle verlor SAP an Boden - vor allem beim Vertrauen der Kunden. Der Net Promoter Score (NPS) sackte um sieben Zähler ab und lag 2022 nur noch bei drei Punkten. Dabei hatte SAP-Chef Klein in den vergangenen Jahren viel versucht, das Vertrauen der SAP-Klientel wiederzugewinnen, und damit auch Erfolg gehabt. Nachdem der NPS in den Jahren 2018 (minus 6) und 2019 (minus 5) sogar in den negativen Bereich abgerutscht war, drehte Klein diesen Wert wieder ins Positive: 2020 auf plus 4, und 2021 sogar auf plus 10. Der Einbruch im vergangenen Jahr ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Kunden mit ihrem Softwarelieferanten weniger zufrieden sind.

Nicht mehr ganz so glücklich sind offenbar auch einige Angestellte von SAP. Der Mitarbeiterengagement-Index sank im vergangenen Jahr um drei Punkte auf 80 Prozent. Bei der Mitarbeiterbindung erreichten die badischen Softwerker 2022 einen Wert von 92,3 Prozent, nach 92,8 Prozent im Jahr zuvor. Dennoch spricht die Führung in Walldorf von einem hohen Engagement der Belegschaft. Angesichts des angekündigten Stellenabbaus geben sich die SAP-Verantwortlichen aber keinen Illusionen hin. Für das laufende Jahr rechnen sie mit einem weiteren Rückgang beim Mitarbeiterengagement-Index auf einen Wert zwischen 76 und 80 Prozent.

50 Jahre SAP: Der Softwarekonzern steht am Scheideweg

Die Stoßrichtung für die SAP-Führung bleibt indes klar. Es geht weiter darum, die Transformation in Richtung Cloud zu bewältigen. Im laufenden Jahr erwarten die Walldorfer Cloud-Einnahmen zwischen 15,3 und 15,7 Milliarden Euro. Bis 2025 soll dieser Posten auf 22 Milliarden Euro anwachsen. Bei einem bis dahin angepeilten Gesamtumsatz von über 36 Milliarden Euro läge der Cloud-Anteil dann schon bei über 60 Prozent.

SAP prüft Verkauf seiner Qualtrics-Anteile

SAP-Chef Klein ist zuversichtlich, seine Ziele zu erreichen. "Die SAP ist widerstandsfähiger als je zuvor", versicherte er und sprach mit Blick auf die aktuellen Zahlen von einem wichtigen Wendepunkt. "Wir sind zu Beginn des Jahres 2023 sehr zuversichtlich, dass wir unser Versprechen, ein beschleunigtes Umsatzwachstum und ein zweistelliges Wachstum beim Betriebsergebnis (Non-IFRS) zu erreichen, einhalten werden."

Um die Profitabilität im Blick zu behalten und die Investoren zufriedenzustellen wird Klein die Zahlen jedoch genau im Blick behalten müssen. Schon im vierten Quartal 2022 war von einem "disziplinierten Ausgaben-Management" die Rede. Von der gerade angekündigten Restrukturierung erhofft sich der Softwarekonzern ab 2024 jährliche Kosteneinsparungen von 300 bis 350 Millionen Euro. Last, but not least überlegt SAP, seine Beteiligung an Qualtrics zu veräußern. Im Einklang mit der strategischen Initiative, das Portfolio zu straffen, habe man beschlossen, einen Verkauf der Beteiligung an Qualtrics zu prüfen, hieß es. SAP hatte den Spezialisten für Experience Management 2018 für rund acht Milliarden Dollar übernommen und Anfang 2021 an die Börse gebracht.

Keine weitere Wartungsverlängerung für ECC

Bei all den internen Maßnahmen darf SAP-Chef Klein keinesfalls seine Kunden aus dem Blick verlieren. Viele von Ihnen kämpfen derzeit mit dem Umstieg auf SAPs aktuelle Produktgeneration S/4HANA. Dass daran kein Weg vorbeiführt, machte Klein unmissverständlich klar. Es werde keine Wartungsverlängerung für den Vorgänger ECC über 2027 hinaus mehr geben. Das CEO verwies auf sein Versprechen, die On-premises-Version von S/4HANA bis 2040 unterstützen zu wollen. "Wir wollen keinen Kunden zurücklassen", betonte der Manager. Es gehe jetzt aber auch darum, sich gemeinsam auf den Weg in die Zukunft zu machen. Klein verwies an dieser Stelle auf die Investitionen, die SAP in Zukunftsthemen wie beispielweise künstliche Intelligenz tätige.

Ob die Kunden mitziehen, ist zumindest teilweise fraglich. Einen Tag bevor SAP seine Zahlen veröffentlichte, machten Vertreter der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) klar, dass sie von SAP Gegenleistungen für die Wartungsgebühren erwarteten, die Anwender für in der Vergangenheit gekaufte Lösungen bezahlen müssten.

SAP-Anwender fordern mehr Gegenleistung für Wartungsgebühren

Thomas Henzler, DSAG-Fachvorstand Lizenzen, Service & Support, kritisierte, dass Kunden für die Umsetzung der Anforderungen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) auf Lösungen wie das Ariba Risk Management angewiesen seien, das lizenziert und mit hohem Aufwand eingeführt und gewartet werden müsse. Zuvor habe der Anbieter noch die Lösung "SAP Information Lifecyle Management" (SAP ILM) kostenfrei als Teil der Wartung zur Verfügung gestellt, damit Kunden die Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) in ihren SAP-Landschaften umsetzen konnten.

Für Thomas Henzler von der DSAG kann es nicht sein, dass SAP-Anwender für die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben extra bezahlen müssen.
Für Thomas Henzler von der DSAG kann es nicht sein, dass SAP-Anwender für die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben extra bezahlen müssen.
Foto: Piller Blowers & Compressors

"Es kann nicht sein, dass die Kunden zukünftig für die Mindestumsetzung gesetzlicher Vorgaben extra bezahlen müssen in Form von weiteren Lösungen, die SAP damit in den Unternehmen platziert", macht Henzler klar. Gesetzliche Anforderungen dürften nicht dazu genutzt werden, um weitere SAP-Lösungen zu verkaufen. Schließlich bezahlten Anwenderunternehmen weiterhin die volle Wartungsgebühr für ihre ERP-Systeme.