Weniger Profit

SAP setzt alles auf die Cloud-Karte

25.01.2016
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
In zwei Jahren will SAP mit seinen Cloud-Lösungen bereits mehr Umsatz machen als im klassischen Lizenz-Business. Allerdings geht der Umbau des Geschäftsmodells zu Lasten des Gewinns. Trotzdem glaubt sich die SAP-Führung auf dem richtigen Kurs für die Zukunft.

"Wir sind sehr zufrieden", kommentierte SAP-Vorstand Bernd Leukert die Bilanz für das Abschlussquartal 2015 und das gesamte Fiskaljahr. Man habe in alle Bereichen seine Ziele am oberen Rand der Prognosen getroffen beziehungsweise sogar übertroffen. Der größte deutsche Softwareanbieter verbuchte im vierten Quartal des zurückliegenden Jahres einen Umsatz von knapp 6,35 Milliarden Euro, etwa 16 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum (fast 5,46 Milliarden Euro). Die Umbaumaßnahmen schlugen allerdings auf den Profit durch. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 1,28 Milliarden Euro, mit minus zwei Prozent etwas weniger als noch vor einem Jahr (1,31 Milliarden Euro). Im Gesamtjahr 2015 beliefen sich die Einnahmen auf knapp 20,8 Milliarden Euro, ein Plus von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings verzeichnete SAP auch in der Jahresbilanz einen Gewinnrückgang, um sieben Prozent von 3,28 auf 3,06 Milliarden Euro.

Zufrieden zeigten sich die SAP-Verantwortlichen vor allem mit dem Abschneiden im Cloud-Geschäft. Hier verbuchten die badischen Softwerker im Gesamtjahr 2015 ein Plus von 110 Prozent auf ein Geschäftsvolumen von knapp 2,29 Milliarden Euro. Im Schlussquartal wuchs dieser Posten um 81 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 632 Millionen Euro. Diese Zahlen lassen SAP hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. In den beiden kommenden Jahren soll das Business mit Lösungen aus der Cloud jeweils um etwa ein Drittel wachsen - 2016 auf 2,95 bis 3,05 Milliarden Euro, im Jahr darauf auf etwa 3,8 bis 4,0 Milliarden Euro und 2018 könnte die Cloud-Sparte schon mehr zum Gesamtumsatz beitragen als das klassische Lizenzgeschäft, verlautete aus Walldorf. Auch für sein Gesamtgeschäft geht SAP nun von besseren Zahlen aus. Für 2017 rechnet der Konzern mit Einnahmen zwischen 23 und 23,5 Milliarden Euro. Bislang war der Konzern von 21 bis 22 Milliarden Euro ausgegangen.

Auch das Lizenzgeschäft soll weiter wachsen

Dazu beitragen soll allerdings nicht nur das Cloud-Geschäft, beteuerte SAP-Vorstand Leukert. Der Konzern habe keine Ambitionen, sich als reiner Cloud-Anbieter zu positionieren. Auch mit Lizenzen für klassische On-Premise-Software wolle SAP in den kommenden Jahren weiter wachsen. Um die hochgesteckten Ziele im Cloud-Business zu erreichen, feilt der Konzern weiter an seinem Portfolio. Leukert zufolge gehe es dabei beispielsweise darum, Überlappungen auszuräumen und das Cloud-Angebot damit zu bereinigen sowie für die Kunden übersichtlicher zu machen. SAP hat in den vergangenen Jahren eine Reihe verschiedener Cloud-Anbieter zugekauft wie beispielswiese SuccessFactors, Ariba, Fieldglass und Concur. Das hat offensichtlich dazu geführt, dass einzelne Funktionsmodule mehrfach in der SAP-Cloud auftauchen. Die Entscheidung, welche Teile abgeschaltet würden, richte sich nach Qualität und Nutzung des jeweiligen Moduls. Den betroffenen Nutzern werde SAP einen möglichst reibungslosen Übergang zu den weitergepflegten Alternativen aufzeigen, versprach Leukert.

Grundsätzlich sieht es der SAP-Manager als eine der wichtigsten Aufgaben des Softwarekonzerns an, den Anwenderunternehmen einen Migrationspfad von deren On-Premise-Infrastrukturen in eine Public Cloud aufzuzeigen. Dabei gehe es nicht nur um eine technische Migration von zum Teil tiefgreifend angepassten Systemen über Managed Service-Angebote hin zu einer möglichst standardisierten Cloud-Lösung. Gerade im Zuge der Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen reichten die anstehenden Veränderungen in den Unternehmen über die Technik hinaus wesentlich tiefer. Leukert verweist in diesem Zusammenhang auf eine Kooperation mit Accenture, die jüngst erweitert wurde. Im Fokus steht dabei die HANA-Plattform, die mittlerweile die Basis für das gesamte SAP-Softwareportfolio - auch in der Cloud - bildet. Künftig wollen beide Unternehmen gemeinsam branchenspezifische Anwendungen entwickeln. Der Bedarf im Markt ist Leukert zufolge groß - so groß, dass ihn SAP nicht mehr allein schultern könne.

Seine Partner will sich SAP jedoch genau auszusuchen. In Sachen Cloud-Auslieferung werde der Konzern auch in Zukunft vor allem auf seine eigenen Rechenzentren setzen, sagte Leukert. Es gebe zwar Gespräche mit anderen Cloud-Providern, doch müssten diese Partner nachweisen können, dass sie in der Lage sind, Kunden zuverlässig und sicher mit SAPs Cloud-Lösungen versorgen zu können. Mit IBM und HP gebe es bereits entsprechende Kooperationen, Gespräche liefen derzeit beispielsweise mit T-Systems und Microsoft. Von Interesse für die Anwender dürfte vor allem sein, ihren Cloud-Betrieb bei einem oder wenigen Anbietern zu bündeln, also einen Cloud-Provider zu haben, der beispielsweise neben dem Office-365-Paket von Microsoft auch SAPs Business-Software betreibt und anbietet. SAP selbst will solche Kombinationen nicht in sein Cloud-Programm übernehmen. Die SAP-Cloud werde SAP-zentrisch bleiben, stellte Leukert klar.

Kein Preiskampf mit AWS und Microsoft Azure

Klar stellte der SAP-Vorstand auch die Ausrichtung von SAPs Cloud-Strategie. Man wolle nicht im Infrastructure-as-a-Service-Geschäft (IaaS) gegen Amazon Web Service (AWS) oder Microsoft Azure antreten. Damit unterscheidet sich SAP deutlich vom Konkurrenten Oracle. Deren Gründer Lawrence Ellison hatte im Herbst vergangenen Jahres auf den Kundenkonferenz OpenWorld in San Francisco angekündigt, mit der eigenen Cloud-Infrastruktur auch gegen Wettbewerber wie AWS antreten zu wollen, die vor allem auch in Sachen Pricing aggressiv im Cloud-Markt um Kunden werben.

An diesem Preiskampfspiel will sich SAP offenbar nicht beteiligen und sich stattdessen vor allem mit den auf der eigenen Cloud-Plattform angebotenen Services profilieren. Als Beispiele dafür führt Leukert an dieser Stelle Themen wie Mobile as a Service beziehungsweise Integrations-Services auf der eigenen Cloud-Plattform an. Ein weiterer wichtiger Themenkomplex ist aus SAP-Sicht das Internet of Things (IoT). Dafür sucht der Softwarehersteller Kooperationen mit Industriekonzernen wie beispielsweise Siemens, GEA und Kaeser. Leukert betonte indes, dass sich SAP dabei ganz auf die Rolle des Technologie-Lieferanten beschränken wolle und keine Ambitionen habe, seinen Partnern Konkurrenz zu machen. Dass es in diesem Umfeld durchaus ein gewisses Konfliktpotenzial gebe, belege das Beispiel Google, erläuterte der SAP-Vorstand. Die Internet-Konzern verfolge beispielsweise Ambitionen, mit Automobilherstellern zu kooperieren, um seine Android-Plattform als Basis für das vernetzte Auto zu platzieren. Gleichzeitig entwickle Google selbst an einem autonom fahrenden Automobil und mache damit im Grunde potenziellen Partnern aus der Automobilbranche Konkurrenz.

Kein Wettbewerb mit Partnern

Derartige Wettbewerbssituationen will SAP mit seinem Technikfokus von vorneherein vermeiden, versicherte Leukert. "Wir wollen kein Wettbewerber unserer Partner sein." Die Gefahr, als Technologielieferant für die Plattform austauschbar zu sein, sieht der SAP-Vorstand durchaus, glaubt sich mit seiner Lösung allerdings in einer guten Position im Markt. Leukert betonte die Offenheit der eigenen Plattform. Damit ließen sich in der SAP-Cloud auch Lösungen für neue Geschäftsmodelle umsetzen. Als Beispiel nannte der SAP-Manager die Fintechs, die sich derzeit anschicken, den großen Finanzkonzernen Teile deren Geschäfts abspenstig zu machen. Auch für das Internet-Business dieser Startups eigne sich SAPs Cloud-Plattform, so Leukert. Gefahr, seine angestammte Klientel aus dem Banken und Versicherungssektor zu verprellen, sieht der SAP-Vorstand nicht. Den Fintech-Trend werde auch eine Deutsche Bank nicht aufhalten. SAP geht es hier ums Geschäft.

Neben den Arbeiten rund um die Cloud-Plattform, gebe es Leukert zufolge auch im angestammten ERP-Geschäft durchaus immer wieder neuen Bedarf für Weiterentwicklungen. Demnach müssten viele SAP-Kunden ihre Systeme an neue Geschäftsmodelle anpassen. Beispielsweise seien in immer mehr Industrien Micropayment-Services gefragt. Leukert füht als Beispiel das Auto an, das sich mehr und mehr zu einer digitalen Plattform entwickle. In diesem Zusammenhang müssten die Hersteller unter anderem in der Lage sein, Services für das Tanken oder Parkplatzgebühren direkt über das Fahrzeug abzurechnen. Diese Transaktionen müssten dann aber auch in die klassische Finanzbuchhaltung einfließen. In diesem Umfeld stiegen derzeit die Anforderungen der Kunden, berichtete Leukert und versicherte zugleich: "Auch in Sachen ERP wird es nicht langweilig."

Mitarbeiter-Zufriedenheit steigt bei SAP

Insgesamt sehen sich die SAP-Verantworlichen mit ihrer Strategie auf dem richtigen Weg. Dabei scheint sich auch die Aufregung rund um den internen Umbau des Softwareriesen zu beruhigen. Im Zuge des Umbaus hatte SAP weltweit Stellen gestrichen, die nicht mehr so recht zur neuen Austrichtung passen wollten. Ursprünglich sollten rund 2000 Beschäftigte auf eine neue Position wechseln oder ab einem bestimmten Alter mit einer Abfindung zum Gehen bewegt werden. Tatsächlich nahmen aber etwa 3000 Mitarbeiter das Angebot an. Etwa zwei Drittel davon hätten das Unternehmen inzwischen verlassen, sagte Finanzchef Luka Mucic.

Ende 2015 beschäftigte SAP mit 76.986 trotz Ab- und Umbau gut 2500 Mitarbeiter mehr als im Vorjahr. Grundsätzlich waren die SAP-Angestellten trotz der Personalmaßnahmen zufriedener als noch ein Jahr zuvor. Der sogenannte Engagement-Index, mit dessen Hilfe SAP jährlich die Stimmung in der Belegschaft misst, verbesserte sich 2015 um zwei Prozentpunkte auf 81 Prozent. "Der Engagement-Index zeigt den mit Abstand höchsten Wert seit 2010", sagte Personalchef Stefan Ries. Dass die Stimmung gestiegen ist, führte er vor allem auf die bessere Kommunikation zurück. Für den Engagement-Index wurden 56.557 Mitarbeiter vom 14. Oktober bis 4. November 2015 befragt.