So läuft die S/4HANA-Migration

SAP S/4HANA – viele Anwender machen sich auf den Weg

24.07.2019
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Obwohl das Wartungsende von ECC noch in weiter Ferne liegt, beschäftigen sich bereits viele Unternehmen mit dem Nachfolger S/4HANA. Wie weit die Anwender mit dem Umstieg sind, welche Wege sie bei der Migration einschlagen und welche Erfahrungen sie bislang mit der neuen ERP-Software gesammelt haben, hat eine von der COMPUTERWOCHE unterstützte Studie der Hochschule Koblenz abgefragt.
Ruhe und Gelassenheit dürften auf dem schwierigen Weg in Richtung S/4HANA die richtigen Begleiter sein.
Ruhe und Gelassenheit dürften auf dem schwierigen Weg in Richtung S/4HANA die richtigen Begleiter sein.
Foto: GP Studio - shutterstock.com

Kaum ein anderes Thema wird derzeit im Kreis der SAP-Anwender intensiver diskutiert als der Umstieg auf S/4HANA. Zwar haben die SAP-Verantwortlichen das Support-Ende für das aktuell am weitesten verbreitete Vorgänger-Release ECC erst auf das Jahr 2025 terminiert. Doch angesichts schmerzlicher Erfahrungen aus der Vergangenheit arbeiten viele Unternehmen mit Hochdruck an der Migration auf die neue ERP-Generation. Zu oft endeten die Wechsel von SAP-Software in Mammut-Projekten, die viel Schweiß, Tränen und auch eine Stange Geld kosteten.

SAP hat S/4HANA Anfang 2015 auf den Markt gebracht. Das S steht für simple, die 4 für die vierte Produktgeneration - nach R/3 - und HANA für die zugrundeliegende In-memory-basierte Datenbanktechnik, die ebenfalls von SAP stammt. Die neueste ERP-Software der badischen Softwerker gibt es klassisch in einer On-Premise-Version und einer Cloud-Variante, die etwas später im Februar 2017 veröffentlicht wurde.

Mit S/4HANA will sich SAP von den herkömmlichen Release-Zyklen der Vergangenheit verabschieden. Für das neue System gibt es kontinuierlich Weiterentwicklungen, neue Funktionen und Patches. Diese werden in der Cloud quartalsweise als neue Releases eingespielt. Für die On-Premise-Version kommt jedes Jahr ein neues Release heraus - aktuell ist es Version 1809, wobei die 18 für das Jahr (2018) und die 09 für den Monat (September) stehen. Zwischendurch veröffentlicht SAP für die In-House-Version jedes Quartal sogenannte Feature Pack Stacks (FPS) oder Service Pack Stacks (SPS). Diese Updates werden durchnummeriert - beispielsweise folgt auf ein FPS3 ein SPS4.

SAP selbst sieht S/4HANA als Kern eines intelligenten Unternehmens. Die Software treibe die Digitalisierung in den Betrieben weiter voran. "Sie bietet Unternehmen jeder Branche mehr Flexibilität und ermöglicht ihnen, ihr Geschäftsmodell auf die digitale Wirtschaft auszurichten und auf dynamischen Marktplätzen zu agieren", verspricht der Software-Anbieter. Derzeit gebe es rund 11.500 S/4HANA-Kunden.

Obwohl SAP selbst, die Partner der Walldorfer und viele Beratungsunternehmen in den vergangenen Jahren ein ganzes Set an unterschiedlichen Ansätzen, Methoden und Werkzeugen für die S/4HANA-Migration entwickelt haben, ist der Umstieg kein Spaziergang. Der Schritt von ECC auf S/4HANA ist längst nicht nur eine technische Umstellung der Systeme auf ein neues Software-Release. Dabei geht es um mehr, wie Professor Ayelt Komus von der Hochschule Koblenz im Vorwort zur aktuellen Studie "Positionsbestimmung S/4HANA" schreibt.

Mit dem ERP-Release ergäben sich neue Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen für die Anwenderunternehmen. Das betreffe beispielsweise die Umstellung des Datenmodells, die Anpassung von Datenstrukturen, aber auch generell die Frage, wie künftig die eigene IT-Infrastruktur sowie das weiter gefasste Ökosystem aussehen soll. Die Antwort darauf lässt sich nicht nur darauf reduzieren, ob man nun in die Cloud wechseln soll, oder nicht. Es geht um das angestrebte Prozessmodell und die Gesamtarchitektur, in der schließlich auch S/4HANA seinen Platz finden muss.

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Um zu erfahren, wie Anwenderunternehmen mit S/4HANA umgehen, hat die Hochschule Koblenz in Kooperation mit deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) und Heupel Consultants von Ende Januar bis Anfang April 2019 über 180 Anwenderunternehmen zum Status Quo ihrer SAP-Migration befragt.

Die Ausgangssituation vor S/HANA

In den meisten Unternehmen dreht sich demnach IT-seitig alles um SAP. Sechs von zehn Unternehmen erklären, SAP bilde das Rückgrat der eigenen IT-Infrastruktur. In weiteren 30 Prozent der Betriebe spielen SAP-Applikationen eine wichtige Rolle in der IT-Landschaft. Lediglich vier Prozent nutzen aktuell keine SAP-Applikationen.

SAP-Anwendungen sind in den meisten Unternehmen gesetzt.
SAP-Anwendungen sind in den meisten Unternehmen gesetzt.
Foto: Hochschule Koblenz

Unter den SAP-Anwendern ist das Release ERP Central Component (ECC) mit 85 Prozent die am weitesten verbreitete SAP-Version. Neun Prozent der befragten Unternehmen haben den Schritt auf S/4HANA bereits hinter sich. Drei Prozent arbeiten noch mit älteren Releases aus der R/3-Generation.

Interessanterweise ist die Bereitschaft, auf das neueste SAP-Release umzusteigen, ausgerechnet in der Anwendergruppe, die SAP als das Rückgrat ihrer IT bezeichnen, am geringsten. Erst sieben Prozent dieser Unternehmen sind diesen Weg bislang gegangen. In der Gruppe der Unternehmen, für die SAP-Anwendungen wichtig, aber nicht essenziell sind, haben 13 Prozent S/4HANA im Einsatz. Es hat also den Anschein, dass gerade die Unternehmen Veränderungen scheuen, die das SAP-System als Fundament ihrer IT-Infrastruktur einordnen.

Allerdings laufen in vielen Unternehmen die Vorbereitungen für einen Wechsel. Neben den Betrieben, die S/4HANA einsetzen, stecken weitere 15 Prozent in der Einführungsphase und knapp drei von zehn Umfrageteilnehmern erklärten, sich derzeit darauf vorzubereiten. Das bedeutet, dass sich rund die Hälfte der Befragten ganz konkret mit dem aktuellen ERP-Release aus Walldorf beschäftigt.

S/4HANA produktiv gesetzt haben die wenigsten.
S/4HANA produktiv gesetzt haben die wenigsten.
Foto: Hochschule Koblenz

Die andere Hälfte der SAP-Anwender hat offenbar noch keinen Plan. 42 Prozent gaben an, man diskutiere derzeit über den Einsatz von S/4HANA oder habe sich damit beschäftigt - allerdings ohne weitere Schritte einzuleiten. Sieben Prozent haben derzeit keine Absicht, auf das neue ERP-Release umzusteigen. Wer sich jedoch einmal auf den Weg in Richtung S/4HANA gemacht hat, kehrt nicht mehr um. Gerade einmal ein Prozent der Unternehmen hat ein solches Projekt gestartet, wieder gestoppt.

An der strategischen Bedeutung von SAP für Anwenderunternehmen dürfte sich mit dem Umstieg auf S/4HANA nicht viel ändern. Ein gutes Drittel misst dem neuen Release eine sehr hohe Bedeutung bei, etwas mehr als die Hälfte spricht von einer hohen Bedeutung. Es fällt auf, dass vor allem Unternehmen, die SAP-Anwendungen erst seit wenigen Jahren nutzen, S/4HANA besonders wichtig nehmen. Von ihnen sagen über 50 Prozent, das neue Release sei wichtig für sie. Dagegen sehen die SAP-Veteranen mit über zehn Jahren Nutzungsdauer die Sache mit dem Umstieg nicht ganz so bedeutend.

Auch das neue ERP-Release aus Walldorf wird vom Großteil der Anwender als bedeutend für den eigenen Betrieb eingeschätzt.
Auch das neue ERP-Release aus Walldorf wird vom Großteil der Anwender als bedeutend für den eigenen Betrieb eingeschätzt.
Foto: Hochschule Koblenz

Wie wichtig die Unternehmen das SAP-Thema grundsätzlich nehmen, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass in sieben von zehn Unternehmen das Top-Management sehr intensiv (20 Prozent) oder intensiv (51 Prozent) in die Aktivitäten rund um S/4HANA involviert ist. Auch die Tatsache, dass sich die meisten Firmen im Vorfeld keine Gedanken über Alternativen zu S/4HANA machen, zeigt wie tief SAP-Anwendungen in den Betrieben verankert sind. Gerade einmal 16 Prozent der Befragten haben im Zuge des Release-Wechsels andere ERP-Systeme in Betracht gezogen beziehungsweise wollen das tun. Als Alternativen werden Microsoft Dynamics, Oracle, Infor und Proalpha genannt. Ein Teilnehmer gab an, bestehende Eigenentwicklungen als mögliche Alternative zu S/4HANA prüfen zu wollen.

Gründe für den Wechsel auf S/4HANA

Wirtschaftlicher Druck ist es nicht, was Anwenderunternehmen zum Umstieg auf S/4HANA treibt. Knapp zwei Drittel der befragten Betriebe erklären, sie agierten deutlich erfolgreicher (19 Prozent) oder erfolgreicher (44 Prozent) als andere Unternehmen in der gleichen Branche. Ein Drittel gibt an, zumindest genauso erfolgreich am Markt zu sein wie die Konkurrenten. Lediglich drei Prozent räumen ein, nicht so recht mit den Wettbewerbern mithalten zu können.

Angesichts des hohen Stellenwerts der SAP-Systeme innerhalb ihrer IT-Infrastrukturen verwundert es nicht, dass die Unternehmen mit einem Systemwechsel vor allem Zukunftssicherheit anstreben (59 Prozent). Dazu passt auch, dass drei Viertel der Firmen, das von SAP für das Jahr 2025 angekündigte Wartungsende von ECC als Motivation für die Einführung von S/4HANA nennen - mit deutlichem Abstand der am häufigste angeführte Grund für einen Umstieg.

Vor allem das drohende Wartungsende von ECC treibt die Unternehmen zum Umstieg.
Vor allem das drohende Wartungsende von ECC treibt die Unternehmen zum Umstieg.
Foto: Hochschule Koblenz

Die Transformation von Geschäftsprozessen (43 Prozent) beziehungsweise das Vorantreiben der eigenen Digitalisierungsstrategie (41 Prozent) ist für nicht einmal die Hälfte der SAP-Anwender ausschlaggebend für den Umstieg auf S/4HANA. Die Anwender rechnen gar nicht automatisch mit besseren Prozessen: Nur 35 Prozent der Befragten nennen bessere und schnellere Prozesse für die Fachabteilungen als einen Grund für den Umstieg, ein knappes Viertel neue innovative Prozesse.

Technische Aspekte wie eine höhere Performance durch die HANA-Technologie (35 Prozent), grundsätzlich moderne Anwendungen (36 Prozent) oder verbesserte Oberflächen (27 Prozent) sind ebenfalls Treiber für die Einführung von S/4HANA. Mit Kosteneinsparungen (acht Prozent) oder einer einfacheren Nutzung (sieben Prozent) rechnen die wenigsten.

Dazu passt auch, dass längst nicht alle Kunden einen Zusatznutzen durch neue Funktionen in S/4HANA erwarten. Die eine Hälfte spricht von einer sehr hohen (sieben Prozent) oder hohen (45 Prozent) Bedeutung der neuen S/4HANA-Funktionalität, während die andere Hälfte keine großen Erwartungen diesbezüglich hegt. 39 Prozent sprechen von einer geringen Bedeutung, neun Prozent gar von einer sehr geringen Bedeutung.

Vom Zusatznutzen neuer Funktionen in S/4HANA ist nur die Hälfte der Anwender überzeugt.
Vom Zusatznutzen neuer Funktionen in S/4HANA ist nur die Hälfte der Anwender überzeugt.
Foto: Hochschule Koblenz

Die meisten Unternehmen betrachten den Wechsel des SAP-Systems zudem nicht als isoliertes Projekt. Für 28 Prozent ist die Einführung Teil eines langfristigen und umfassenden Programms, in dessen Rahmen neue Themen angegangen werden sollen. Ein weiteres Drittel spricht zwar nicht von einem regelrechten Programm, sagt aber, dass durchaus weitere IT-Aspekte im Zuge der Umstellung angegangen werden sollen. Lediglich jeder achte betrachtet die Migration auf das neue SAP-Release als isoliertes Vorhaben ohne Strahlkraft auf andere IT-Vorhaben.

So führen Anwender S/4HANA ein

Die Einführung von S/4HANA hat in der Regel eine besondere Dimension. In drei von zehn Unternehmen sagen die Verantwortlichen, das Projekt sei das aktuell größte Vorhaben im Betrieb. Die Hälfte der Teilnehmer gibt an, dass die Umstellung zu den Top-3-Themen im Unternehmen zählt.

Bei der Einführung von S/4HANA hängt viel von der Verfügbarkeit geeigneter Berater ab. Ein Viertel der Befragten stuft diesen Aspekt als "hochgradig kritisch", weitere 56 Prozent als "kritisch" ein. Die wenigsten trauen sich also ohne externe Unterstützung an die Migration ihrer SAP-Landschaft heran. Die Mehrheit (82 Prozent) erwartet einen aufwendigen und umfangreichen Kraftakt. Weitere 15 Prozent der Betriebe, die einen S/4HANA-Umstieg im Auge haben sprechen immerhin noch von "umfangreichen Vorhaben". Keiner der Teilnehmer bewertet die Einführung als sehr überschaubare Tätigkeit, die eher einer Routineangelegenheit gleiche.

Den Umstieg auf S/4HANA beurteilen die meisten Anwender als aufwändig und umfangreich.
Den Umstieg auf S/4HANA beurteilen die meisten Anwender als aufwändig und umfangreich.
Foto: Hochschule Koblenz

Vor allem in der Frühphase der Einführung erwarten die Anwender einen besonders hohen Aufwand. Gut neun von zehn Unternehmen, die aktuell über ein S/4HANA-Projekt diskutieren, befürchten, die dafür erforderlichen Ressourcen seien sehr umfangreich. Die Mehrheit derer, die den Umstieg schon bewältigt haben, geben aber Entwarnung: Nur noch 42 Prozent sagen, das Vorhaben sei sehr umfangreich gewesen.

Architektur für S/4HANA - die Qual der Wahl

Mit dem Umstieg auf S/4HANA stellt sich für die Anwenderunternehmen auch die Frage nach dem Betriebsmodell für ihr künftiges ERP-System. Neben dem klassischen In-House-Betrieb, bieten sich heute verschiedene Cloud-Optionen an. Doch die scheinen für die meisten Betriebe noch keine Option zu sein. Rund zwei Drittel der Firmen, die umgestiegen sind oder eine Migration planen oder diskutieren, planen eine On-premise-Installation.

Insgesamt 15 Prozent entscheiden sich für die Cloud - sechs Prozent für eine Public Cloud und neun Prozent für die Private Cloud-Varianten SAP HANA Enterprise Cloud. Für weitere sechs Prozent der Befragten ist die Hybrid Cloud das Betriebsmodell der Wahl. 14 Prozent haben sich aktuell noch nicht entscheiden, wie sie S/4HANA künftig betreiben wollen.

Die klassische On-premise-Variante ist das präferierte Betriebsmodell der Anwender.
Die klassische On-premise-Variante ist das präferierte Betriebsmodell der Anwender.
Foto: Hochschule Koblenz

Auffällig ist an dieser Stelle, dass vor allem die Unternehmen, die noch über ihr künftiges SAP-System diskutieren, mit 54 Prozent am wenigsten am klassischen On-premise-Modell hängen. Von den Betrieben, die bereits umgestiegen sind, landen dann aber doch die meisten wieder im eigenen Rechenzentrum - 77 Prozent. Der Rest präferiert die Cloud: acht Prozent Public, 15 Prozent Private. Auf ein Hybrid-Mischmodell wollte sich offenbar kein Umsteiger einlassen. Allerdings ist hier zu beachten, dass die Zahl der Umsteiger noch ziemlich klein ist.

Wer sich für ein Cloud-Modell entscheidet, erwartet vor allem eine hohe Professionalität und Zuverlässigkeit von seinem Provider. Außerdem haben die Cloud-Interessenten eine optimale Skalierbarkeit im Visier und setzen auf eine aus ihrer Sicht zukunftssichere Nutzungsform. Wer sich für den On-premise-Betrieb entscheidet, achtet dagegen vermehrt auf Datenschutz und Datensicherheit. Außerdem legen diese Unternehmer großen Wert auf die Individualisierbarkeit ihrer ERP-Lösung und wollen unabhängiger von anderen Anbietern bleiben.

Nicht einmal die Hälfte der Anwender glaubt, dass S/4HANA die Cloud und agilere Organisationsformen im eigenen Unternehmen vorantreiben kann.
Nicht einmal die Hälfte der Anwender glaubt, dass S/4HANA die Cloud und agilere Organisationsformen im eigenen Unternehmen vorantreiben kann.
Foto: Hochschule Koblenz

Im Zuge des Umstiegs auf S/4HANA beabsichtigen die Verantwortlichen in den Unternehmen, grundsätzlich ihre Prozesse (87 Prozent) sowie ihre IT-Infrastruktur hinterfragen (66 Prozent). Ob das neue ERP-Release zu einer Leistungssteigerung der Gesamtorganisation führt, gilt keineswegs als sicher: 58 Prozent sagen ja, 42 Prozent verneinen das. Den Thesen, wonach mit S/4HANA der Einstieg in eine weitergehende Cloud-Nutzung gelinge (57 Prozent sagen nein) oder die ERP-Umstellung zu einer agileren Organisation von IT und anderen Projekten führe (65 Prozent Ablehnung), wird mehrheitlich nicht zugestimmt.

So gehen Anwender den S/4HANA-Umstieg an

Wer auf S/4HANA umsteigt, denkt zunächst einmal ans Aufräumen. 44 Prozent der Befragten geben an, vor der Migration ihre SAP-Systeme konsolidieren zu wollen. Für ein gutes Drittel der Teilnehmer ist die Migration der eigenen Datenbasis auf die HANA-Datenbank der erste Schritt der Migration, bevor der ERP-Wechsel kommt.

Hinsichtlich des Vorgehensmodells stehen Unternehmen unterschiedliche Optionen offen. Drei von zehn Anwendern starten zunächst einmal Pilotprojekte. Ein Viertel will S/4HANA in einem Big-Bang-Verfahren einführen oder ist bereits so vorgegangen. Doch auch die schrittweisen Verfahren haben ihre Anhänger. 27 Prozent denken an ein Vorgehen in verschiedenen Hauptphasen, 24 Prozent wollen S/4HANA nach Legal Entities beziehungsweise nach Regionen produktiv setzen und jeder Fünfte plant eine Live-Schaltung nach Prozessen oder Geschäftsbereichen.

Neben Phasenmodellen hat auch der Big Bang viele Freunde beim Umstieg auf S/4HANA.
Neben Phasenmodellen hat auch der Big Bang viele Freunde beim Umstieg auf S/4HANA.
Foto: Hochschule Koblenz

An dieser Stelle fällt auf, dass langjährige SAP-Anwender den Big Bang präferieren, wohingegen Unternehmen, die SAP-Software erst seit wenigen Jahren nutzen, einen Umstieg in Phasen bevorzugen. Das könnte darauf hindeuten, dass treue SAP-Kunden aus Erfahrung klug geworden sind.

Auch in Sachen Einführungskonzepte stehen den Anwendern unterschiedliche Optionen offen. Unter den Unternehmen, die bereits umgestiegen sind beziehungsweise in der Migration - inklusive Vorstudien und Pilotprojekte - stecken, ist ein vollständiger Greenfield-Ansatz der Favorit (42 Prozent). 18 Prozent verfolgen dagegen einen Brownfield-Ansatz, 16 Prozent bevorzugen ein kombiniertes Konzept aus Greenfield und Brownfield.

Die meisten Unternehmen bauen ihr neues SAP-System neu auf der grünen Wiese auf.
Die meisten Unternehmen bauen ihr neues SAP-System neu auf der grünen Wiese auf.
Foto: Hochschule Koblenz

Auffällig ist, dass unter den Anwendern, die die Migration bereits hinter sich haben, der Anteil der Greenfield-Anhänger mit 58 Prozent auffallend hoch ist. Das könnte darauf hindeuten, dass einige Unternehmen im Laufe der Migration den Reset-Knopf gedrückt haben und ihr neues SAP-System dann doch auf der grünen Wiese komplett neu aufgebaut haben.

Die Methodik bei der Einführung von S/4HANA ist geprägt von den Erfahrungen der Vergangenheit. Knapp ein Drittel favorisiert das klassische Großprojekt. Immerhin die Hälfte würzt herkömmliches Projektmanagement mit agilen Bestandteilen und spricht von einer hybrid angelegten Methode. Ein Viertel orientiert sich an von SAP selbst entwickelten Einführungsmethoden wie "ACTIVATE" und "ASAP".

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Eine ausschließlich agil angelegte Herangehensweise verfolgt dagegen nicht einmal jedes zehnte Unternehmen. Die eher tradierte Herangehensweise spiegelt sich auch im Rollenverhalten wider. Neun von zehn Unternehmen ernennen einen Projektleiter, der die SAP-Migration verantwortet. Es ist augenfällig, dass Unternehmen, die sich selbst für besonders wettbewerbsfähig halten, weniger stark auf das klassische Projektmanagement setzen und offener für agile Methoden wie Scrum und Kanban sind.

Dass der Umstieg auf S/4HANA tief in Strukturen und Prozesse eingreift und dort weitreichende Veränderungen nach sich ziehen kann, scheinen die meisten Unternehmen verstanden zu haben. Ein Drittel investiert dediziert in Change Management und räumt dem Thema eine besonders hohe (sieben Prozent) oder hohe (27 Prozent) Priorität ein. Knapp die Hälfte gibt an, das Thema Change Management im Rahmen der Projektabwicklung berücksichtigt zu haben. Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass Unternehmen, die sich für erfolgreicher als der Wettbewerb halten, besonders viel Wert auf das Thema Change Management legen.

Viele Anwender nehmen das Change Management im Zuge der S/4HANA-Migration ernst.
Viele Anwender nehmen das Change Management im Zuge der S/4HANA-Migration ernst.
Foto: Hochschule Koblenz

Angesichts der mit S/4HANA einhergehenden Veränderungen ist es für die Unternehmen wichtig, die späteren Anwender des Systems frühzeitig mit einzubinden. Dabei dominieren nach wie vor klassische Methoden wie Projektteilnahme und Workshops (77 Prozent). Auch Informationsveranstaltungen (69 Prozent), die Einbindung von Mitarbeitern in Projekt-Teams (58 Prozent) sowie Schulungen und E-Learnings (47 Prozent) sind beliebte Methoden, um die Nutzer fit für S/4HANA zu machen. Dagegen finden moderne Ansätze wie die Entwicklung von Personas oder Customer-Journey-Perspektiven noch wenig Berücksichtigung bei der Weiterbildung.

Erfahrungen mit der S/4HANA-Migration

Grundsätzlich scheinen SAP-Anwender ein gutes Händchen für Projekte zu haben. Die an der Studie beteiligten Unternehmen charakterisieren ihre Erfolgsquote bei SAP-Aktivitäten als sehr positiv (14 Prozent) oder positiv (73 Prozent). Lediglich elf Prozent sprechen von negativen, zwei Prozent von sehr negativen Erfahrungen. Interessanterweise ist unter den wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen der Anteil der Betriebe mit sehr negativen SAP-Erfahrungen mit 13 Prozent auffallend hoch. Wirtschaftlichen Erfolg mit fehlgeschlagenen SAP-Projekten zu korrelieren, dürfte allerdings etwas weit hergeholt sein.

Das Gros der Unternehmen zieht eine positive Bilanz seiner früheren SAP-Aktivitäten.
Das Gros der Unternehmen zieht eine positive Bilanz seiner früheren SAP-Aktivitäten.
Foto: Hochschule Koblenz

Auffällig ist, dass im Vorfeld der S/4HANA-Umstellung fast die Hälfte die Erfolgs- oder Misserfolgskriterien vergangener Migrations- und Transformationsprojekte kaum (37 Prozent) oder gar nicht (zehn Prozent) auswertet. Wer sich die Lessons Learned aus seiner SAP-Historie zu Nutze macht, identifiziert als wichtige Erfolgskriterien ein funktionierendes Organizational Change Management (55 Prozent), die verstärkte Einbindung der Fachabteilungen (54 Prozent) sowie ein Vorgehen in kleinen Schritten (49 Prozent). Letzteres widerspricht allerdings dem Ansatz vieler Unternehmen S/4HANA im Big-Bang-Verfahren zu implementieren.

Möglicherweise lassen sich einige Unternehmen in Sachen S/4HANA auch ganz bewusst nicht von ihren vergangenen SAP-Erfahrungen leiten. Ein Grund könnte sein, dass sich das neue SAP-Release aufgrund der Einbettung in einen wesentlich weiter gefassten Digitalisierungskontext schwerlich mit zurückliegenden Umstellungsprojekten vergleichen lässt.

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Die Erfahrungen hinsichtlich der konkreten Umstellung auf S/4HANA müssen wegen der geringen Fallzahlen mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor interpretiert werden. Sieben der 13 in der Studie befragten S/4HANA-Anwender haben sich 2018 auf den Weg gemacht. Vier sind in den Jahren davor gestartet und zwei haben ihr Migrationsprojekt im laufenden Jahr gestartet.

Dafür dass viele Anwender im Vorfeld von aufwändigen und komplexen Vorhaben sprechen, werden die Migrationen vergleichsweise zügig durchgezogen. Gut sechs von zehn Unternehmen bewältigten den Umstieg innerhalb eines Jahres, knapp ein Viertel schaffte den Schritt auf S/4HANA sogar innerhalb von vier bis sechs Monaten. Alle anderen konnten ihr SAP-Projekt innerhalb von 18 (15 Prozent) respektive 24 Monaten (23 Prozent) abschließen. Länger als zwei Jahre hat keiner der befragten Anwender gebraucht.

Viele S/4HANA-Migrationen funktionieren erstaunlich zügig.
Viele S/4HANA-Migrationen funktionieren erstaunlich zügig.
Foto: Hochschule Koblenz

Hinter einer raschen S/4HANA-Einführung bleibt allerdings ein großes Fragezeichen. Etliche der wenigen im Rahmen der Studie vorgefundenen S/4HANA-Umstellungen sind noch gar nicht abgeschlossen. Erst drei Unternehmen erklärten, damit durch zu sein. Die Hälfte - sechs Anwender - will die Migration "weitgehend" abgeschlossen haben und weitere drei Befragte räumten ein, dass ihre S/4HANA-Installation derzeit eher Pilot-Charakter habe.

Wie langwierig entsprechende Projekte dann doch ausfallen können, zeigt sich an anderer Stelle. Knapp die Hälfte der Unternehmen, die S/4HANA derzeit einführen, haben ihr Hauptprojekt noch gar nicht gestartet. Gut ein Viertel will das in den nächsten zwölf Monaten tun. Jeder Fünfte denkt darüber hinaus. Jeweils vier Prozent wollen den finalen Anlauf für den Sprung hin zu S/4HANA erst 2021 beziehungsweise 2022 nehmen.

Als größte Herausforderung im Zuge der Umstellung auf S/4HANA werden von den Anwendern veränderte Prozesse und Arbeitsabläufe genannt. Offenbar sorgen sich die Befragten, dass die von ihnen präferierten Abläufe nicht so recht mit den vom SAP-System vorgesehenen Prozessen harmonisieren könnten.

Vor allem veränderte Prozesse und Arbeitsabläufe sind für viele Betriebe eine Herausforderung im Umfeld des S/4HANA-Umstiegs.
Vor allem veränderte Prozesse und Arbeitsabläufe sind für viele Betriebe eine Herausforderung im Umfeld des S/4HANA-Umstiegs.
Foto: Hochschule Koblenz

Als weitere Herausforderungen werden von den S/4HANA-Anwendern das neue Berechtigungskonzept (56 Prozent), ein offensichtlicher Philosophiewechsel von ECC auf das neue Release (56 Prozent) sowie grundlegende Veränderungen des Systems (33 Prozent) genannt. Die neue Benutzeroberfläche beziehungsweise der hohe Schulungsaufwand werden dagegen nur von 22 Prozent als besonders herausfordernd empfunden. Auch für diese Zahlen gilt angesichts der insgesamt nur neun Antwortenden lediglich eine eingeschränkte Aussagekraft.

Im erweiterten Kreis der Unternehmen, die die Einführung von S/4HANA planen oder diskutieren, wird als größtes Hindernis für eine gelungene Einführung des Systems genannt, dass die Vorteile der Software nur schwer vermittelbar seien (58 Prozent). Auch hohe Kosten (56 Prozent), ein herausforderndes Projektmanagement (51 Prozent), ein hoher Einführungsaufwand (47 Prozent) sowie fehlendes Know-how (46 Prozent) sind offenbar Hürden, die die Anwender nehmen müssen. Dagegen scheint die Beherrschung der Cloud-Technik nur ein nachgeordnetes Problem für die SAP-Anwender zu sein (elf Prozent).

Letztere Aussage relativiert sich allerdings, wenn man die verschiedenen SAP-Anwendergruppen vergleicht. Von den Unternehmen, die S/4HANA bereits eingeführt haben, identifiziert immerhin ein Drittel die Cloud-Technik als Hürde für den Umstieg. Auch die Vermittlung der Vorteile des neuen Systems scheint im Nachhinein weiterschwierig (67 Prozent). Dagegen relativiert sich die Kostenhürde. Von einem Viertel der Befragten, die SAP gerade einführen, als Herausforderung identifiziert, sehen dies nach der Einführung nurmehr acht Prozent so. Insgesamt lässt sich feststellen, dass viele Hürden im Frühstadium eines S/4HANA-Projekts zunächst größer erscheinen. In der Praxis lassen sie sich dann meist vergleichsweise deutlich leichter überwinden.

Grundsätzlich ziehen viele Anwender eine positive Bilanz ihrer bisherigen S/4HANA-Projekte. Allerdings gibt es auch etliche negative Erfahrungen.
Grundsätzlich ziehen viele Anwender eine positive Bilanz ihrer bisherigen S/4HANA-Projekte. Allerdings gibt es auch etliche negative Erfahrungen.
Foto: Hochschule Koblenz

So fällt denn auch die Einschätzung der bisher gemachten S/4HANA-Projekterfahrungen im Großen und Ganzen positiv aus. Von den Unternehmen, die das neue ERP-Release aus Walldorf bereits eingeführt haben beziehungsweise die Einführung planen oder diskutieren, sprechen fünf Prozent von sehr positiven Eindrücken, und 64 Prozent von positiven Erfahrungen. 28 Prozent bewerten ihre bisherigen S/4HANA-Projekterfahrungen dagegen negativ, drei Prozent sogar sehr negativ. Wer mit dem Projekt fertig geworden ist, äußert sich am zufriedensten. 22 Prozent bewerten ihre Erfahrung als sehr positiv, 67 Prozent als positiv. Hier dürfte allerdings auch die Freude mitschwingen, das Vorhaben abgehakt zu haben.

Fazit

  • SAP ist und bleibt für einen Großteil der Unternehmen gesetzt. Daran wird auch die Umstellung auf S/4HANA nichts ändern. Die wenigsten Anwender überlegen, ob statt SAP auch ein anderes ERP-System zum Einsatz kommen könnte.

  • Viele Betriebe stecken derzeit in Migrationsprojekten oder diskutieren zumindest darüber. S/4HANA produktiv einsetzen, tun aber noch die Wenigsten.

  • Für die meisten ist das Wartungsende der Vorgängers ECC der ausschlaggebende Grund für den Umstieg. Das neue SAP-System als Katalysator für die Digitalisierung oder neue innovative Prozesse zu nutzen, darauf achtet nicht einmal die Hälfte der Anwender.

  • Im Zuge der SAP-Migration denken die meisten Anwender in althergebrachten Betriebsmodellen. On-premise bleibt mit deutlichem Abstand das präferierte Betriebsmodell. Die Cloud-Option ist nur für einen kleinen Kreis eine Option.

  • Wie beim Betriebsmodell vertrauen die Unternehmen auch in der Methodik dem Bekannten. Das klassische Projekt-Management mit klaren Verantwortlichkeiten ist die Methode der Wahl. An Scrum und agilen Methoden trauen sich bei einem solchen Grpßprojekt nur wenige heran.

  • Um sich von SAP-Altlasten zu befreien, wählen viele Anwenderunternehmen einen Greenfield-Ansatz und bauen ihr kommendes ERP-System von Grund neu auf.

  • Der Aufwand für die Migration wird von fast allen Unternehmen als hoch eingestuft. Es fällt jedoch auf, dass Anwender, die den Umstieg bereits hinter sich haben, die Hürden im Nachhinein als gar nicht so groß einstuften. Aber Achtung: Die zugrundeliegende Fallzahl ist gering und hinterlässt einen nicht zu unterschätzenden Unsicherheitsfaktor.