Der Druck, auf S/4HANA zu wechseln, wächst. Denn die Uhr tickt und das Wartungsende für das Vorgängersystem rückt unerbittlich näher. Die Motivation für die Migration ist unterschiedlich. Die einen sehen nur die technologische Notwendigkeit ist, zu der sie die Produktstrategie ihres Softwarelieferanten zwingt. Andere sehen eine Chance für mehr Innovation in Prozessen und dem gesamten Business. Dazwischen gibt es viele Schattierungen. Eine pauschale Antwort nach dem Grund für einen Umstieg auf SAP S/4HANA gibt es nicht.
Zunächst bietet die Migration auf S/4HANA die Möglichkeit, viele Customizings aus den Vorgängersystemen zu eliminieren und zu einem Standard zurückzukehren. Inwiefern dies die klassischen ERP-Prozesse wie Buchhaltung, Materialwirtschaft oder Auftragsabwicklung betrifft, hängt davon ab, wie viel Innovation in ihnen steckt. In der Regel sind für diese stabilen Prozesse keine großen Änderungen zu erwarten. Was sich allerdings ändern wird, ist die Verarbeitung der durch diese Systeme fließenden Daten und die daraus resultierenden Chancen für ein Unternehmen. Durch den schnelleren Zugriff auf die ständig wachsenden Datenmengen und die Möglichkeit zur Anbindung von Data Analytics oder KI bildet S/4HANA die Basis für ein völlig anderes Ökosystem.
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Stabilität im Kern, Bewegung im Business
Der technologische Ansatz ist eine von zwei Stoßrichtungen für die Migration auf S/4HANA. Die andere ist prozessgetrieben. Das heißt, viele Unternehmen wollen mit dem neuen SAP-System ihre Digitalisierung unterstützen. Dabei liegt der Fokus vor allem darauf, Prozesse zu optimieren, zu harmonisieren und zu standardisieren.
Daran führt meist kein Weg vorbei, vor allem weil sich derzeit das Business massiv verändert. Doch den Wandel von klassischen Geschäftsmodellen hin zu echtzeitfähigen, kundenorientierten Servicemodellen komplett mit einem ERP-Monolithen abzudecken, ist schier unmöglich. Deshalb zeichnet sich zunehmend der Trend ab, einen modernisierten ERP-Kern mit zusätzlichen flankierenden Lösungen zu ergänzen.
Workflow-getriebene Tools werden sich in Zukunft mehr und mehr vom Kern-ERP entfernen. Zahlreiche Tools - auch außerhalb von SAP - versprechen bereits, die Integration anderer Lösungen zu vereinfachen. So setzen zum Beispiel nicht wenige Unternehmen auf Salesforce für den Bereich CRM. Doch braucht es ein klassisches ERP dann überhaupt noch? Ja, denn die Stammdaten, die im alten Kern vorhanden sind, wird niemand einfach wegwerfen. Allerdings ist die Integration - gerade von SAP- und Non-SAP-Lösungen - kein Kinderspiel. Vor allem Lizenzierungsfragen können schnell komplex werden.
Die Modernisierung mit S/4HANA ist ein Projekt, bei dem man die Frage nach dem Mehrwert dem Aufwand gegenüberstellen sollte. Obwohl sie mit ihren bisherigen Prozessen sehr erfolgreich waren und in die Templates des alten SAP-Systems sehr viel Geld investiert haben, gibt es einen guten Grund, warum sich dennoch viele Unternehmen für die Migration entscheiden: mehr Agilität.
- Marc Schwarz, All for One Group SE
„Gerade bei Kunden, die noch Altsysteme wie R/3 oder ECC im Einsatz haben, merken wir sehr stark, dass ihnen Themen wie Innovation und regelmäßige Upgrades sehr wichtig sind. Die Unternehmen wissen, dass sie etwas tun müssen, und sie versuchen, ihre Systeme benutzerfreundlicher zu machen und up to date zu halten. In Industrien, in denen sich viel mit Standards abdecken lässt, wird dies schneller umgesetzt als in Firmen, bei denen viel Customizing dahintersteckt. Aber auch hier helfen die heute schon weit entwickelten Integrationsmöglichkeiten der SAP und der Partner.“ - Jonas Haas, Celonis
„Ein frühzeitiger Blick auf die Prozesse ist die Chance, Ineffizienzen zu beheben und dadurch die Business-Transformation zu erleichtern. Oft ist ein Migrationsprojekt primär vom technischen Zwang zur Umstellung getrieben. Doch ist das auch der alleinige Motivator, der es sein sollte? Man darf nicht vergessen, dass letztendlich das Business im Zentrum steht und oftmals zudem ein Wandel des Geschäftsmodells gefordert ist. Ein solches Projekt bietet die ideale Gelegenheit, seine Prozesse und Modelle zu hinterfragen und zu optimieren. Und selbst bei einem Greenfield-Ansatz sollte man nicht einfach alles neugestalten. Denn die Organisation, die Prozesse und die Menschen müssen anschließend in der Lage sein, das Geschäftsmodell auch abzubilden.“ - Robert Müller, Scheer
„Klar kann das alte ECC auch nach 2027 noch bei Kunden weiterlaufen, die sich in ihren Geschäftsmodellen nicht verändern. Aber ist das technisch und geschäftlich sinnvoll? Die Pandemie hat gezeigt, wo bei vielen Kunden die Probleme in den Lieferketten, der Produktion oder dem Zugang zu Kunden liegen. Das ist ein großer Hebel, um über die Prozesse zu sprechen und diese zu ändern. Es gibt Prozesse und Funktionalität in S/4HANA sowie den umliegenden Cloud-Produkten, die nie wieder in das alte SAP ECC kommen werden. 2015 war für diese Erkenntnis vielleicht ein bisschen zu früh. Aber jetzt sind wir in einer Phase, in der mit S/4HANA permanent Innovation und Updates reinkommen, und damit werden neue oder optimierte Geschäftsprozesse möglich, mit denen sich ein echter Business-Mehrwert generieren lässt.“ - Sören Genzler, SoftwareONE
„Die Cloud-Akzeptanz der Kunden erfordert viel Überzeugungsarbeit, um ihnen die Vorbehalte zu nehmen. Wir vermitteln ihnen Cloud als Chance, die viel mehr Flexibilität bietet, ohne bei der Sicherheit Zugeständnisse zu machen. Jemand, der den Weg in die Cloud mit S/4HANA ruhig angehen möchte, kann dies gern in mehreren Zwischenschritten tun: Zuerst den ECC in die Cloud setzen, mit Bedacht einen S/4-Piloten starten und sich davon überzeugen, dass es funktioniert. Der westeuropäische Kunde ist im Vergleich zu Kunden aus den USA ein wenig vorsichtiger, was das Early Adopting angeht. Ohne viel Geld in die Hand nehmen zu müssen, können sich Kunden mit diesem Konzept langsam an das Thema herantasten.“ - Fares Zaier, Tech Mahindra
“Eine technische Migration durchzuführen, ohne die Unternehmensprozesse im Blick zu haben, wird mitunter nicht den gewünschten Geschäftserfolg erzielen. SAP-S/4Hana-Transformationsprojekte sollten immer unter Einbindung des gesamten Business durchgeführt werden und nicht allein in der Verantwortung der IT liegen. Hier haben wir zuletzt erlebt, dass Projekte, die rein von der IT vorangetrieben wurden, häufiger erfolglos blieben. Zielführend ist, die konkreten Erwartungen der Transformation sorgfältig zu analysieren und zu bewerten, um genau zu verstehen, wie künftige Prozesse aussehen sollen.“
Aufräumen in der alten SAP-Welt
Das alte System vorher aufzuräumen, zu harmonisieren, zu konsolidieren und sich die Templates sowie das Customizing des alten ERPs genau anzusehen, fällt vielen Betrieben schwer. Nur so lässt sich aber feststellen, was auch noch in Zukunft wichtig sein wird, und es sich daher lohnt mitzunehmen. Die Abkehr von angepassten Prozessen hin zu einem Standard in S/4HANA bringt den Vorteil, dass diese nicht mehr beständig nachgepflegt werden müssen.
Was aber ist mit Prozessen, die sich nicht mit einem Standard abbilden lassen und für die das SAP-Regal auch noch keine Alternative bereithält? Ein ERP in der Cloud könnte hier eine Option sein. Das RISE-with-SAP-Pogramm bringt bereits in der Private Cloud Edition einen Blumenstrauß an Lizenzen mit, mit denen man viele Dinge ausprobieren und nutzen kann. Ein späterer Umzug in die Public Cloud bringt jedoch erneute Kosten mit sich. Wichtig ist jedoch, wie sich eine agile Integration zwischen den Systemen gestalten lässt.
Doch, wer noch grundlegend damit beschäftigt ist, den Mehrwert von S/4HANA zu eruieren, der ist mit seinen Gedanken sicher noch weit vom Thema Cloud-Interoperabilität entfernt. Deshalb raten Experten: Wenn Migration, dann sollte man sie richtig anfangen und bei der Evaluierung schon überlegen, wann und ob man in die Cloud gehen möchte. Denn selbst wenn die Scheu davor nach wie groß ist - Themen wie Cybersecurity oder Updates sind bei den Profis besser aufgehoben. Anstatt sich selbst damit zu beschäftigen, sollte man sich also lieber auf die Transformation der Prozesse konzentrieren, an deren Ende das Business im Zentrum steht.
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Zum Thema S/4HANA führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, hilft Ihnen Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 161) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
Härteprüfung Process Mining
Der entscheidende Punkt ist: Durch einen stärkeren Prozessfokus gewinnt S/4HANA einen Sinn - nicht andersherum. Doch viele Unternehmen haben sich in ihren Prozessen verrannt und scheuen sich davor, diese mittels Process Mining zu prüfen. Zudem fehlen ihnen oft auch die Mannschaft und die Methoden dazu oder gar die End-to-End-Sicht auf die Prozesse. Doch an mehr Transparenz führt kein Weg vorbei. Dabei gilt es, auch über den ERP-Tellerrand hinaus zu schauen, und auch Kunden- und Produktionsprozesse mit einzubeziehen. Diese außer Acht zu lassen, würde bedeuten, Mehrwert liegen zu lassen.
Allein die Gelegenheit, sich ausführlich mit seiner gesamten Prozesslandschaft auseinandersetzen zu müssen, sie zu hinterfragen und auf Zukunftsfähigkeit hin zu analysieren, ist bereits der größte Mehrwert, den S/4HANA einem Unternehmen bieten kann. Folglich ist eine SAP-Transformation definitiv kein IT-Projekt. Um sie erfolgreich zu gestalten, braucht es Hybrid Consultants, die das Business, die Prozesse, die Geschäftsmodelle und die Branche kennen, aber auch IT verstehen. Denn nur wenn das Unternehmen ganzheitlich abgeholt wird, dann kann es mit S/4HANA auch das Optimum für sich rausholen.
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