Fallen in der Lizenz-Arithmetik vermeiden

SAP-Lizenzierung: Darauf sollten Anwender achten

12.07.2016
Von   
Michael Sandmeier ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Sandmeier Consulting GmbH mit Sitz in Oerlinghausen (Ostwestfalen) und Hamburg.
Ließ sich früher die Berechnung von SAPs Lizenzpreisen vergleichsweise einfach nachvollziehen, machen heute neue kreative Modelle wie Netweaver Foundation, indirekte Nutzung und S/4HANA die Lizenzmetrik aus Walldorf zunehmend komplexer und immer undurchschaubarer.

Verblüfft sitzen SAP-Kunden vor den Forderungen ihres Softwarelieferanten und versuchen diese nachzuvollziehen. Frei nach Astrid Lindgren's Pipi Langstrumpf drängt sich ein Ohrwurm auf: "Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, [SAP] macht sich die Welt, widewide wie sie [ihr] gefällt." So sehr man dabei schmunzeln möchte, das Thema erregt derzeit die Gemüter der SAP-Kunden emotional, gerade wenn sie von solch unerwarteten Forderungen betroffen sind. Lässt man sich jedoch davon jedoch nicht beeindrucken und reduziert das Ganze erst einmal auf ein sachliches Niveau, so relativieren sich die Forderungen schnell auf übliche objektive Lizenzrisiken, denen man sich stellen kann. Die folgenden Beispiele sollen in die "höhere Mathematik der SAP Lizenzierung" einführen und die Basis für eine sachliche Bewertung von Lizenzrisiken und Forderungen bieten:

Dauerthema Indirekte Nutzung 2.0

Das Thema der indirekten Nutzung geht bereits seit Monaten durch die Presse - zunächst einmal verwunderlich, da die indirekte Nutzung schon seit vielen Jahren in den Preislisten der SAP verankert ist. Der Grund für die aktuellen Diskussionen liegt darin, dass die Lizenzierung von indirekter Nutzung erst in der jüngeren Vergangenheit durch die SAP bei ihren Kunden eingefordert wird. Dieser Paradigmenwechsel läuft nun dem Gerechtigkeitsempfinden vieler SAP-Kunden zuwider. Da soll man auf einmal Lizenzgebühren in beträchtlicher Höhe für eine etablierte Lösung bezahlen, was zuvor noch nie thematisiert und häufig sogar wissentlich ignoriert wurde. Nun stünde es einem Lieferanten wie SAP gut zu Gesicht, neue Forderungen valide zu argumentieren und vorzutragen. Dies geschieht aber in den seltensten Fällen - weder sind die meisten Forderungen gerechtfertigt, noch werden diese gut begründet.

Es ist SAP-Kunden daher dringend zu empfehlen, ihre Schnittstellen nüchtern auf indirekte Nutzung hin zu prüfen und das tatsächliche finanzielle Risiko gegen den Nutzen der Schnittstelle abzugleichen. Tatsächlich wurde die indirekte Nutzung noch bis einschließlich 2014 in der SAP-Preisliste technisch nüchtern und nachvollziehbar beschrieben. Übersetzt bedeutet die Auslegung der indirekten Nutzung, dass ein NonSAP-Anwender, der Nutzungsrechte an SAP-Software ausübt, zu lizenzieren ist.

Dies widerspricht grundsätzlich erst einmal nicht dem gefühlten Recht eines SAP-Kunden, solange die Lizenzgebühr dieser Nutzung angemessen ist. Letzteres - das wundert niemanden - ist natürlich ein Streitthema - aber kein Ungewöhnliches. Die Vielzahl der Schnittstellen entsprechen dieser Logik und damit dem Sachverhalt einer indirekten Nutzung nicht, beziehungsweise die Schnittstellen können durch einfache Mittel (ohne Qualitätsverlust) derart gestaltet werden, dass sich die indirekte Nutzung ausschließen lässt. Jeder Kunde, der bis 2014 SAP-Lizenzen erworben hat, sollte sich daher sachlich dem Thema stellen und ungerechtfertigte Forderungen emotionslos abwehren.

Auch für Daten-Nutzung hält SAP die Hand auf

Die Grundlage der Definition - die SAP-Preisliste - hat sich nun 2015 in diesem Punkt maßgeblich geändert. SAP spricht nun sehr allgemein von der Nutzung seiner Applikationen und schließt dabei die Nutzung der aus SAP erzeugten Daten mit ein. Hier verändert der Softwarehersteller nun die "Mathematik", denn sie verändert einseitig das als gerecht empfundene Nutzenverhältnis und wirft darüber hinaus die Frage auf, wer nun eigentlich das Eigentum an den eigenen Unternehmensdaten (oder die mit einer gezahlten Lizenz erzeugten Daten) besitzt. Hier gilt es, in neuen Verträgen, den Sachverhalt wieder in kalkulierbare Regeln zu übersetzen.

Die Anwender sind offensichtlich alles andere als zufrieden mit der Lizenzierungspolitik der großen Softwareanbieter, hatte erst vor kurzem eine Umfrage des Anwenderverbands VOICE ergeben.
Die Anwender sind offensichtlich alles andere als zufrieden mit der Lizenzierungspolitik der großen Softwareanbieter, hatte erst vor kurzem eine Umfrage des Anwenderverbands VOICE ergeben.
Foto: VOICE e.V.

Preislich steht - auch im gerechtfertigten Fall einer tatsächlichen indirekten Nutzung - der SAP-Forderung nach einem Platform Users (1300 Euro pro User, unter deutlichen Einschränkungen 250 Euro pro User) zur Nutzung einer Schnittstelle nicht der Mehrwert entgegen, da man bei diesen Beträgen in der Regel die Lizenzkosten des Drittsystems noch einmal für die Schnittstelle ausgeben muss. Dies macht in aller Regel für Neuinvestitionen jeden Business Case zunichte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

Die Forderungen entstehen häufig auch erst dann, wenn im Rahmen eines Audits oder einer Vermessung der Sachverhalt festgestellt und nur noch unter Schmerzen abgestellt werden kann, so dass die Verhandlung dieser Preise häufig unter schlechten Rahmenbedingungen ohne erkennbare Verhandlungsposition erfolgt. Es gilt daher - vorsorglich - solche Lizenzrisiken abzusichern und den Preis in Nach- und Zukaufkonditionen zu verhandeln, solang man noch eine Verhandlungsposition hat, zum Beispiel im Rahmen eines größeren Nachkaufs oder eines Zukaufs eines neuen SAP Produkts.

Strafsteuer "Netweaver Foundation Package" für Z-Transaktionen und Add-On's?

Wahrscheinlich nutzt jeder SAP-Kunde eigenentwickelte Programme und von SAP-Partnern entwickelte Zusatzlösungen, sogenannte Add-Ons. Selbst die SAP Consulting hat diese für Kunden entwickelt, ohne vermutlich jemals einen Kunden darauf aufmerksam zu machen, dass SAP für die Nutzung dieser Zusatzprogramme neben der Produktgebühr für das Add-On zusätzliche Lizenzen erheben möchte. Das gefühlte Recht ist hier in hohem Maß verletzt - sowohl das gefühlte Recht der SAP-Anwender, als auch das gefühlte Recht der SAP-Partner, deren Geschäftsmodell bedroht wird.

Entsprechende Widerstände auf der SAP-Partnerseite und auf Seiten der SAP-Anwender, zum Beispiel im Rahmen der DSAG, formieren sich mit beachtlichem Erfolg: Die SAP rudert in ihrer jüngsten Preisliste wieder zurück, relativiert ihre Forderungen und gibt bei dieser Gelegenheit ein - den Grundrechenarten entsprechendem - Regelwerk mit, mit dem wiederum ein sachlicher Austausch von Meinungen und Sachverhalten möglich ist.

An welcher Stelle werden zusätzliche Nutzungsrechte an SAP-Software ausgeübt? Ist ein User mit seinen Nutzungsrechten nicht ausreichend lizenziert, um das entwickelte Add-On mit den darin aufgerufenen SAP-Funktionen zu nutzen, ist eine Forderung durch die SAP unstrittig. Ist dies jedoch nicht der Fall, sollte der Fordernde (nämlich SAP) zunächst nachweisen, welche Nutzungsrechte nicht lizenziert sind. Die Ausübung von Nutzungsrechten folgt nach meinem Verständnis einer binären Logik - sie werden ausgeübt oder auch nicht.

Der Tod des Limited Professional User - in zwei Stufen

Der Wegfall des Limited Professional Users ist - mathematisch betrachtet - schon ein tieferer Einschnitt in die Lizenz-Arithmetik, bildet doch der Limited Professional User in einer Vielzahl von SAP-Verträgen ein wesentliches Element des gesamten Lizenzmodells - insbesondere, da die Verteilung von Professional zu Limited Professional in der Vergangenheit häufig nicht an den Unternehmensbelangen ausgerichtet war, sondern vornehmlich das Ziel hatte, in der ERP-Wettbewerbssituation einen realistischen Marktpreis zu erzielen.

Die Streichung eines natürlichen Elements des Lizenzmodells führt nun dazu, dass Nachkäufe nicht mehr im selben Lizenzmodell erfolgen können. Die ursprüngliche Streichung dieses Usertyps wurde demzufolge relativiert: Im ersten Schritt wurde die Option gewährt, dem Limited Professional User für Nachkäufe ein Profil (also eine funktionale Einschränkung) mitzugeben. Damit wurde hochoffiziell ein Sonder-User-Modell zum Preis eines Limited Professional Users freigegeben. Die Einschränkung galt allerdings nur für zukünftig erworbene Limited Professional User, der bereits vorhandene Bestand blieb unangetastet.

Diese Option hat die SAP verlängert, diesmal aber mit der Restriktion, dass nun auch die bereits bestehenden, zuvor noch funktional uneingeschränkten Limited Professional User nachträglich ebenfalls eingeschränkt werden sollten. War die erste Stufe dieser Option noch kalkulierbar und mit der gleichzeitigen Einführung günstigerer Logistic-, Worker- und Project-User praktikabel, so ist die 2. Stufe eine einseitige Vertragsänderung zu Gunsten der SAP.

An dieser Stelle ist jedem SAP-Kunden zu empfehlen, für sich das Beste aus den (Preislisten) Welten zu identifizieren und eine konsistente Lizenz-Arithmetik zu etablieren. Die Erfahrung zeigt, dass sich aus einem vermeidlichen Nachteil (Wegfall des Limited Professional User) ein Vorteil (Reduktion des durchschnittlichen Userpreises) ergeben kann.