Tipps zur indirekten Nutzung

SAP - Freund oder Feind?

06.06.2017
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Als Geschäftsführer der ConSalt Unternehmensberatung GmbH befasst sich Dr. Jan Hachenberger mit den Herausforderungen von CIOs im digitalen Wandel und berät mittelständische Unternehmen und internationale Konzerne in den Themenfeldern IT Innovationsagenda, Cloud Transition, IT Service Management sowie zu IT und Software Asset Managements. Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist er als Dozent auf nationalen wie internationalen Kongressen, zum Beispiel IAITAM, anzutreffen.

Transparenz ist das Gebot der Stunde

Die Bewertung der unterschiedlichen Szenarien indirekter Nutzung wird für jedes Unternehmen ein anderes Ergebnis zu Tage liefern. Allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass bei tiefergehender Analyse indirekte Nutzung festgestellt wird. Wie viele Unternehmen tauschen beispielsweise über SAP NetWeaver Process Integration (PI) Daten mit anderen Applikationen aus? Wer betreibt nicht ein Webportal, welches auch von SAP gehaltene Daten anzeigt, zum Beispiel Produktnummern und Preise?

Die vollständige und fast nahtlose Integration in die Unternehmensprozesse und damit selbstverständlich auch in die IT Systeme eines Unternehmens war und ist einer der wesentlichen Vorteile von SAP Software. Sollten Fälle von indirekter Nutzung festgestellt werden, führt dies nicht zwangsweise zu zusätzlichen Lizenzbedarfen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Anwender, die indirekt auf SAP zugreifen, bei der Bestimmung des Lizenzbedarfs entweder vergessen wurden oder die bereits erworbenen Lizenzen die indirekte Nutzung nicht abdecken. Letzteres gilt zum Beispiel für Mitarbeiter, denen für die Erfassung von Arbeitszeiten in SAP eine Employee-Self-Service User Lizenz zugewiesen wurde, die allerdings über eine Applikation auch Transaktionen außerhalb des Self Service auslösen.

Indirekte Nutzung feststellen

Der Bewertung indirekter Nutzung und Ableitung des jeweils passenden Lizenztyps geht eine weitaus aufwendigere Aktivität voraus - die Feststellung indirekter Nutzung. Die wenigsten Unternehmen haben für Applikationen, die über Schnittstellen mit SAP verbunden sind, eine belastbare Dokumentation der Schnittstelle(n), das heißt:

  • Auslöser des Zugriffs (Anwender, Geräte),

  • der für den Zugriff auf SAP verwendete User Account,

  • die Richtung des Datenflusses (lesend, schreibend),

  • die Taktung des Datentransfers (synchron, asynchron),

  • das Format der ausgetauschten Daten etc.

Diese Informationen lassen sich in der Regel nur über Befragung der jeweiligen Applikations- oder Schnittstellenverantwortlichen erheben. Indikatoren für eine indirekte Nutzung liefern hingegen auch Systemvermessungsergebnisse, wobei der Einsatz von SAP-Vermessungstools zusätzliche Indikatoren liefern kann, zum Beispiel auffällige User Accounts mit einer besonders hohen Anzahl an verbrauchten CPU Sekunden oder erzeugten Änderungsbelegen.

Lizenzbedarf ermitteln

Sobald festgestellt wurde, welche Applikationen welche SAP-User-Accounts für den Zugriff auf SAP-Funktionen oder den Austausch von Daten verwenden, kann nach der Bestimmung des Lizenzbedarfs in einem ersten Schritt aus dem bestehenden SAP Lizenzvertrag ein "geeigneter" Lizenztyp ausgewählt und der Mehrbedarf an SAP kommuniziert werden. Eignung ist in diesem Zusammenhang wie folgt zu verstehen.

  • Der Lizenztyp deckt indirekte Nutzung von SAP entsprechend der Rechte zum Zugriff auf bestimmte SAP Funktionalitäten oder der Verwendung oder Speicherung von Daten ab.

  • Die Verwendung des Lizenztyps ist nicht durch andere Regelungen im Lizenzvertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen.

  • Der Lizenztyp reflektiert den Wert der Transaktion über den Preis pro Lizenz.

Insofern sind zum Beispiel indirekte lesende oder schreibende Zugriffe von Mitarbeitern in der Produktion kostengünstiger über eine "SAP Worker User Lizenz" zu lizenzieren, als mit einem "SAP Professional User".

Sollten die im Lizenzvertrag enthaltenen Lizenztypen aus Sicht des Unternehmens für die festgestellte indirekte Nutzung nicht geeignet sein, kann in enger Abstimmung mit SAP ein Lizenztyp aus dem klassischen SAP Lizenzsortiment - siehe Preis- und Konditionenliste - ausgewählt oder gegebenenfalls ein für die indirekte Nutzung passender Sonderlizenztyp definiert und über einen separaten Lizenzvertrag beschafft werden.

Unternehmen sollten sich in jedem Fall darüber im Klaren sein, dass die Nichtverfügbarkeit eines für sie "geeigneten" Lizenztyps nicht bedeutet, dass man die indirekte Nutzung von SAP nicht lizenzieren muss; ganz im Gegenteil. Die Notwendigkeit zur Lizenzierung und einer gegebenenfalls vorausgehenden Abstimmung und Einigung über das "Wie" mit SAP geht aus dem Gerichtsurteil zum Diageo Fall klar hervor. Und im Worst Case lässt sich mit einem SAP Professional User fast jedes Szenario indirekter Nutzung ablizenzieren - nur eben nicht wirklich zu einem vernünftigen Preis.

Nachhaltigkeit hat Vorrang

Der Aufwand zur Feststellung indirekter Nutzung ist erheblich, insbesondere wenn es um die Aufnahme und Analyse der Detailinformationen zu den relevanten Applikationen und Schnittstellen geht, und davon gibt es bisweilen mehrere hundert in einem Unternehmen. Hier gilt es so detailliert wie möglich zu sein, um jeden Fall richtig einzuordnen und den Lizenzbedarf korrekt zu bewerten - aber auch, um mögliche Rückfragen seitens der SAP beantworten zu können. Die Klärung mit SAP ist vor allem dann notwendig, wenn es keine geeigneten Lizenztypen im SAP Lizenzvertrag oder der Preis- und Konditionenliste gibt.

Hat man einmal alle Fälle indirekter Nutzung aufgenommen, hört die Arbeit allerdings nicht auf. Denn eins ist gewiss: Anforderungen im Unternehmen ändern sich und in Folge werden Unternehmensprozesse angepasst. Damit einher geht die Weiterentwicklung, Ablösung oder Neueinführung von IT Systemen. Jede Änderung an IT Systemen, die mit SAP Daten austauschen, muss dokumentiert und hinsichtlich indirekter Nutzung bewertet werden. Ebenso bedarf es eines kontinuierlichen Monitorings aller Änderungen zu berechtigten Benutzern, das heißt neue Benutzer, Änderungen in der Berechtigung der Benutzer (Daten lesen vs. Daten schreiben etc.) sowie die Deaktivierung oder Löschung eines Benutzerkontos. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der so verwalteten Daten zu

  • den Geschäftsprozessen,

  • den IT Systemen oder spezifischer den eingesetzten Applikationen,

  • den Benutzern der Applikationen und ihren Aktivitäten,

  • den Schnittstellen zwischen den Applikationen und SAP und

  • den über die Schnittstellen ausgetauschten Daten

sind regelmäßig zu kontrollieren. Bei festgestellten Abweichungen müssen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden. Die Koordination dieser Aktivitäten sollte über ein SAP Lizenzmanagement sichergestellt werden.