Der Erwartungsdruck war groß. Nachdem SAP-Chef Bill McDermott seinem Publikum auf der Sapphire im vergangenen Jahr versprochen hatte , dass der Umgang mit SAP-Produkten und dem Unternehmen selbst einfacher werde, warteten die Besucher auf der diesjährigen Sapphire in Orlando gespannt auf Details, wie der größte deutsche Softwarekonzern gedenkt, dieses Versprechen einzulösen. Vergessen hat es McDermott zumindest nicht. "Dieses Jahr zeigen wir die Roadmap zur Einfachheit", eröffnete er seine Keynote. "Vergessen Sie Software as a Service (SaaS), das ist von gestern. Jetzt geht es um Simple as a Service."
Einfacher soll zunächst der Einkaufsprozess im Zusammenhang mit neuer SAP-Software werden. SAP hat dazu einen neuen Geschäftsbereich namens SAP Digital gegründet, der von Jonathan Becher geleitet wird. SAP hatte ihn im vergangenen Jahr als Chief Digital Officer angeheuert. Herzstück von SAP Digital ist der neue SAP-Store. Hier könnten einzelne Nutzer künftig Lösungen ad hoc kaufen, ohne Bestellung, ohne Rechnung und ohne langwierigen Beschaffungsprozess. Der Kauf funktioniert online über beliebige Endgeräte, bezahlt wird per Kreditkarte.
SAP-Software wie Apps kaufen und nutzen
Anwender könnten die erstandene Software binnen kürzester Zeit produktiv nutzen, versprach Becher. Beispielsweise lasse sich das neue, für kleine Teams und Individualnutzer konzipierte Cloud-basierte CRM-System "SAP Digital for Customer Engagement" innerhalb von 15 Minuten live bringen. "Want now, buy now, use now", so Bechers Slogan. Das Kunden-Management-Tool kann 30 Tage getestet und dann für 23 Euro je Nutzer und Monat abonniert werden. Im SAP-Store finden sich auch Lösungen wie das zugekaufte Talent-Management-System von SuccessFactors sowie das Analytics-Tool Lumira. SAP richtet sich mit diesen Tools direkt an Mitarbeiter in Fachbereichen, die über den App-Store unkompliziert Lösungen beziehen können sollen.
Im großen Bild rückt indes die HANA-Plattform immer stärker ins Zentrum der Produktstrategie. "Die HANA Cloud Platform ist SAPs Platform-as-a-Service-Strategie", sagte Sven Denecken, Global Vice President, Customer and Partner Strategy Cloud Solutions von SAP. Partner und Kunden könnten darauf Addons für SAP-Lösungen entwickeln und betreiben. Außerdem fungiere die Plattform als Schaltzentrale zwischen den verschiedenen Softwareangeboten, seien es die Cloud-Lösungen oder die on Premise genutzte Software von SAP.
Auch Open-Source-Produkte werden hier integriert. Beispielsweise soll es eine spezielle Internet-of-Things-Edition der HANA Cloud Platform geben, die eine Hadoop-Anbindung mitbringt. So könnten Unternehmen zum Beispiel Sensordaten, von denen sie noch nicht wüssten, ob sie in Zukunft wichtig würden, in sogenannten Data Lakes ablegen, beschreibt Denecken ein Einsatzszenario.
Der zweite Stützpfeiler in SAPs Produktstrategie ist die erst im Februar vorgestellte Softwaregeneration S/4HANA. Zur Sapphire wurde die Cloud-Edition von S/4HANA eingeführt. Neben den bereits verfügbaren Lösungen für die Bereiche Marketing und Professional Services könnten Anwender nun auch ihr gesamtes Unternehmen über die Cloud steuern, versprachen die SAP-Verantwortlichen. Das beinhalte Lösungen für das Finanz- und Rechnungswesen, das Controlling, die Beschaffung, den Vertrieb, die Fertigung, die Instandhaltung, das Projekt-Management und das Product-Lifecycle-Management (PLM).
S/4HANA sei eng mit den anderen Cloud-Lösungen von SAP verknüpft, sagte Denecken. Der SAP-Manager betonte zwar den Cloud-first-Ansatz, bekräftigte jedoch im gleichen Atemzug, dass auch die On-Premise-Edition weiterentwickelt werde. Für diese Variante soll es alle neun bis zwölf Monate ein Update geben, während für die Cloud-Edition Quartal für Quartal ein neues Release erscheinen werde.
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Bei Bedarf kann der IT-Verantwortlich SAP S/4 HANA auch vom Armgelenk aus steuern.
400 Millionen Zeilen Code aufgeräumt
Denecken zufolge liegt bei S/4 HANA eine komplett neue Softwarearchitektur vor. Wer spekuliere, SAP verkaufe seinen Kunden nun R/3 als S/4, liege falsch. Man habe sich alle 400 Millionen Codezeilen angesehen und kräftig aufgeräumt. Früher seien einzelne Module wie das CRM, PLM und SCM getrennt vom ERP gelaufen. Teilweise hätten sich auch Funktionen überlappt, räumte Denecken ein. Das habe für mehr Komplexität gesorgt, weil die Systeme getrennt voneinander liefen. Das sei in Zukunft mit der HANA-Plattform nicht mehr der Fall, so der SAP-Manager. Überlappungen würden ausgeräumt, und künftig gebe es nur mehr eine einheitliche Code-Line. Das soll Komplexität verringern und für einfachere SAP-Umgebungen sorgen.
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. SAP betonte zwar, dass es schon 374 Kunden für S/4HANA gebe, gemessen an der Gesamtkundenzahl von 291.000 ist das jedoch ein verschwindend geringer Anteil. Viele Anwender wollen erst einmal konkrete Anwendungsszenarien sehen, die ihnen Geschäftsvorteile durch HANA und S/4HANA belegen.
So strapazieren die SAP-Verantwortlichen zwar weiter den Begriff "Simple" für ihr Gesamtportfolio und ihre Strategie. Doch vieles bleibt noch an der Oberfläche - auch die in Orlando verkündete enge Kooperation mit Google. So sollen Anwender künftig einfacher mit Google-Tools auf SAP-Daten zugreifen können. Das mache das Arbeitsleben besser, frohlockte McDermott auf der Sapphire-Bühne und bezeichnete die Partnerschaft als Paradebeispiel für den Paradigmenwechsel bei SAP. Analysten wie Robert Eastman von IDC wollten dem nicht ganz folgen. Es sei nachvollziehbar, dass SAP in immer komplexer werdenden Zeiten auf die Simple-Karte setzt, so Eastman, doch ob es sich für die SAP-Kunden am Ende so einfach anfühle, wie der Konzern glauben machen möchte, sei alles andere als gewiss.