Der Name ist Programm: Als nahezu unbegrenzt (unlimited) wird der für Indien prognostizierte Bedarf an Dienstleistungen rund um das Internet of Things eingeschätzt. Prognosen zufolge wird die Anzahl der vernetzten Devices von aktuell 200 Millionen bis 2020 auf rund drei Milliarden ansteigen, die damit verbundenen Einnahmen sollen von 5,6 auf 15 Milliarden Dollar klettern.
Um dieses riesige Potenzial zu heben, hat die indische Reliance Group Ende vergangenen Jahres mit Unlimit einen IoT-Dienstleister an den Start gebracht. An der Firmenspitze steht Jürgen Hase, ehemaliger Leiter des M2M Competence Center der Deutschen Telekom. Unterstützt wird CEO Hase unter anderem vom ebenfalls in Fachkreisen nicht ganz unbekannten Dr. Matthias Wurster, Vizepräsident Marketing und Business Development bei Unlimit.
Um End-to-End-Lösungen für Business-Kunden zu entwickeln, hat die in Mumbai ansässige Company bereits eine auf Cisco Jasper und Cumulocity basierende IoT-Plattform ins Leben gerufen. Aktuell sammle man Use Cases, um mit Beispielen an den Markt zu gehen, führt Wurster im CW-Gespräch aus. Es herrsche derzeit eine enorme Nachfrage, erklärt der frühere Deloitte-Berater, unter anderem wegen der von der Regierung 2014 angestoßenen Digitalisierungsinitiative "Make in India". Deren Ziel sei es, neue - digitale - Arbeitsplätze zu schaffen.
Einer der Use Cases, zu denen Unlimit derzeit einen Proof of Concept erstellt, dreht sich laut Wurster darum, Transformatoren vor dem Überhitzen zu schützen - ein ernstes Problem, da die Temperaturen im Sommer insbesondere im Landesinneren über 40 Grad erreichen. Das Konzept der Reliance-Tochter sieht vor, in die Trafos per Mobilfunk vernetzte Sensoren einzubauen, die die Öltemperatur messen und weiterleiten. Dadurch sei es möglich, bereits bei der Gefahr einer Überhitzung den Transformator remote abzuschalten.
Mit Sensoren gegen Manipulationen
Neben umweltbedingten Störungen versucht Unlimit, mit Hilfe von IoT auch menschliche Manipulationen unter Kontrolle zu bekommen. So sind in Indien zahlreiche private Überland-Busflotten tagelang unterwegs, um Riesendistanzen wie die über 1000 Kilometer lange Strecke von Mumbai nach Kerala zurückzulegen. Insbesondere bei neuen Fahrzeugen werde bei der Ankunft am Zielort dann häufig festgestellt, dass unterwegs die neuen Reifen abmontiert wurden und durch alte ersetzt wurden, erklärt Wuster. Die einfache Lösung von Unlimit für dieses Problem: Ein Reifendruck- und GPS-Sensor, der feststellt, wo der Austausch stattfand - und damit auch, welcher Fahrer involviert war.
Auf ähnliche Weise will Unlimit mit Hilfe von IoT einer anderen - noch gefährlicheren - Praxis von indischen Berufskraftfahrern Einhalt gebieten: So schalten aktuell noch viele LKW-Fahrer bei längeren Bergab-Fahrten den Motor aus, um Diesel zu sparen (und sich durch den späteren Verkauf ihr Gehalt aufzubessern). Dabei nehmen sie zwangsläufig in Kauf, dass Bremse und Lenkung nicht mehr richtig funktionieren - mit ein Grund für die häufigen Lastwagenunfälle in Indien. Wie der Unlimit-Mann ausführt, helfen auch in diesem Fall Sensoren, die erkennen, wann und wo der Motor ausgeschaltet wurde - wenn es nicht schon zu spät ist.
Riesiges Potenzial für IoT-Dienste bietet auch ein neues Gesetz, demzufolge alle Rikschas bis 2020 mit einer Art E-Call ausgestattet sein sollen. Für die Umsetzung wird es im Vorfeld offizielle Ausschreibungen für die einzelnen Bundesstaaten geben. Während bei dem Vorhaben im Vordergrund steht, für mehr Transparenz und Sicherheit der Passagiere zu sorgen, stellt sich ähnlich wie bei Connected Cars die Frage, wie man die anfallenden Kosten für das Equipment mit zusätzlichen Services aufgefangen werden.
Analytics-Elemente kommen später
Unlimit-Manager Wurster räumt ein, dass bei den indischen IoT-Szenarien Analytics und Big Data noch selten zum Einsatz kommen. Häufig genügten in Indien bereits einfache Sensorik-/IoT-Lösungen, um riesige Effekte zu erzielen, so seine Erklärung: "Man kann aktuell mit M2M noch sehr viel abdecken, die gröbsten Missstände beseitigen, die Analytik folgt nach."
Und: Wenngleich Analytics im indischen Massenmarkt noch nicht benötigt wird - intern bei der Konzernmutter Reliance ist es ganz sicher ein Thema. Gelinge es etwa, bei den Kraftwerken von Reliance Power über den Einsatz von GE Predix oder SAP Hana ein Prozent mehr Effizienz herauszuholen, sei der Gewinn bereits enorm, so Wurster.
Der Unlimit-Manager ist auch davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis über das Internet der Dinge neue disruptive Dienste wie Pilze aus dem Boden schießen. Aktuell sehe man nutzungsbasierte Geschäftsmodelle in Indien noch ganz selten - dies könne aber explodieren, erklärt Wurster. Der Grund: In Indien gebe es deutlich weniger Regulierung als in westlichen Ländern, außerdem unterstütze die Regierung Digitalisierungsinitiativen ganz massiv. Bestes Beispiel dafür sei die spontane Entwertung verschiedener Banknoten Ende vergangenen Jahres mit dem Ziel, die Korruption zu stoppen (nur geschätzte drei Prozent der Bevölkerung zahlen Steuern) und das Thema Mobile Wallet voranzutreiben.