Seit dem Launch von ChatGPT vor nicht einmal einem Jahr steht OpenAI-Gründer Sam Altman für einen neuen Megatrend im IT-Markt: Generative AI. Der New York Times (NYT) zufolge fehlt ihm zu seinem Glück allerdings noch eine spezifische Gattung von Devices, mit der sich die Möglichkeiten der generativen KI voll ausspielen lassen. Und hier kommt Jony Ive ins Spiel, der Designer von iPhone, iPod und MacBook Air. Seitdem er Apple 2019 verlassen hat, soll er sich über das nächste große Ding im Smartphone-Markt Gedanken machen.
Die beiden Pioniere arbeiten jetzt offenbar zusammen, um ein Gerät zu entwickeln, das die Nachfolge von iPhone & Co. antreten könnte. Anwender sollen die Vorteile der generativen KI mithilfe eines neuen Formfaktors nutzen können, der nicht mehr auf ein rechteckiges Display beschränkt ist. Die NYT bezieht sich in ihrem Beitrag auf Informationen von zwei nicht namentlich genannten Insidern.
SoftBank steuert eine Milliarde Dollar bei
Demnach haben Altman und Ive einige Konzepte entwickelt und sich bereits erfolgreich um eine Finanzierung bemüht. Die soll vom japanischen Technologie-Investor SoftBank kommen, der wohl mit bis zu einer Milliarde Dollar einsteigen wird. Mit der Unterstützung von SoftBank-CEO Masayoshi Son könnten die Entrepreneure auch das Halbleiter-Know-how von Chipdesigner Arm anzapfen, den SoftBank 2016 gekauft und erst kürzlich an die Börse gebracht hatte.
Wie die Partner ihr Geschäft konkret aufziehen wollen, ist noch unklar. OpenAI gleicht momentan eher einem KI-Forschungslabor mit etwa 400 Wissenschaftlern, Ingenieuren und Support-Mitarbeitern. Die Designfirma LoveFrom von Jony Ive beschäftigt gerade einmal drei Dutzend Industrie- und Software-Designer sowie Ingenieure. Beide Unternehmen sind in San Francisco beheimatet.
Das Silicon Valley steht auf dem Kopf
Die NYT ist nicht die erste Publikation, die über das Projekt berichtet. Zuvor hatten auch schon das Techmedium The Information und die Financial Times ihre Leserinnen und Leser informiert. Alle Publikationen interpretieren die Zusammenarbeit als Indiz dafür, dass Generative AI derzeit den Status quo im Silicon Valley völlig auf den Kopf stellt. Seit der Einführung von ChatGPT arbeiten die meisten IT-Unternehmen an neuen Geschäftsmodellen. Die Fähigkeit des Bots, Fragen zu beantworten, Softwarecode zu schreiben sowie Texte, E-Mails und Präsentationen zu verfassen, dürfte die Spielregeln in den meisten Hightech-Märkten grundlegend ändern.
Technologievisionäre träumen nun vom "Ambient Computing": Anstatt auf Smartphones herumzutippen und Fotos zu machen, könnten User einen neuen Gerätetyp etwa als einfachen Anhänger oder Brille mit sich führen - als eine Art Hülle für einen hochentwickelten virtuellen Assistenten. Dieser schlaue Begleiter kann ständig Fragen beantworten, Bilder bearbeiten und vor allem in Echtzeit auf Erlebnisse und Sinneswahrnehmungen reagieren.
Altman ist unter anderem in ein Unternehmen namens Humane investiert, das ebenfalls eine solche Vision verfolgt. Es wurde von den ehemaligen Apple-Mitarbeitern Imran Chaudhri und Bethany Bongiorno gegründet. Humane arbeitet an einem Gerät, das die Gründer als den "verschwindenden Computer" bezeichnen. Möglicherweise kommt eine ersten Version noch in diesem Jahr auf den Markt.
Altman will nicht von anderen abhängig sein
Die NYT mutmaßt, dass Altman eigene Hardware entwickelt, um nicht von Apple oder Google abhängig zu sein. Beide Anbieter beanspruchen bekanntlich einen Anteil an den Verkäufen über ihre App-Stores für sich, was andere Konzerne in eine gewisse Abhängigkeit führt. Doch mobile Hardware zu entwickeln und ein Software-Ökosystem drum herum aufzubauen, ist nicht einfach und braucht einen langen Atem. Große Konzerne wie Amazon und Meta sind jeweils nicht besonders weit damit gekommen.
Altman dürfte die Zusammenarbeit mit Jony Ive als Schlüssel zum Erfolg sehen: Dessen Erfolgsbilanz beim Entwickeln neuer Devices ist einmalig. Ive steckt nicht nur hinter dem iPhone, er war auch die treibende Kraft hinter der Apple Watch, dem einzigen wirtklich neuen Gerät, das Apple nach dem Tod von Steve Jobs im Jahr 2011 eingeführt hat. Ive hatte Apple zwar 2019 verlassen, um die Designschmiede LoveFrom zu gründen, aber er war noch bis zum letzten Jahr vertraglich an den Konzern gebunden. Das ist inzwischen vorbei: Ive hat die Freiheit, mit Altman zusammenzuarbeiten und gleichzeitig parallel eigenen Interessen weiter nachzugehen, berichten die Insider. (hv)