"Wir sind jetzt der weltweit größte Anbieter von Unternehmensanwendungen", verkündete Salesforce-Gründer und Co-CEO Marc Benioff vollmundig zum Auftakt der diesjährigen Kunden- und Partnerkonferenz Dreamforce. Der Seitenhieb galt SAP. Über viele Jahre hinweg dominierte der deutsche Softwarehersteller den Markt für Business-Applikationen. Doch Salesforce hat mit seinen Software-as-a-Service- (SaaS-)Lösungen in den vergangenen Jahren viel Boden gut gemacht und dürfte die Walldorfer 2022 beim Umsatz tatsächlich übertreffen.
Salesforce erwartet für das laufende Geschäftsjahr 2023, das mit dem Januar kommenden Jahres endet, Einnahmen in Höhe von knapp 31 Milliarden Dollar. SAP wird laut Analystenschätzungen 2022 einen Umsatz von knapp 30,5 Milliarden Euro erzielen und könnte damit - auch angesichts des aktuell starken Dollars - hinter den Cloud-Konkurrenten zurückfallen.
Nach zwei Jahren Corona-Pause und diversen virtuellen Veranstaltungen fand die Dreamforce in diesem Jahr erstmals wieder als Präsenz-Event statt. Rund 40.000 Besucher erwartete der Cloud-Spezialist vom 20. bis 22. September 2022 zu seinem Softwarespektakel an der US-Westküste, bei dem es nicht nur um Technik und IT ging. Neben Hollywood-Größen wie Jennifer Hudson und Matthew McConaughey traten in San Francisco die US-Basketball-Ikone Earvin "Magic" Johnson, der U2-Front-Mann Bono, der seine Memoiren vorstellte, sowie als Showact die Red Hot Chili Peppers auf.
Benioff, der auch die 20. Dreamforce wie viele Konferenzen zuvor als bunte Show inszenierte, führt die Erfolge seines Unternehmens auf die breite Produktpalette zurück. Der Manager verwies auf eine Vielzahl von Lösungen für Vertriebs-, Service- und Marketing-Abteilungen in den Anwenderunternehmen. Gelohnt hätten sich auch die großen Akquisitionen der vergangenen Jahre. Mulesoft, Tableau und Slack hätten den eigenen Software-Stack deutlich aufgewertet und die Lösungen für Unternehmenskunden immer relevanter gemacht.
Genie - Salesforce baut Realtime-fähige Customer Data Platform (CDP)
Salesforce baut aber auch die selbstentwickelten SaaS-Lösungen weiter aus. Als Highlight der zur Dreamforce 2022 angekündigten Neuerungen bezeichnete der Hersteller "Salesforce Genie". Anwender sollen damit Kundendaten aus verschiedensten Kanälen und Interaktionen zu einem laufend in Echtzeit aktualisierten Kundenprofil zusammenführen können. Genie könne Realtime-Datenströme anzapfen und diese mit Daten aus transaktionalen Systemen sowie verschiedenen Datenbanken und Date Lakes verknüpfen. Wesentlicher Bestandteil der Technik ist die zugekaufte Integrationsplattform von Mulesoft, die die notwendigen Schnittstellen zu anderen Systemen bereitstellt.
Diese laufend aktualisierten Kundenprofile stehen allen über die Salesforce-Plattform angebotenen Anwendungen zur Verfügung. Das reicht von der zentralen CRM-Plattform "Customer 360", über die Branchenlösungen sowie die zugekauften Tools von Tableau und Slack bis hin zu den von Kunden entwickelten Apps. Darüber hinaus sollen auch andere Salesforce-Tools wie die Automatisierungslösung "Flow" und die KI-Werkzeuge aus der "Einstein"-Familie auf die Daten aus Genie zugreifen können. Damit würden präzisere Prognosen über das Kundenverhalten möglich, versprechen die Salesforce-Verantwortlichen.
Realtime-Daten sollen den Salesforce-Kunden dabei helfen, die Customer Experience ihrer Klientel ständig zu verbessern - und zwar unmittelbar während des Kontakts. David Schmaier, Chief Product Officer von Salesforce, bezeichnete Genie als das erste wirkliche Realtime-CRM-System und die bedeutendste Innovation, die Salesforce je auf seiner SaaS-Plattform angeboten habe. "Genie macht jeden Teil von Customer 360 intelligenter, erhöhte den Automatisierungsgrad und funktioniert in Echtzeit."
Um die Bedeutung von Genie für das Salesforce-Angebot zu unterstreichen, bekommt das neue Werkzeug ein eigenes Comic-Logo. Ein mit einem lila Umhang gewandetes Kaninchen mit Zauberstab sieht aus wie eine Mischung aus Bugs Bunny und dem Jedi-Meister Yoda aus Star Wars. Im Spektrum der Salesforce-Produkte gesellt es sich zu Codey dem Bären, Cloudy der Ziege, Ruth der Elefantendame und Einstein. Die Salesforce-Chefs stehen dazu: Benioff und sein Co-CEO Bret-Taylor trugen während ihrer Dreamforce-Keynote Hasenohren als Zeichen ihrer Unterstützung für Genie.
Um die Reichweite von Genie zu erhöhen, setzt Salesforce auf strategische Partnerschaften, beispielsweise mit der Cloud-Datenplattform Snowflake und der cloudbasierten Machine-Learning-Plattform Amazon SageMaker. Beispielsweise könnten Data Scientists SageMaker künftig direkt in Einstein für die Entwicklung neuer KI-basierter Modelle nutzen. Außerdem sollen Anwender Daten einfach zwischen Snowflake und der Salesforce Customer Data Platform (CDP) springen können, ohne dass diese dabei verschoben oder kopiert werden muss. Zum Beispiel sollen sich Snowflake-Daten in Zukunft direkt in Tableau visualisieren lassen. Die neue Integration zwischen Salesforce CDP und Snowflake werde ab Herbst 2022 pilotiert, hieß es.
Net Zero Marketplace: Plattform für Klimazertifikate
Salesforce hat auf der Dreamforce zudem den "Net Zero Marketplace" vorgestellt, eine Plattform, die den Erwerb von Klimazertifikaten für Unternehmen einfacher und transparenter gestalten soll. Der auf der Salesforce Commerce Cloud basierende Marktplatz vernetzt Unternehmen und sogenannte Ecopreneurs, die dort Klimazertifikate anbieten können. Zugelassen sind dabei nur solche, die von unabhängiger stelle bewertet wurden. Die Plattform soll im Oktober 2022 in den USA starten. Zum Launch würden über 70 Projekte aus elf Ländern in Afrika, Australien, Europa, Lateinamerika und den USA angeboten, hieß es. Im kommenden Jahr soll der Net Zero Marketplace in weiteren Märkten an den Start gehen.
Mit "Slack Canvas" ergänzt Salesforce sein Ende 2020 für 27,7 Milliarden Dollar zugekauftes Collaboration-Tool Slack. Mit Canvas erhielten Nutzerinnen und Nutzer einen zentralen Ort, an dem die wichtigsten Ressourcen und Informationen zentral zur Verfügung stehen. Alle benötigten Daten ließen sich hier automatisiert zusammenführen, versprach der Hersteller. Über die Slack Platform sollen Anwender darüber hinaus Werkzeuge und wiederverwendbare Bausteine an die Hand bekommen, um Workflows und Automatisierungen konfigurieren, anpassen und bereitstellen zu können. Partner wie Accenture, Capgemini, Deloitte, IBM, KPMG und PwC haben angekündigt, mit Slack Partner Industry Solutions maßgeschneiderte Lösungen für Branchen wie Finanzdienstleistungen, Fertigungsindustrie, Telekommunikation, Einzelhandel, Medien und Technologie anbieten zu wollen.
Benioff warnt vor längeren Verkaufszyklen
Das Produktfeuerwerk und die bunte Show auf der Dreamforce konnten indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch das erfolgsverwöhnte Salesforce-Management vorsichtiger geworden ist. Benioff räumte ein, dass die gegenwärtigen wirtschaftlichen Umstände mit der Energiekrise und der Inflation schwierig seien. Alle Marktteilnehmer würden in den nächsten Monaten noch einige Lektionen lernen müssen.
"Die Kunden werden vorsichtiger in ihrem Kaufverhalten", hatte der Salesforce-Gründer erst kürzlich anlässlich der Veröffentlichung der jüngsten Quartalszahlen festgestellt. Die Verkaufszyklen könnten sich verlängern. Dazu komme, dass die Deals länger und von höheren Managementebenen geprüft würden. "Nahezu jeder, mit dem ich gesprochen habe, geht bei seinen Geschäften mit mehr Augenmaß vor", konstatierte er. Salesforce beobachte die größere Vorsicht auf Kundenseite seit Juli 2022 und man gehe davon aus, dass sich dieser Trend in naher Zukunft fortsetzen werden.
Allen wirtschaftlichen Turbulenzen zum Trotz bemüht sich Benioff Zuversicht zu verbreiten und seine Stakeholder bei Laune zu halten. Zwar musste er Ende August seine Umsatzprognose für das laufende Fiskaljahr von 31,8 auf knapp 31 Milliarden Dollar zurücknehmen. Bis zum Fiskaljahr 2026 will er mit Salesforce dennoch die Marke von 50 Milliarden Dollar Jahresumsatz knacken.