Intelligenz, Geschwindigkeit, Produktivität, Mobilität und Konnektivität – das sind aus Sicht von Salesforce-CEO Marc Benioff die fünf Faktoren, die die künftige Evolution von Enterprise Software maßgeblich beeinflussen werden. Rund um diese fünf Konzepte werde der SaaS-Spezialist künftig seine Software-Services bauen, kündigte der Firmenlenker an. Im Zentrum der Ankündigungen auf der Kundenkonferenz Dreamforce Anfang Oktober in San Francisco standen denn auch eine Reihe neuer Werkzeuge, die Benioff zufolge auf der eigenen Customer Success Platform zu einer regelrechten Tools-Suite verknüpft werden sollen.
KI soll alle Salesforce-Produkte durchdringen
Dazu zählt beispielsweise "Einstein", die erst kürzlich vorgestellte Plattform für künstliche Intelligenz, die Anwendern erlauben soll, bessere Einblicke in das Verhalten von deren Kunden zu gewinnen. Einstein werde als eine Art persönlicher Data Scientist für jeden Anwender funktionieren, hieß es. Artificial-Intelligence-Funktionen (AI) würden im Laufe der Zeit die gesamte Salesforce-Plattform durchdringen. Das Werkzeug soll sich in sämtliche Datenströme einklinken können wie beispielsweise die klassischen CRM-Daten, aber auch Social-Media-Informationen oder Kommunikationsdaten aus E-Mails oder Chats.
Auf Basis von Analysen dieser Daten könnten Anwender das Kundenverhalten genauer vorhersagen, versprechen die Salesforce-Verantwortlichen. Außerdem könne das Tool aufgrund der Auswertungen bestimmte Aktionen vorschlagen und diese teilweise auch automatisiert abarbeiten. "Einstein ist das zentrale Thema in diesem Jahr", sagte John Ball, der für die Sparte verantwortliche General Manager bei Salesforce. "Einstein wird jeden Aspekt unserer Produkte verändern."
Eine neue Version der "Salesforce1 App" soll Unternehmen in die Lage versetzen, für die Benutzeroberfläche ihrer mobilen Anwendungen ein eigenes User-Interface inklusive eigenem Branding zu bauen. Zudem soll das neue Release erweiterte Funktionen mitbringen, mit deren Hilfe Manager exaktere Einblicke erhalten können, wie ihr Geschäft aktuell läuft. Die "Thunder-IoT-Cloud" soll einen Traffic-Monitor erhalten, mit dessen Hilfe Anwender Daten-Ströme zwischen verschiedenen Geräten effizienter überwachen und steuern könnten, hieß es. Außerdem soll eine Funktion integriert werden, die Streaming-Daten verschiedenster Geräte mit anderen Daten aus der Salesforce-Plattform verbindet, aufbereitet und visualisiert. Ziel sei, sämtliche Informationen zu einem Kunden in einem Profil zu bündeln, um die richtigen Entscheidungen zu treffen, wie man mit diesem Kunden umgeht, sagte Mike Rosenbaum, Executive Vice President für die CRM-Applikationen bei Salesforce.
Mit Quip auf Konfrontationskurs zu Microsoft
Zudem soll die erst im August übernommene Productivity-Suite Quip tiefer in die Salesforce-Plattform integriert werden. Quip-CEO Bret Taylor erklärte auf Dreamforce-Bühne, sein Team arbeite mit Hochdruck daran, Quip mit sämtlichen Salesforce-Cloud-Produkten zu verknüpfen. Anwender sollen sich mit ihrem Salesforce-Login in Quip anmelden können und dort Dokumente, Tabellen und Aufgabenlisten erstellen können. Mit Hilfe einer Ligthning-Komponenten sollen sich diese Quip-Files direkt aus Salesforce-Anwendungen heraus bauen lassen. Hier sollen auch Daten aus der Salesforce-Welt integriert werden können. Beispielsweise könnten Teams eine Seite bauen, auf der Vertriebsinformationen angezeigt werden, die anhand von Daten aus der Salesforce-Plattform automatisch laufend aktualisiert werden.
Mit der Übernahme der Productivity-Tools von Quip geht Salesforce zudem auf Konfronstationskurs zu Microsoft. Damit biete sich eine Gelegenheit, den übermächtig erscheinenden Softwareriesen zumindest zu ärgern, glaubt Rob Enderle, Principal Analyst der Enderle Group. Microsofts mächtiges Office-Paket sei noch nicht so recht für Collaboration-Anforderungen in der Cloud ausgelegt. Salesforce könnte sich mit dem Zukauf durchaus als ein ernst zu nehmender Office-Konkurrent aufstellen, so die Prognose des Analysten.
Salesforce baut mit Krux-Übernahme sein Datenmanagement aus
Im Vorfeld der Dreamforce wurde zudem bekannt gegeben, dass Salesforce Krux Digital und deren Daten-Management-Plattform übernehmen will. Der Deal hat ein geschätztes Volumen von knapp 700 Millionen Dollar - davon 340 Millionen Dollar in bar, der Rest in Aktien. Bis Januar 2017 soll das Geschäft abgeschlossen sein. Anwender könnten mit Krux mehr Daten in ihren CRM-Systemen besser handeln, so das Versprechen des Cloud-Spezialisten. Krux ist mit seinem "Intelligent Marketing Hub" bereits Partner von Salesforce. Das Werkzeug verarbeite derzeit jeden Monat 200 Milliarden sogenannte "Data Collection Events" über rund drei Milliarden Geräte. Diese Daten zu sammeln, zu aggregieren und auszuwerten, können Unternehmen dabei helfen, das Verhalten ihrer Kunden in Echtzeit zu erfassen udn auszuwerten. Krux werde die Salesforce Marketing Cloud dahingehend erweitern, dass Anwender mehr Daten präziser analysieren könnten, stellte Krux-Gründer und -CEO Tom Chavez interessierten Unternehmen in Aussicht. Angesichts der bereits bestehenden Partnerschaft geht Chavez davon aus, dass sich die Integration in die Salesforce Marketing Cloud zügig und reibungslos bewerkstelligen lasse.
Während die Krux-Übernahme in trockenen Tüchern ist, machte Benioff an anderer Stelle einen Rückzieher. Der Salesforce-CEO hat das Interesse seines Unternehmens an einer Twitter-Übernahme relativiert. In einem Interview mit "CNBC" sagte er nach einer ungünstigen Kursentwicklung der Salesforce-Aktie: "Es liegt in unserem Interesse, alles im Bick zu haben (...). Aber wir müssen auch verstehen, was für unsere Aktionäre akzeptabel ist und was nicht. Blickt man zurück auf meine Erfolgsgeschichte als CEO, dann erkennt man, dass ich eine Vielzahl von Gelegenheiten geprüft , aber die meisten ungenutzt gelassen habe." Zuvor hatte das "Wall Street Journal" (WSJ) anonyme Quellen zitiert, denen zufolge Benioff Szenarien für eine Twitter-Übernahme entworfen und das Unternehmen als einen "Rohdiamanten" bezeichnet habe. Benioff sagte, mit seinen Übernahmen habe er bislang ein glückliches Händchen bewiesen. Firmen wie Krux, Quip und Demandware seien in Zeiten übernommen worden, in denen Salesforce eigentlich gar nicht zukaufen wollte. "Unsere Entscheidungen waren immer sehr sehr gut für unser Unternehmen", so Benioff, die Aktie sei bei den allermeisten Deals deutlich angesprungen. Mit Twitter könnte das allerdings anders werden. Abhey Lamba, Analyst bei Mizuho, mutmaßt in einer Research Note, ein Twitter-Kauf könnte Salesforce an der Börse Einbußen von zwölf bis 17 Milliarden Dollar bescheren. Es würde Jahre brauchen, bis sich der Konzern davon erholen würde.
Benioff gilt als Hasardeur unter den Softwareunternehmern. Seit 2011 hat er mehr als 70 Firmen übernommen, darunter viele kleine Startups, aber zunehmend auch dickere Fische, zuletzt den E-Commerce-Spezialisten Demandware, für den er 2,8 Milliarden Dollar auf den Tisch legte. Auch an LinkedIn soll Salesforce interessiert gewesen sein, doch die 26,2 Milliarden Dollar, die Microsoft zu zahlen bereit war, haben wohl die Budgets des CRM-Marktführers gesprengt.
Ideen aus der Salesforce-Community
Neben eigenen Entwicklungen und Zukäufen setzt Salesforce zunehmend auf sein Ökosystem. Mittlerweile habe man über 750.000 Ideen über die Plattform "IdeaExchange" einsammeln können, hieß es auf der Dreamforce. Mit Hilfe dieses Kunden-Inputs seien in den zurückliegenden zwölf Monaten rund 500 neue Features entstanden. "Wenn wir Innovationen entwickeln, tun wir das nicht alleine", sagte Technikchef Parker Harris. "Wir tun es mit unserer Familie."