Marc Benioff, CEO von Salesforce, hat das Interesse seines Unternehmens an einer Twitter-Übernahme relativiert. In einem Interview mit "CNBC" sagte er nach einer ungünstigen Kursentwicklung der Salesforce-Aktie: "Es liegt in unserem Interesse, alles im Bick zu haben (...). Aber wir müssen auch verstehen, was für unsere Aktionäre akzeptabel ist und was nicht. Blickt man zurück auf meine Erfolgsgeschichte als CEO, dann erkennt man, dass ich eine Vielzahl von Gelegenheiten geprüft , aber die meisten ungenutzt gelassen habe." Zuvor hatte das "Wall Street Journal" (WSJ) anonyme Quellen zitiert, denen zufolge Benioff Szenarien für eine Twitter-Übernahme entworfen und das Unternehmen als einen "Rohdiamanten" bezeichnet habe.
Benioff sagte, mit seinen Übernahmen habe er bislang ein glückliches Händchen bewiesen. Firmen wie Krux, Quip und Demandware seien in Zeiten übernommen worden, in denen Salesforce eigentlich gar nicht zukaufen wollte. "Unsere Entscheidungen waren immer sehr sehr gut für unser Unternehmen", so Benioff, die Aktie sei bei den allermeisten Deals deutlich angesprungen. Mit Twitter könnte das allerdings anders werden. Abhey Lamba, Analyst bei Mizuho, mutmaßt in einer Research Note, ein Twitter-Kauf könnte Salesforce an der Börse Einbußen von zwölf bis 17 Milliarden Dollar bescheren. Es würde Jahre brauchen, bis sich der Konzern davon erholen würde.
Willkommener Datenschatz
Twitter mag wirtschaftlich nicht besonders erfolgreich sein, doch das Social Web mit seinen rund 313 Millionen monatlichen Nutzern verfügt über einen Datenschatz, auf den es offenbar einige Unternehmen abgesehen haben. Neben Salesforce werden auch Google, Microsoft und Verizon, das gerade erst Yahoo übernommen hat, als Interessenten gehandelt. Mit Disney war ein weiterer Großkonzern im Gespräch, doch das Unternehmen hat sich laut "recode" entschieden, nun doch nicht in den Ring zu steigen.
Twitter ist deshalb so interessant, weil der Dienst einen wichtigen Kommunikationskanal zwischen Anbietern und Kunden darstellen kann. Konsumenten nutzen Kanäle wie Twitter und Facebook, um zu Unternehmen Kontakt aufzunehmen oder sich über deren Produkte und Services auszulassen. Der CRM-Spezialist Salesforce ist von jeher auf die Kundenschnittstelle spezialisiert, zudem unterhält er schon seit ein paar Jahren eine Partnerschaft mit Twitter.
Gespräche in frühem Stadium
Salesforce könne sich mit einer Übernahme allerdings allerlei Schwierigkeiten einhandeln. Anders als Facebook hat Twitter bis heute nicht den breiten Mainstream erreicht. Außerdem ist es dem Social Network in der Vergangenheit nicht immer gelungen, Accounts mit potenziell beleidigenden, kriminellen oder gar terroristischen Absichten vollständig auszusperren.
Andererseits könnte Twitter eine "Goldmine für Customer Insights" sein, wie es Forrerster-Research-Analyst Brandon Purcell ausdrückt. Der SaaS-Pionier verfüge zwar bereits über einen beträchtlichen Datenschatz, doch der Zugang zu Twitter würde es dem Unternehmen erlauben, intensiver auf externe Datenquellen zuzugreifen.
Salesforce investiert in Künstliche Intelligenz
- Analytics Cloud
Die Analytics-Cloud-Funktionen von Salesforce sollen Business-Anwender in die Lage versetzen, Kundendaten zu analysieren, und Analysten, ihren Kunden zu neuen Erkenntnissen zu verhelfen. Expertise in Sachen Business Intelligence und Data Mining, einst für aussagekräftige Erkenntnisse unabdingbar, ist dazu nicht erforderlich. - App Exchange
App Exchange ist ein Online-Marktplatz für Business-Anwendungen, die von Dritten für den Betrieb (im PaaS-Modell) auf Force.com angeboten werden, teils kostenpflichtig, teils gratis, teils im Freemium-Modell. Die Apps sind nicht auf den angestammten Salesforce-Funktionsbereich CRM beschränkt; das Portfolio erstreckt sich von Kundendienst, Marketing und IT/Administration über Personalverwaltung, Finanzen und ERP bis hin zu Collaboration und Business Analytics. - Chatter
Mit Chatter lassen sich soziale Netzwerke einrichten, die aber auf ein Unternehmen beschränkt sind und unter der Kontrolle dieser Unternehmen stehen. Ihr Zweck ist nicht privater Austausch zwischen Menschen beziehungsweise Social-Media-Marketing von Unternehmen gegenüber ihren Zielgruppen, sondern der Austausch zwischen Mitarbeitern, um auf diese Weise die Sales-, Marketing- und Service-Prozesse effizienter zu gestalten und die Ergebnisse zu verbessern. - Community Cloud
Salesforce positioniert die Community Cloud als Plattform zur Geschäftsprozessabwicklung und Online-Kollaboration zwischen Mitarbeitern, Kunden, Partnern, Lieferanten und Distributoren. Sie ermöglicht es Unternehmen, öffentliche oder geschlossene Netzgemeinschaften unter der eigenen Marke zu erstellen. - Data.com
Der Salesforce-Dienst Data.com bietet zwei zentrale Funktionen, die wesentliche Aspekte der Sales Cloud abdecken: Zum einen dient das System der automatischen Übertragung und Verwaltung von Kundendatensätzen innerhalb eines Salesforce-Accounts. Zum anderen ermöglicht es Data.com seinen gut einer Million Abonnenten, sich gegenseitig ihre Kontaktdaten zur Verfügung zu stellen. - Force.com
Bei Force.com handelt es sich um ein PaaS-Angebot (Platform as a Service), mit dessen Hilfe Entwickler mandantenfähige Anwendungen erstellen können, die sich in die zentrale Salesforce-Applikationslandschaft integrieren lassen. Mit Force.com entwickelte Apps laufen auf der Salesforce-eigenen Infrastruktur. Auch die Kernanwendungen von Salesforce laufen auf Force.com. - Heroku
Die Entwicklungsplattform Heroku ermöglicht es Entwicklern, speziell für Soziale Medien wie Facebook und für mobile Endgeräte Apps zu entwickeln oder existierende Anwendungen hierfür bereitzustellen. Die Anwendungsentwicklung wird wesentlich beschleunigt, weil die Architekturen der Sozialen Medien genutzt werden können, anstatt eigene Anwendungsarchitekturen zu erstellen. - Lightning
Bei Lightning, angekündigt auf der Dreamforce-Konferenz im Herbst 2014, handelt es sich um ein proprietäres Javascript-Framework, das Entwickler in die Lage versetzen soll, besonders schnell mobile Anwendungen zu erstellen. Folgt man Salesforce-Blogger Mike Rosenbaum, ist Lightning sogar die "nächste Generation der Salesforce-1-Plattform". - Marketing Cloud
Die Marketing Cloud dient – im Salesforce-Jargon – der Gestaltung von "Customer Journeys", was mithilfe des "Journey Builder" geschieht: Echtzeit-Bereitstellung individueller, möglichst relevanter Informationen je Kunde mittels kanal- und geräteübergreifender Interaktion. Beispielsweise sind E-Mail-Kampagnen möglich. - Sales Cloud
Unter dem Begriff Sales Cloud fasst Salesforce alle Funktionen und Dienste auf der Salesforce-1-Plattform zusammen, die der Vertriebsautomatisierung dienen. Im Vordergrund stehen hier die klassischen CRM-Funktionen Kontakt-, Opportunity- und Lead-Management, in Verbindung mit Berichts-, Monitoring- und Prognosefunktionen. - Salesforce 1
Die Salesforce-1-Plattform ist die Drehscheibe des Cloud-Angebots von Salesforce. Hier finden sowohl die App-Entwicklung für alle mobilen und stationären Geräte statt als auch der Betrieb der Apps zur Vernetzung von Kunden, Mitarbeitern, Partner und Produkten. Über die Plattform werden 1,5 Milliarden Transaktionen abgewickelt, davon mehr als die Hälfte über APIs. - Service Cloud
Die Service Cloud umfasst alle Kundendienstfunktionen sowie unterstützende Funktionen, die Salesforce im SaaS-Modell (Software as a Service) anbietet. Dazu zählen Realtime-Dienste wie ein SOS-Button in mobilen Anwendungen, Service-Communities, Multichannel-Support, die Integration sozialer Medien als Service-Kanäle und Chatter, um bei dringenden Problemen schnell kompetente Kollegenunterstützung rufen zu können. - Work.com
Work.com ist ein Dienst, der es Sales-Verantwortlichen ermöglichen soll, ihre Teams effizienter zu steuern; „Sales Performance Management“ lautet der Oberbegriff. Teams lassen sich on the Fly zusammenstellen, vereinbarte individuelle Verkaufsziele mit tatsächlich erzielten Ergebnissen verbinden (und vergleichen), Übersichts-Reports über die Leistung von Teams oder einzelnen Mitarbeitern per Drag and Drop erstellen.
Mark Benioff, CEO von Salesforce, hatte angekündigt, verstärkt in Künstliche Intelligenz (KI) investieren zu wollen, um dem erklärten Ziel, jährlich über zehn Milliarden Dollar umzusetzen, näherzukommen. In den vergangenen drei Jahren kaufte Benioff allein in diesem Segment für rund 700 Millionen Dollar Firmen zu. Einige davon entwickeln Produkte für Mustererkennung, Machine Learning und Entscheidungsunterstützung. Wie das WSJ feststellt, lohnen sich solche Investitionen erst dann, wenn diese Tools im großen Stil Massendaten verarbeiten können - Big Data, wie sie Twitter liefern könnte. KI-Tools ließen sich auf solche Daten-Sets trainieren und könnten Entscheidungen mit höherer Treffgenauigkeit fällen, je mehr Datensätze zugrunde liegen. Erst vor wenigen Wochen hat Salesforce mit "Einstein" ein KI-Tool aus der Taufe gehoben, mit dem sich unter anderem Tweets analysieren lassen. Salesforce zeigte dabei am Beispiel Fußball, wie einfach und intelligent Marketing-Verantwortliche auf Twitter Fans identifizieren können, ohne dass Keywords wie "Fußball", "Ball" oder verwandte Begriffe eingegeben werden müssen.
Benioff gilt als Hasardeur unter den Softwareunternehmern. Seit 2011 hat er mehr als 70 Firmen übernommen, darunter viele kleine Startups, aber zunehmend auch dickere Fische, zuletzt den E-Commerce-Spezialisten Demandware, für den er 2,8 Milliarden Dollar auf den Tisch legte. Auch an LinkedIn soll Salesforce interessiert gewesen sein, doch die 26,2 Milliarden Dollar, die Microsoft zu zahlen bereit war, haben wohl die Grenzen des CRM-Marktführers gesprengt. (hv)