Für Salesforce ist es die größte Akquisition der Firmengeschichte. Der Software-as-a-Service-Pionier (SaaS) übernimmt den Analytics- und Datenvisualisierungsspezialisten Tableau für 15,7 Milliarden Dollar. Salesforce bietet damit einen Aufschlag von rund 40 Prozent auf den Tableau-Kurs vor der Übernahmeankündigung und will den Preis komplett in eigenen Aktien bezahlen. Die Verwaltungsräte hätten den Deal bereits abgenickt, hieß es von beiden Seiten. Geben auch die Aufsichtsbehörden ihr Placet, könnte die Übernahme bereits im dritten Quartal des laufenden Jahres abgeschlossen werden.
"Wir bringen das weltweit führende CRM mit der besten Analytics-Plattform zusammen", sagte Marc Benioff, Chairman und Co-CEO von Salesforce. "Tableau hilft, Daten zu sehen und zu verstehen, und Salesforce hilft, Kunden zu binden und zu verstehen." Mit der Übernahme würden zwei kritische Plattformen zusammengeführt, die jeder Kunde benötige, um seine Welt zu verstehen. "Daten sind die Grundlage jeder digitalen Transformation", ergänzte Benioffs Co-CEO Keith Block. Der Manager setzt darauf, dass Tableau eine einheitliche und leistungsstarke Sicht auf sämtliche Kundendaten ermögliche.
Die Stoßrichtung der Salesforce-Verantwortlichen ist eindeutig. Der SaaS-Anbieter will eine größere Rolle in der digitalen Transformation seiner Kunden spielen. Unternehmen jeder Größe und Branche veränderten derzeit ihre Geschäftsabläufe, so die Einschätzung des Salesforce-Managements. Kunden und Daten stünden im Mittelpunkt dieser Veränderungen.
Einheitliche Sicht auf Kundendaten
Salesforce arbeitet seit geraumer Zeit daran, seinen Kunden eine möglichst einheitliche Sicht auf deren Kundendaten zu erlauben. Im September 2018 wurde dafür mit "Customer 360" eine neue Lösung vorgestellt. Anwender sollen damit ihre in den Cloud-Systemen abgelegten Kundendaten einfacher miteinander verknüpfen und verwalten können, hieß es auf der Hausmesse Dreamforce.
Anwendungs- beziehungsweise abteilungsspezifische Silos mit Kundendaten ließen sich aufbrechen und so einheitliche Kundenprofile erstellen. Auf dieser Grundlage stelle Customer 360 den Kunden in den Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit und ermögliche Unternehmen durch die Vernetzung von Service, Marketing, Handel und mehr, die Kundenerfahrung neu zu definieren, versprachen die Salesforce-Verantwortlichen.
Damit das Ganze nicht allein auf die Cloud-Welt beschränkt bleibt, hatte Salesforce im März 2018 Mulesoft für 6,5 Milliarden Dollar übernommen. Mit Hilfe der "Anypoint Platform" des Integrationsspezialisten würden Anwender in die Lage versetzt, über APIs die Konnektivität zu beliebigen Anwendungen, Daten und Geräten herzustellen - in der Cloud wie auch on-premise. Verbinde man diese Schnittstellen mit Customer 360, entstehe Salesforce zufolge ein vollständiger Blick auf den Kunden.
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Neben der Integration spielt die Analyse von Kundendaten eine wichtige Rolle in der Produktstrategie von Salesforce. Der Cloud-Spezialist entwickelt seit 2016 mit "Einstein" an einer eigenen Plattform für Künstliche Intelligenz (KI). Salesforce-Anwender sollen damit effizientere Werkzeuge an die Hand bekommen, um ihre Kundendaten auszuwerten. In die gleiche Richtung zielt der jüngste Zukauf.
Mit Tableau und Einstein zusammen biete Salesforce eine intelligente und intuitive Analyse- und Visualisierungsplattform für jede Abteilung und jeden Benutzer in den Anwenderunternehmen. Tableau werde Customer 360 wie auch die Analysefunktionen von Salesforce verstärken und es so dem SaaS-Anbieter ermöglichen, eine breitere Palette von Kunden und Benutzern zu erreichen.
In der Vergangenheit hatte sich Salesforce auch im Rahmen von Kooperationen bemüht, seine KI-Ambitionen voranzutreiben. Beispielsweise wurde im März 2017 eine strategische weltweit geltende Partnerschaft mit IBM und deren KI-Plattform Watson angekündigt.
Tableau soll unabhängig weiterarbeiten
Partnerschaften spielen auch für Tableau eine zentrale Rolle. Erst Ende Oktober 2018 hatte der Anbieter den Ausbau seines Ökosystems avisiert. Außerdem kündigten die Verantwortlichen eine Reihe neuer Produktintegrationen in Plattformen von Drittanbietern an. Darunter fallen beispielsweise Verknüpfungen in die AWS-Welt und ein Konnektor in das Microsoft Azure SQL Data Warehouse.
Tableau-CEO Adam Selipsky betonte im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE die Bedeutung der Technologie-Partnerschaften: "Daten kommen von verschiedenen Datenquellen und müssen irgendwohin gebracht werden, damit man sie analysieren kann." Tableau unterstütze über 75 verschiedene Datenquellen und habe sich verpflichtet, jede Datenquelle zu unterstützen, die wichtig sei.
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Demzufoglge soll der Anbieter auch unter dem Dach von Salesforce unabhängig unter dem eigenen Markennamen von seinem Headquarter in Seattle aus weiterarbeiten. Auch das Führungsteam unter Selipsky bleibe weiter in Amt und Würden, hieß es. Für das Geschäftsjahr 2018, das mit dem Dezember endete, berichtete der 2003 gegründete Analytics-Spezialist einen Umsatz von knapp 1,16 Milliarden Dollar, fast ein Drittel mehr als im Vorjahr. Unter dem Strich stand jedoch ein Minus von etwa 77 Millionen Dollar. Im Jahr zuvor hatte das Defizit noch bei fast 186 Millionen Dollar gelegen.
Selipsky sprach im Zusammenhang mit der Übernahme durch Salesforce von einer historischen Kombination. "In nur 16 Jahren haben wir uns von einem Start-up in einem Schlafzimmer zu einer Milliarden-Dollar-Aktiengesellschaft entwickelt." Heute unterstütze man Millionen von Mitarbeitern in mehr als 86.000 Organisationen auf der ganzen Welt mit den eigenen Software-Tools. Das Wachstumspotenzial gemeinsam mit Salesforce sei enorm.
Die Salesforce-Verantwortlichen gehen davon aus, dass Tableau im Fiskaljahr 2020 etwa 350 bis 400 Millionen Dollar zum eigenen Umsatz beisteuern wird. Insgesamt rechnen sie mit Jahreseinnahmen in Höhe von 16,45 bis 16,65 Milliarden Dollar, rund ein Viertel mehr als im vorangegangenen Jahr.
Cloud-Anbieter bauen ihre Ökosysteme mit Analytics aus
Wie wichtig der Analytics-Aspekt für die Betreiber der großen Cloud-Plattformen wird, zeigte erst dieser Tage ein anderer großer Deal. Google hat angekündigt, Looker für 2,6 Milliarden Dollar zu übernehmen. Das Startup will Anwendern mit seiner Plattform ein Werkzeug an die Hand geben, mit dem sie Daten aus unterschiedlichen Quellen sammeln, verknüpfen und analysieren sowie die Ergebnisse visualisieren können. Dreh- und Angelpunkt der Looker-Lösung ist eine Art Metadaten-Layer, über den Anwender auf Daten zugreifen können. Per Drag- and-Drop könnten Nutzer Ad-hoc-Analysen auf bestimmten Datenquellen konfigurieren, hieß es.
"Mit der Kombination entsteht eine End-to-End-Analytics-Plattform, auf der sich Daten aus der Google-Cloud, AWS, Azure sowie On-premise-Datenbanken und Anwendungssoftware sammeln, verknüpfen, analysieren und visualisieren lassen", beschrieb Googles Cloud-Chef Thomas Kurian seine Erwartungen an den Deal.