Druck auf Mitarbeiter steigt

Salesforce in den Fängen der "Aasgeier"

15.02.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Kosten senken und Produktivität steigern - das fordern die Investoren. Salesforce beugt sich dem Druck und führt nun offenbar rigide Leistungskriterien für die Mitarbeitenden ein.
Für Salesforce wird es immer ungemütlicher. Aktionistische Investoren kreisen über dem Softwareanbieter und lauern auf Beute.
Für Salesforce wird es immer ungemütlicher. Aktionistische Investoren kreisen über dem Softwareanbieter und lauern auf Beute.
Foto: Rudmer Zwerver - shutterstock.com

Ohana und alle sind eine große Salesforce-Familie - das war einmal. Seit Investoren in größerem Stil eingestiegen sind, weht ein anderer Wind beim Cloud-Spezialisten. Verschiedene US-Medien berichten, dass der Druck auf das Salesforce-Management zunimmt. Elliott, Starboard und andere Investment-Gesellschaften fordern demnach, die Produktivität zu steigern und die Kosten zu senken.

Leistungsdruck und Büro-Zwang

Das bekommen vor allem die Mitarbeiter zu spüren. Den Berichten zufolge wurden rigide Maßnahmen zur Leistungsmessung in den Technikabteilungen eingeführt. Entwicklerinnen und Entwickler würden danach bewertet, wie viel Softwarecode sie produzieren. Anscheinend zählt Quantität vor Qualität. Die Beschäftigten im Vertrieb werden angeblich vor die Wahl gestellt, sich strikten Plänen zur Leistungsverbesserung zu unterwerfen oder ein Abfindungspaket anzunehmen.

"Unser Prozess zur Leistungsverbesserung fördert das Verantwortungsbewusstsein und belohnt herausragende Leistung", zitiert das US-Online-Magazin TechCrunch einen Kommentar des Salesforce-Managements. Außerdem scheint der Anbieter, der in Pandemie-Zeiten seinen Mitarbeitern noch alle Freiheiten in Sachen Arbeitsplatz gewährt hatte, seine Belegschaft wieder zurück in die Büros zu beordern.

Ende vergangenen Jahres hatte Gründer und CEO Marc Benioff durchblicken lassen, dass er der Produktivität im Home-Office nicht traue. Jetzt sollen offenbar die Teamleiter entscheiden, welche Aufgaben daheim und welche im Firmen-Office erledigt werden können. Dabei ist gar nicht sicher, dass Salesforce ausreichend Bürofläche vorhält. Der Softwarehersteller hatte im vergangenen Jahr viele Quadratmeter untervermietet, um Kosten zu sparen.

Marc Benioff, Gründer und CEO von Salesforce, räumte Fehler ein. So habe der Anbieter in guten Zeiten zu viele Mitarbeiter eingestellt.
Marc Benioff, Gründer und CEO von Salesforce, räumte Fehler ein. So habe der Anbieter in guten Zeiten zu viele Mitarbeiter eingestellt.
Foto: Salesforce

Anfang des Jahres 2023 kündigte Salesforce einen massiven Stellenabbau an. 8.000 Menschen, rund zehn Prozent der Belegschaft, sollen entlassen werden. Benioff betonte, sein Unternehmen müsse effizienter werden. Außerdem räumte er ein, in guten Zeiten zu viele Mitarbeiter eingestellt zu haben, "was zu dem wirtschaftlichen Abschwung führte, den wir jetzt erleben", so seine Analyse.

Das Wachstum von Salesforce war im vergangenen Jahr spürbar abgeflaut. Die längeren Sales-Zyklen und die Kaufzurückhaltung von manchen Kunden machen dem Anbieter zu schaffen. Innerhalb eines Jahres verlor Salesforce mehr als die Hälfte seines Börsenwerts. Lag der Aktienkurs Mitte November 2021 noch jenseits der 300-Dollar-Marke, notierte das Papier ein gutes Jahr später unter 130 Dollar. Inzwischen hat sich der Kurs bei 170 Dollar eingependelt.

Salesforce verliert immer mehr Top-Manager

Investoren richten mehr Schaden als Nutzen an

Ob das den Investoren reicht, ist allerdings fraglich. Ray Wang, Gründer des Analystenhauses Constellation Research, verurteilte gegenüber TechCrunch den Aktionismus der Investoren und sprach von "Aasgeiern". Diese Firmen verstünden nicht, wie man ein Unternehmen wie Salesforce führen müsse. Sicherlich könne man darüber diskutieren, ob Salesforce zu viel für seine Zukäufe bezahlt habe. Doch mit ihrem Druck richteten sie mehr Schaden als Nutzen an.

"Die Aasgeier-Firmen wissen nicht, wie hoch die Investitionen in Forschung und Entwicklung sein müssen, damit die Innovation vorangeht. Sie wissen auch nicht, wie hoch die Marketingausgaben sein müssen, damit Salesforce bei den Führungskräften seiner Kunden in den Vordergrund rückt", so Wang gegenüber TechCrunch. "Sie schaffen keinen Mehrwert. Sie kommen nur, um Geld zu machen und hinterlassen die Unternehmen in einem schlimmeren Zustand als vor ihrem Einstieg."