"Ich brauche keinen Computer mehr", behauptete Salesforce-Gründer Marc Benioff zur Eröffnung der diesjährigen Dreamforce. Er besitze zwar noch einen Rechner, könne aber gar nicht mehr sagen, wo dieser ist. Im Gespräch mit Apple-Chef Tim Cook sagte Benioff, alles, was er für die Führung seines Unternehmens benötige, habe er auf seinem Smartphone, einschließlich der Salesforce-App. "Das Smartphone ist zu einer Erweiterung meines Büros geworden", so der Salesforce-Co-CEO. "Wo immer ich bin - wenn ich ein Smartphone habe, kann ich arbeiten."
Auf der zentralen Kundenkonferenz des Software-as-a-Service Pioniers in San Francisco, die vom 19. bis 22. November stattfindet, hat Salesforce gemeinsam mit Apple zwei neue Apps vorgestellt: eine überarbeitete "Salesforce Mobile App" und die Lern-App "Trailhead GO", beide mit exklusiven Funktionen für iOS und iPadOS. Für Entwickler gibt es zudem ein neues "Salesforce Mobile SDK", mit dessen Hilfe sich native Apps für iPhone und iPad direkt auf der Salesforce-Plattform erstellen lassen sollen.
Mit KI zu besseren Kundenanalysen
Die mobile App für das Customer Relationship Management (CRM) auf der Apple-Plattform hat Salesforce eigenen Angaben zufolge mit KI-Funktionen aus seinem Einstein-Portfolio erweitert. Über ein Dashboard in der App könnten Anwender auf der zentralen "Salesforce Customer 360 Platform" Kundendaten analysieren und direkt aus der App heraus Maßnahmen für Vertrieb, Service und Marketing anstoßen. Für die Bedienung und das Navigieren steht Nutzern künftig außerdem der "Einstein Voice Assistant" zur Verfügung. Damit ließen sich Aufgaben und Notizen erfassen sowie CRM-Daten aktualisieren, teilte der Anbieter mit. Zudem unterstützt das mobile CRM nun Apple-Funktionen wie Siri Shortcuts und lässt sich via Face ID absichern.
Apple und Salesforce hatten ihre strategische Partnerschaft vor einem Jahr auf der Dreamforce 2018 gestartet. Seitdem habe man ein Pilotprogramm mit über 1000 Kunden vorangetrieben, hieß es von Seiten des SaaS-Anbieters. Dabei sei es vor allem darum gegangen, mobile Features auf Basis des Nutzer-Feedbacks weiterzuentwickeln. Für Apple bildet die Zusammenarbeit mit Salesforce ein weiteres Standbein, um mit iPhone und iPad sowie seiner mobilen Plattform im Enterprise-Bereich Fuß zu fassen. Neben Salesforce arbeitet Apple aber auch eng mit dem Salesforce-Konkurrenten SAP zusammen, um Business-Applikationen zu mobilisieren.
Auch an anderer Stelle setzen die Salesforce-Verantwortlichen auf Kooperation. Auf der Dreamforce wurde die neue "Service Cloud Voice" vorgestellt. Damit sollen Telefonate in Service- und Call-Centern direkt in die "Salesforce Service Cloud" integriert werden. Telefonie, digitale Kanäle und CRM-Daten ließen sich so in Echtzeit in einer zentralen Konsole zusammenfassen, verspricht der Anbieter. Mit Hilfe von KI-Funktionen sollen die Serviceteams effizienter arbeiten können. Beispielsweise ließen sich Abschriften von Telefonaten in Echtzeit in die Service-Cloud-Konsole übertragen. Dort könnten dann KI-Algorithmen im Hintergrund nach passenden Lösungen suchen und den Agenten Aktionen vorschlagen, um die Bearbeitungsdauer zu verkürzen.
Mehr Kontrolle im Callcenter
Darüber hinaus können Unternehmen via Service Cloud die Effizienz ihrer Call Center besser überwachen. Eine neue Supervisor-Konsole zeigt Teamleitern alle Anrufe und digitalen Unterhaltungen in Echtzeit an, hieß es in einer Mitteilung von Salesforce. Sie sehen, wohin Anrufe geleitet werden, welche Kompetenzen jeder Mitarbeiter hat und bei welchen Themen gegebenenfalls Unterstützung oder nachträgliches Coaching nötig seien.
Das waren die Dreamforce-Schlagzeilen der vergangenen Jahre:
Im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit AWS setzt Salesforce in seiner Service Cloud auf "Amazon Connect" als Contact-Center-Technologie der Wahl. Serviceteams in Anwenderunternehmen erhalten damit verschiedene Technologie-Sets an die Hand. Dazu zählen AWS-Services wie "Amazon Transcribe", "Amazon Translate" und "Amazon Comprehend". Vergleichbare und damit konkurrierende Funktionen bietet Salesforce aus seinem Einstein-Portfolio. Beispielsweise bietet die Service Cloud Voice ebenfalls Transkriptionsfunktionen, die in Echtzeit Sprache in Text umwandeln sollen.
Darüber hinaus hat Salesforce seinen bereits im vergangenen Jahr vorgestellten "Einstein Voice Assistant" nun auf die gesamte Customer 360 Platform ausgeweitet. Bis dato war der virtuelle Sprachassistent auf Vertriebsaufgaben beschränkt. Millionen Nutzer in den verschiedensten Branchen und Rollen könnten nun mit ihren Salesforce Anwendungen sprechen, stellt der SaaS-Spezialist seinen Kunden in Aussicht.
Ferner sollen Entwickler und Anwender mit "Einstein Voice Skills" individuell auf ihre Workflows und Prozesse zugeschnittene, sprachgesteuerte Apps erstellen können. Diese "Skills" ließen sich Salesforce zufolge für beliebige Aktionen im CRM entwickeln. Beispielhafte Anwendungen seien ein Sprachassistent, mit dem sich Außendiensttechniker auf dem Weg zum Kunden die Servicehistorie vorlesen lassen oder eine App, mit der sich Serviceverantwortliche auf Meetings mit dem Vorstand vorbereiten könnten. Geplant sei zudem, Einstein Voice Skills auch für Amazons Sprachassistenzsystem Alexa bereitzustellen. Der Einstein Voice Assistant und Einstein Voice Skills seien zudem mit zahlreichen Smartphones sowie smarten Lautsprechern kompatibel, hieß es.
Anwender werden sich allerdings noch etwas gedulden müssen. Der Salesforce-Sprachassistent steckt seit Sommer in der Pilotphase. Für Februar kommenden Jahres ist eine erste Beta-Version in Aussicht gestellt und den Rollout einer produktiven Lösung peilt Salesforce erst für 2021 an.
Der Sprachassistent kann außerdem dazu verwendet werden, die eigenen Mitarbeiter effizienter zu kontrollieren. So nutzt die neue Funktion "Einstein Call Coaching" für die Sales Cloud die Spracherkennung, um auffällige Stellen in Transskripten zu finden, teilte der Anbieter mit. Teamleiter würden beispielsweise automatisch benachrichtigt, wenn in Gesprächen häufig Wettbewerber genannt werden oder über Preise diskutiert wird. "Auf Basis dieser Erkenntnisse können Vertriebsteams speziell auf diese Themen geschult werden, um ihre Ergebnisse zu verbessern", wirbt Salesforce für seine Lösung.
Kundendaten über verschiedene Quellen zu Profilen verbinden
Neben den Sprachfunktionen hat Salesforce weitere Module für seine zentrale Kundenmanagementlösung "Customer 360" vorgestellt, vor allem für das Handling und die Nutzung von Kundendaten. So soll der "Salesforce Data Manager" Nutzern die Möglichkeit bieten, das Profil und die Daten einer Person systemübergreifend über mehrere Quellen zu verbinden und darauf zuzugreifen. Kundendaten ließen sich dem Anbieter zufolge genau dann abrufen, wenn sie benötigt werden, zum Beispiel, wenn ein Servicemitarbeiter eine Liste früherer Einkäufe eines Kunden einsehen muss. Dafür müssten die Daten nicht zentral in einem Data Lake oder einem Data Warehouse aufbereitet und vorgehalten werden. Customer 360 belasse Daten in der Quelle, aus der sie stammen, und rufe sie nur bei Bedarf ab, heißt es in einer Mitteilung.
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Mit "Customer 360 Truth" will Salesforce seinen Kunden ein Set an Daten- und Identitätsservices für die Customer 360 Platform an die Hand geben. Es verbinde Daten aus den Bereichen Vertrieb, Service, Marketing, Handel und mehr, um eine einzige, universelle Salesforce-ID für jeden Kunden zu erstellen. Alle bisherigen Kunden-Interaktionen und mitgeteilten Präferenzen würden in einer Ansicht zusammengefügt. In die gleiche Richtung zielt der "Salesforce Audience Manager". Anwender könnten damit einheitliche Kundenprofile zusammenstellen. Das Tool liefert Kundensegmente sowie Kontakt- und Interaktionspunkte aus diesen Profilen und bietet den Nutzern KI-gestützte Einblicke, wie zum Beispiel den Lebenszykluswert und die Wahrscheinlichkeit von Abwanderungen.
Angesichts der wachsenden regulatorischen Anforderungen muss Salesforce auch stärker auf den Datenschutz und die Daten-Governance achten. Zusätzliche Funktionen in der Customer 360 Platform sollen es Anwenderunternehmen erlauben, die Nutzung von Kundendaten und Datenschutzeinstellungen zu erfassen, sowie alle Daten in Salesforce mit spezifischen Datenklassifizierungsetiketten zu versehen. Unternehmen erhielten damit mehr Transparenz darüber, welche Arten von Daten überhaupt vorliegen und wie diese verwendet werden dürfen, versprechen die Salesforce-Verantwortlichen.
Salesforce ruft zu mehr gesellschaftlicher Verantwortung auf
Neben den Produktneuheiten betonte Benioff in seiner Dreamforce-Keynote auch das Engagement von Salesforce hinsichtlich gesellschaftlicher Verantwortung und Nachhaltigkeit. Den rund 170.000 an die US-Westküste gereisten Besuchern der Konferenz versicherte der Manager, die Sustainable Development Goals (SDG) unterstützen zu wollen. Die von mittlerweile 193 Ländern angenommenen Ziele messen den gemeinsamen Fortschritt im Kampf gegen die dringendsten Herausforderungen der Welt, einschließlich Armut, Ungleichheit, Klimawandel, Umweltzerstörung und Krieg. Im Laufe des nächsten Jahres will Salesforce 17 Millionen Dollar investieren, um die SDGs durch Zuschüsse an gemeinnützige Partner voranzubringen. Außerdem hat sich das Unternehmen zu einer Million freiwilligen Arbeitsstunden seiner Mitarbeiter zur Unterstützung der SDGs verpflichtet.
Gleichzeitig will sich der SaaS-Anbieter aber auch konsequent auf seine Stakeholder fokussieren, hieß es in einer Mitteilung zur Dreamforce. Die dürften indes hauptsächlich die Rendite ihrer Investitionen im Blick haben.
Kritiker werfen Benioff zudem vor, seine öffentlich zur Schau getragenen Positionen nicht konsequent im Geschäftsalltag zu leben. Seine Keynote im Moscone Center wurde durch mehrere Aktivisten der Democratic Socialists of America (DSA) unterbrochen. Diese werfen Salesforce vor, US-amerikanische Grenzbehörden mit ihren Cloud-Lösungen zu unterstützen. Die U.S. Customs and Border Protection war zuletzt massiv von Menschenrechtsorganisationen dafür kritisiert worden, Familien beim Versuch in die Vereinigten Staaten zu gelangen, auseinanderzureißen und Kinder von ihren Eltern zu trennen. Benioff unterbrach seine Keynote und räumte Julian Ball von der DSA eine halbe Minute Redezeit ein. "Ich schätze die freie Meinungsäußerung", kommentierte der Salesforce-Chef die Szene. Alle Stimmen sollten gehört werden Nach seiner kurzen Ansprache wurde der Aktivist von Sicherheitskräften aus dem Saal geleitet.