Software-Bug im Backend

Rückruf für S-Klasse und EQS in den USA

13.12.2021
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Videos schauen während der Fahrt? Aus diesem Grund muss Mercedes in den USA für einige Modelle einen Rückruf starten.
Augfrund eines Bugs im Backend-Server konnten US-Fahrer einer S-Klasse oder eines EQS mit MBUX Hyperscreen wahrend der Fahrt Videos schauen und im Internet surfen.
Augfrund eines Bugs im Backend-Server konnten US-Fahrer einer S-Klasse oder eines EQS mit MBUX Hyperscreen wahrend der Fahrt Videos schauen und im Internet surfen.
Foto: Mercedes-Benz

Safety first? Während Tesla-Fahrer in den USA während der Fahrt Computerspiele wie Solitaire, Sky Force Reloaded und The Battle of Polytopia: Moonrise spielen können, startet Mercedes in den USA einen Rückruf für einige Modelle der S-Klasse sowie des Typs EQS. Das Problem: Während der Fahrt konnten Videos angespielt und das Internet genutzt werden.

Laut US-Medienberichten reagiert Tesla auf das Problem lediglich mit dem Hinweis "Solitaire is a game for everyone, but playing while the car is in motion is only for passengers" und unternimmt ansonsten nichts, um den Fahrer während der Fahrt vom Spielen abzuhalten. Mercedes hingegen reichte bei der US-Verkehrsbehörde NHTSA einen offiziellen Safety Recall Report ein.

Demnach konnten die Besitzer von rund 230 Autos der S-Klasse beziehungsweise des EQS, ausgestattet mit dem MBUX Hyperscreen, während der Fahrt Videos ansehen oder das Internet nutzen, ohne einen Warnhinweis zu bekommen. Normalerweise werden bei Mercedes Videowiedergabe oder Internet während der Fahrt grundsätzlich deaktiviert, um eine Ablenkung des Fahrers zu vermeiden.

Bug im Backend-Server

Laut Mercedes lag das Problem in der Mercedes-me-connect-Kommunikation zwischen dem Fahrzeug und dem Backend-Server. Deshalb konnte im MBUX-System bestimmter Fahrzeuge die Video- und Internetanzeige während der Fahrt aktiviert werden. Als Vorsichtsmaßnahme hat der Hersteller eigenen Angaben zufolge die Konfiguration des MBAG-Servers aktualisiert, der mit den potenziell betroffenen Fahrzeugen in den Vereinigten Staaten in Verbindung steht. Hierzu wurde ein Update auf den Backend-Servern eingespielt. Den Kunden bleibt so ein Werkstattbesuch erspart. Sie sollen aber in den USA offiziell noch im Januar 2022 über den Vorgang informiert werden.

Auch deutsche Modelle betroffen?

Offen bleibt, ob wirklich nur Fahrzeuge in den USA betroffen waren, oder ob nicht auch Modelle in anderen Ländern von dem Bug betroffen sind, denn der Report der NHTSA gibt Anlass zu Spekulationen. So heißt es dort etwa: "Mitte November 2021 leitete die MBAG aufgrund einer Einzelmeldung aus einem Fahrzeug in Deutschland erste Untersuchungen ein. Bei dem Fahrzeug wurden einige MBUX-Funktionen und Anwendungen während der Fahrt nicht wie vorgesehen deaktiviert waren. Die Analyse dieses Falles deutete darauf hin, dass ab November eine falsche Konfiguration auf dem Mercedes-Benz Backend-Server verfügbar war und möglicherweise auf Fahrzeuge im Feld installiert wurde."

Für den Hersteller, der gerne mit dem Slogan "Das Beste oder nichts" wirbt, ist der Vorfall besonders peinlich, denn mit digitalen Services für seine MBUX-Infotainment-Systeme will der Autobauer zusätzlichen Umsatz zu generieren. Doch schon bislang wechselten viele Käufer nach dem Ende der kostenlose Nutzungsphase lieber auf die Services ihrer Smartphones, weil diese laut zahlreichen Internet-Berichten zuverlässiger funktionieren würden als die Mercedes-Services.