Der Einsatz von Softwarerobotern (Robotic Processs Automation, RPA) kann durch die Automatisierung manueller, repetitiver Operationen die Wirtschaftlichkeit und Effizienz von Unternehmen steigern. Obwohl die einfache Implementierung allgemein gelobt wird, scheitern fast 50 Prozent aller RPA-Projekte. Darüber hinaus werden zwischen 30 und 50 Prozent der ersten RPA-Projekte gestoppt, da sie nicht die gewünschten Erfolge geliefert haben.
Falsche Vorstellungen
Die Gründe für das Scheitern so vieler RPA-Projekte sind vielfältig: Ausgangspunkt ist in den meisten Fällen ein vollkommen falscher Erwartungshorizont. Dem allgemeinen Trend folgend, haben sich viele Unternehmen die Digitalisierung ihres Unternehmens auf die Fahne geschrieben. Von der Einführung von RPA versprechen sie sich, den großen Wurf landen zu können. Ohne ausreichendes Wissen um die Voraussetzungen und Möglichkeiten von RPA sollen so viele hochkomplexe Prozesse wie möglich auf einmal automatisiert werden. Eine angemessene Chancenbewertung, welche Prozesse überhaupt das Potenzial zur Automatisierung haben, findet selten statt.
Zu späte Erkenntnis
Infolgedessen wird auch der Aufwand unterschätzt, die Prozesse zu automatisieren. Und mit steigendem Aufwand schießen die Automatisierungskosten in die Höhe. Im günstigsten Fall dämmert es den Verantwortlichen mit zunehmender Dauer des RPA-Projekts schon, dass sie auf die falschen, zu komplexen Prozesse gesetzt haben und sie stoppen das Projekt ohne Ergebnis. Aber zu oft werden die Unternehmen erst nach Beendigung des Projekts mit der Erkenntnis konfrontiert, dass die Automatisierung doch keine oder zumindest nicht die gewünschte Einsparung bringt.
- Keep it simple – der falsche Einstiegsprozess
Der häufigste Fehler bei der Implementierung eines RPA-Projekts ist die Wahl des falschen Prozesses. „Falsch“ heißt für den Anfang zu komplex oder zu speziell. Zu empfehlen ist für den RPA-Einstieg die Wahl eines einfachen Prozesses. Damit stellt sich der Erfolg eher ein. - Brauche Input! Aber bitte digital
Bei der Wahl des richtigen Prozesses gilt der erste Blick den Daten. Um die Interaktion durch den Menschen gering zu halten, sollten die zugrundeliegenden Daten natürlich möglichst digital vorliegen. - Strukturierte Daten: Ordnung muss sein
Was ein Unternehmen bekommt, wenn es einen semioptimalen Prozess digitalisiert, hat der damalige Bitkom-Präsident Thorsten Dirks auf dem IT-Gipfel 2015 recht drastisch beschrieben. „Organisation geht vor Automatisierung“ gilt auch bei RPA, deshalb sollten die Daten möglichst strukturiert vorliegen. - Text schlägt Bild
Noch ein Hinweis zum Thema Daten, um den richtigen Prozess für den RPA-Einstieg zu identifizieren: Text- und Zahlenbasierte Daten lassen sich leichter mit RPA verarbeiten als Bildinformationen. - Vorteil Standard
Die Vorteile von standardisierten IT-Prozessen sind mannigfaltig. Stichworte sind Kosteneffizienz, sichere IT in hoher Qualität, transparentes Monitoring und Reporting etc. Je standardisierter ein Prozess ist, desto besser ist er für den RPA-Einstieg geeignet. - Stabilität ist Trumpf
Stabilität sollte nicht mit Stagnation verwechselt werden. Für RPA sind stabile Prozesse enorm wichtig. Denn die Software dient der Bearbeitung von strukturierten Geschäftsprozessen. Sie arbeitet dabei den Prozess genauso ab, wie ein Mensch das machen würde. Läuft der Prozess stabil, sind Interaktionen von Menschen nur selten oder gar nicht nötig. - Die Masse machts - Prozesse mit hohem Volumen wählen
Je häufiger ein Prozess vorkommt, desto größer ist die Entlastung durch RPA. Da Mitarbeiter meist erst einmal skeptisch auf den Ersteinsatz von RPA reagieren, hilft ein Prozess der ein hohes Volumen hat, auch bei der Akzeptanz der Robotics durch die Belegschaft. - RPA als Erbsenzähler? Unbedingt!
Fehleranfällige Prozesse sind häufig monotone Tätigkeiten, in die sich irgendwann der berühmte Schlendrian einschleicht. Aber für RPA gibt es keine Monotonie. Wenn der Prozess fehleranfällig ist, können sie ihre Stärken besser ausspielen! - Das Team gewinnt
Automatisierungen folgen in den meisten Unternehmen einer Strategie. Diese sollte mit einem zentralen Team verfolgt werden, das Informationen bündelt und RPA über Geschäftseinheiten hinweg einführt. Kleine Gruppen ohne Informationsaustausch über Learnings sind dazu verurteilt, die Fehler der anderen zu wiederholen. - Strategie: Was sind die nächsten Schritte?
Spötter sagen, dass eine Strategie vor allen Dingen festlegt, was nicht zu tun ist. Eine Automatisierungsstrategie hat klare Vorteile: Denn sobald Robotic Process Automation gut eingeführt ist, finden sich neue Anwendungsmöglichkeiten wie von selbst. Mit einer Strategie kann das Team abwägen, welche Prozesse zu priorisieren sind. - Hauseigene IT einbeziehen
Ein Vorteil von RPA ist es, dass es von der Fachabteilung angestoßen werden kann. Eine automatisierte Schatten-IT kann aber nicht das Ziel ein. Selbst wenn das Projekt von der Fachabteilung gesteuert wird: Bei der Implementierung der RPA ist die Unterstützung der IT notwendig.
Jede Menge Fallstricke
Ausgangspunkt von RPA-Projekten sind in aller Regel die Fachabteilungen, die in der Automatisierung ein Allheilmittel zur Effizienzsteigerung sehen. Die Umsetzung soll dann von der IT-Abteilung erfolgen. Mit "höheren" Aufgaben beschäftigt, bietet die hauseigene IT-Abteilung die für ein RPA-Projekt notwendigen Dienste in den meisten Fällen gar nicht an oder erschwert die Umsetzung durch bürokratische Hürden.
Alternativ auf einen externen Dienstleister zu setzen, ist auch nicht unbedingt die Ultima Ratio. Denn einen Spezialisten zu finden, der bezüglich der Einführung von RPA hält, was er verspricht und das auch nachweisen kann, ist aufgrund der wenigen erfolgreichen RPA-Projekte nicht trivial.
Aber selbst wenn das Unternehmen einen Programmierer findet, der das RPA-Projekt wie gewünscht und geplant umsetzt, ist die Automatisierung noch keine Erfolgsgeschichte. Viele Unternehmen berücksichtigen nicht, dass auch automatisierte Prozesse sich im Laufe der Zeit verändern. Und wenn die jeweilige Fachabteilung dann nicht entsprechend geschult ist, die Automatisierung an die geänderten Gegebenheiten anzupassen, ist es mit der Effizienzsteigerung oftmals nach kurzer Zeit vorbei.
Mit kleinen Schritten zum Erfolg
Sicherlich sind die Herausforderungen bei der Implementierung von RPA groß, aber nicht unüberwindbar. Das Bestreben der Unternehmen, gleich im ersten Wurf so viele hochkomplexe Prozesse wie möglich zu automatisieren, hat auch eine menschlich nachvollziehbare Komponente. Mit der Automatisierung kleiner, wenig komplexer Prozesse kann man keine Lorbeeren als Digital Champion gewinnen.
Weniger spektakulär, aber dafür sehr erfolgreich sind die kleinen Quick-Wins, die Implementierung von RPA in kleinen Schritten. Sie lassen sich schnell realisieren und ein Monitoring-Dashboard sorgt für die notwendige Transparenz beim Kosten-Nutzen-Verhältnis. Ein gängiger Weg für die meisten Unternehmen, um festzustellen, ob ein RPA-Projekt sein Versprechen hält, ist die Durchführung eines Proof of Concepts (PoC).
Darum prüfe, wer sich ewig bindet
Ein PoC ermöglicht es dem Unternehmen, die Automatisierung eines erst einmal vergleichsweise kleinen Prozesse zu beobachten und zu analysieren, wie die RPA-Lösung mit vorhandenen Systemen, Anwendungen, Daten und Prozessen in ihrer Zielumgebung arbeitet. Der PoC liefert den Beweis, ob die Automatisierung des Prozesses in den Grenzen der kundenspezifischen Umgebung des Unternehmens funktioniert oder nicht. Er bietet auch die Möglichkeit, die ausgewählte Software oder Plattform und das Engagement der beteiligten Ressourcen zu validieren, um den Erfolg eines größeren Programms sicherzustellen.
Am Anfang stehen Prozessauswahl und -evaluierung
Einer der wichtigsten Punkte bei der Einführung einer RPA-Lösung ist die Auswahl der richtigen Prozesse. Dies gilt besonders für den PoC. Denn er soll ja den Beweis für den Nutzen der Lösung erbringen. Besonders geeignet sind Prozesse, die arbeitsintensiv sind, d. h. einen hohen manuellen Anteil aufweisen und dadurch besonders fehleranfällig sind, auf strukturierten Eingangsdaten basieren, regelbasiert sind und über nicht zu viele Varianten bei der Ausführung verfügen.
Um später eine valide Aussage über den Erfolg eines RPA-Projekts treffen zu können, müssen die Prozessdaten bzw. Kennzahlen wie z. B. die durchschnittliche Prozesslaufzeit und die Anzahl der Prozessdurchläufe pro Tag/Woche des zu automatisierenden Prozesses erhoben werden. Besondere Messverfahren wie das Process Mining und das Process Recording liefern die notwendigen Zahlen. Erst wenn eine umfassende Leistungsbewertung vorliegt, wird die Effizienzsteigerung - und damit der Erfolg der Robotic Process Automation - überhaupt messbar.
Das A und O ist die Prozessaufnahme
Die Verfügbarkeit einer umfassenden Prozessdokumentation unterstützt die Prozessaufnahme. Sie erstellt klare Modelle und Abläufe der einzelnen Arbeitsprozesse, um sich einen deutlichen Überblick über die notwendigen Prozessschritte, Teilprozesse und den Prozesspfad zu verschaffen und die Entscheidungsregeln definieren zu können. Die Bedeutung der Prozessaufnahme nicht nur für den Erfolg eines PoC, sondern generell für den Erfolg eines jeden RPA-Projekts kann nicht oft genug betont werden.
Ein individuell zugeschnittenes Geschäftsprozessmanagement-Verfahren in Verbindung mit speziellen, praxiserprobten Tools sind die Garanten für eine erfolgreiche Analyse von Kernprozessen, Unterstützungsprozessen und Management-Prozessen. Sehr gute Kenntnisse und Erfahrungen im klassischen und agilen Anforderungsmanagement schließen die Lücke zwischen Fachbereich und Entwicklung. Eine enge Kooperation zwischen den betreffenden Fachbereichen und den Prozess-Beratern sowie eine professionelle Projekt-Kommunikation sorgen dafür, dass auch komplexere Projekte bewältigt und Risiken reduziert werden.
Der Erfolg muss auch messbar sein
Da letztendlich nur derjenige eine valide Aussage über Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung treffen kann, der die wesentlichen Kennzahlen seiner Prozesse nicht nur vorher, sondern auch nachher kennt, empfiehlt sich zur Evaluierung der realisierten Effizienzsteigerung der Einsatz eines Process Reportings. Die Visualisierung der relevanten Informationen erfolgt über ein Dashboard, das Auskunft gibt über die Durchlaufzeiten des Software-Roboters, die Anzahl seiner erledigten (Teil-) Aufgaben, die eingesparten Kosten und das Zusammenspiel aus vollautomatisierter und mitarbeiterbasierter Entscheidungsfindung, die als Variable in eine Metrik "Mitarbeiterentlastung" einfließt.
Gemeinsam zum Erfolg
Eine RPA-Lösung lässt sich allerdings nicht im Alleingang umsetzen. Das Projekt bedarf der Unterstützung einer ganzen Reihe von anderen Abteilungen und Organisationseinheiten wie z. B. der IT-Abteilung, dem Betriebsrat oder auch dem Datenschutz, soll es auf Dauer erfolgreich sein. So muss beispielsweise die IT-Abteilung für die notwendigen Systemzugänge und für den Betrieb der Server und Datenbank sorgen, die die RPA-Lösung nutzt. Aufgrund des zentralen Sicherheitsmanagements sollten Betriebsrat und Datenschutzbeauftragter frühzeitig in das Projekt involviert werden, damit sie ihre Zustimmung zu Veränderungen der Arbeitsprozesse geben können.
Und nicht zuletzt müssen auch die Mitarbeiter in das Projekt eingebunden werden. Idealerweise wird dazu ein Change-Management-Projekt zur Begleitung der Mitarbeiter gestartet. Hier müssen vor allem potentielle Ängste und Bedenken der Mitarbeiter eingefangen und thematisiert werden. Der wichtigste Faktor ist jedoch die Unterstützung durch die Fachabteilung, deren Ressourcen zur Prozessaufnahme und Prozessoptimierung und für die spätere Verwaltung der Software-Roboter erforderlich sind. Dies muss frühzeitig sichergestellt werden, um ein erfolgreiches Projekt zu gewährleisten.
Fazit
Robotic Process Automation ermöglicht perspektivisch den Einstieg in die Digitalisierung und in moderne Technologien wie der Künstlichen Intelligenz. Damit das Projekt aber nachhaltig erfolgreich ist, müssen Unternehmen zuallererst die Möglichkeiten von RPA vollständig verstehen und sinnvolle Einsatzgebiete identifizieren. Statt alles auf einmal zu wollen, ist eine Implementierung in kleinen Schritten der richtigere, weil erfolgreichere Weg. Es darf dabei aber nicht vergessen werden, dass der Erfolg eines RPA-Projektes auch davon abhängt, wer die neue virtuelle Belegschaft verwaltet und erweitert. Hier steht einmal mehr der Mitarbeiter im Mittelpunkt, der für den Betrieb von Robotern geschult werden muss - auch um die Prozesse kontinuierlich zu verbessern.