Die Rentenversicherungspflicht für Freiberufler werde kommen, daran ließ Ursula von der Leyen bei ihrem Gespräch mit dem "Arbeitskreis gegen die Rentenversicherungspflicht für Selbständige" ("AK Rentenpflicht") keinen Zweifel. Über eine Stunde lang hatten sich die Arbeitsministerin sowie Heinrich Kolb, der rentenpolitische Sprecher der FDP, sowie Johannes Vogel und ein weiterer FDP-Bundestagsabgeordneter, am Montag, den 11. Juni 2012, Zeit genommen, um mit zwei Vertretern der Rentenpflicht-Gegner über das geplante Gesetz zu diskutieren.
Tim Wessels, der Initiator der Protestbewegung, der zusammen mit dem Freiberuflerexperten Andreas Lutz (www.gruendungszuschuss.de) zum Gespräch in Berlin geladen war, wertet das Treffen auf seiner Facebookseite insgesamt als Erfolg. Man habe viele wichtige Punkte anbringen können:
Beitragshöhe teils niedriger?
"Man denkt nun offenbar über einkommensabhängige Beiträge (ausschließlich) für Geringverdiener nach, alle anderen würden den höheren, einkommensunabhängigen Beitrag zahlen. Ob es dann für Geringverdiener auch einen (niedrigeren) Mindestbeitrag geben soll und in welcher Höhe konnte man uns nicht sagen." Die Anerkennung von kapitalisierbarer Altersvorsorge (etwa Aktien, Fonds und Immobilen) werde nun geprüft. Wie sich der bürokratische Aufwand aller Nachweise und Prüfungen inklusive Ausnahmen und Sonderregelungen bewältigen lassen beziehungsweise wie diese organisieren werden sollen, scheine allerdings noch völlig unklar.
Pflicht zur Berufsunfähigkeitsversicherung entfällt
"Von der grundsätzlichen Idee der Rentenversicherungspflicht will man erwartungsgemäß nicht abrücken", fährt Wessel fort, vermeldet aber gleichzeitig den Erfolg: "Die Pflicht zur Berufsunfähigkeitversicherung,? die mit ca. 100 Euro pro Monat kalkuliert wurde, ist laut von der Leyen allerdings nun vom Tisch. Das ist sicherlich ein wichtiger Fortschritt."
Weitere Treffen geplant
Wessel und Lutz wurden zwei weitere Termine für weiterführende Gespräche zugesagt. So bilanziert Wessel: "Insgesamt sehe ich das Gespräch auf jeden Fall als ersten Erfolg, allerdings sollte man bedenken, dass die dort gemachten Aussagen größtenteils noch recht vage sind." Ohne die von Wessel ins Leben gerufene Unterschriftenaktion gegen das geplante Gesetz, an der rund 80.630 Personen teilgenommen hatten, wäre das Treffen wohl nie zustandegekommen, ist er überzeugt. Wessel appelliert daher an alle Betroffenen, an dem Thema dranzubleiben, und will selbst Kontakt mit weiteren Bundestagsmitgliedern und Politikern aufnehmen.
Andreas Lutz, der zweite Vertreter im Bunde, ergänzt: "Bei aller Vorsicht sehen wir das Gespräch doch als erfolgreichen ersten Schritt. Frau von der Leyen hat deutlich gemacht, dass sie uns aufgrund der großen Zahl von Mitzeichnern als Gesprächspartner und Interessenvertreter ernst nimmt und hat uns zu zwei Folgeterminen eingeladen, die im Abstand von vier bis sechs Wochen stattfinden sollen. Wir haben auch um einen konkreten Ansprechpartner 'auf Arbeitsebene' gebeten, diesen Wunsch hat sie mitgenommen und uns gebeten zunächst direkt mit ihr bzw. dem Ministerbüro zu kommunizieren."
Selbständige fürchten um ihre Existenz
Die von der Arbeitsministerin geplante Regelung, die Freiberufler verpflichtet, eine Rentenversicherung abzuschließen, soll am 1. Juli 2013 in Kraft treten. Sie sah ursprünglich vor, von Freelancern künftig einkommensunabhängig Mindestbeträge von 350 Euro bis 400 Euro im Monat zu verlangen. Viele Selbständige mit geringem Einkommen befürchten das wirtschaftliche Aus, wenn diese Regelung in Kraft treten sollte. Zudem fürchten viele um die Qualität ihrer im Aufbau befindlichen Altersvorsorge, da diese künftig engen Kriterien unterliegen und praktisch nur noch über Versicherungsgesellschaften oder die gesetzliche Rentenversicherung möglich sein soll. Daher hatte Wessel die Online-Petition gegen die Rentenpflicht ins Leben gerufen.