Multi-Clouds mit Openshift steuern

Red Hat will die "Schweiz der Softwareindustrie" sein

13.11.2020
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Auch nach der Übernahme durch IBM betont Red Hat seine Unabhängigkeit. Der Open-Source-Anbieter will rund um Openshift eine herstellerneutrale ­Plattform für die Steuerung von hybriden Multi-Cloud-Infrastrukturen bauen.

"Linux ist Container und Container ist ­Linux", sagte Werner Knoblich, Senior Vice President und General Manager für die Region EMEA bei Red Hat, zum Auftakt des Red Hat Forums Anfang November. Der Open-Source-Spezialist mausert sich mehr und mehr zum Infrastruktur- und Plattformanbieter. ­Knoblich nutzte den virtuellen Event, um zu erklären, wie sich Red Hat mit seinem Portfolio im Markt positionieren möchte. Der Manager sieht durchaus Erklärungsbedarf: Immer mehr Leute würden ihn fragen, was Red Hat ­eigentlich genau mache. Eine Frage, die auch gern den IBM-Verantwortlichen gestellt wird, die das Unternehmen im vergangenen Jahr für 34 Milliarden Dollar übernommen hatten.

Red Hat positioniert sich auch nach der Übernahme durch IBM als unabhängiger Softwareanbieter.
Red Hat positioniert sich auch nach der Übernahme durch IBM als unabhängiger Softwareanbieter.
Foto: zimmytws - shutterstock.com

"Red Hat ist immer noch Red Hat", beteuerte Knoblich und betonte die Unabhängigkeit des Softwareanbieters. Es gebe einen eigenen CEO und man arbeite mit Hochdruck daran, das Partner-Ökosystem weiter auszubauen. Dazu gehörten Unternehmen wie Accenture, AWS, Google und Microsoft – also auch die großen Wettbewerber von IBM. Es sei dieses Ökosystem, das Red Hat so erfolgreich mache, sagte der Manager. Deshalb werde man auch künftig streng auf Neutralität achten. "Red Hat ist die Schweiz der Softwareindustrie."

Auch wenn das Unternehmen weiter an seinen Linux-Wurzeln hängt, reicht die Strategie heute wesentlich weiter. Der 1993 gegründete Softwareanbieter positioniert seine Openshift-Platt­form als Steuerzentrale für hybride Multi-Cloud-Infrastrukturen. Der Trend gehe eindeutig in Richtung Multi-Cloud, konstatierte Knoblich. Eine eigene Umfrage unter über 1.400 IT-Verantwortlichen in der Region EMEA vom August und September dieses Jahres habe gezeigt, dass 45 Prozent der Befragten damit rechneten, in einem Jahr mit mindestens drei verschiedenen Cloud-Plattformen zu arbeiten. ­Aktuell setze jedes fünfte Unternehmen mehr als drei Cloud-Plattformen ein.

IBM will sich aufspalten - lesen Sie hier mehr darüber

Die Container-Plattform Openshift bildet Knob­lich zufolge einen Abstraktions-Layer, der auf unterschiedlichsten Infrastrukturen aufsetzen kann. Das reicht von Bare-Metal-Systemen über Virtual Machines (VMs), Openstack-basierte Private Clouds sowie Public-Cloud-Plattformen wie AWS, Google und Microsoft bis heran an den Netzwerkrand, das sogenannte Edge.

Trend geht zu Container-Apps

Knoblich verwies auf die Offenheit von Open­shift. Anwender könnten hier Container und VMs parallel betreiben – auf einer einzigen Platt­form mit einer zentralen Management-Technik, so der Manager. Dabei würden neben der Red-Hat-eigenen Virtualisierungslösung auch andere Systeme wie VMware unterstützt. Darüber hinaus ließen sich alle möglichen Cloud-Services der Hyperscaler einbinden und nutzen. Anwender müssten also keinen Vendor-Lockin fürchten und behielten ihre Flexibilität.

Werner Knoblich, Senior Vice President und General Manager für die Region EMEA bei Red Hat, betont die Offenheit von Openshift.
Werner Knoblich, Senior Vice President und General Manager für die Region EMEA bei Red Hat, betont die Offenheit von Openshift.
Foto: Red Hat

Darüber hinaus bringt Red Hat Openshift auch als Plattform für Entwickler in Stellung. Der Anbieter rechnet damit, dass sich der Trend in Richtung Container-Apps weiter beschleunigt. Aktuell liefen in 18 Prozent der Unternehmen mehr als die Hälfte der Workloads in Containern, referierte Knoblich ein Ergebnis aus der hauseigenen Umfrage. In zwölf Monaten sollen bereits mehr als 40 Prozent der Betriebe mehr als die Hälfte ihrer Workloads in Containern ablaufen lassen.

Viele weiter nützliche Informationen rund um Container-Technik finden Sie hier:

Mit Openshift als Entwicklungsplattform müss­ten sich die Nutzer nicht um Aspekte wie Netzwerk oder Sicherheit kümmern, versprach der Red-Hat-Mann den Entwicklern. Außerdem ließen sich flankierende Services einfach einbinden, zum Beispiel Data Services oder Integra­tionen in andere Softwaresysteme. Knoblich nannte an dieser Stelle "Quarkus" als neu hinzugekommenen Openshift-Dienst. Damit könnten Entwickler ihren Java-Code für Container-Architekturen optimieren. Auch Partner hätten die Möglichkeit, eigene Services für Entwickler in Openshift einzuklinken.

Cluster-Management kommt von IBM

Neben den beiden großen Plattformangeboten für den Betrieb und die Entwicklung von Applikationen bietet Red Hat verschiedene Services, um die Plattform zu managen und zu automatisieren. Hier finden sich beispielsweise Dienste wie Ansible (Automatisierung), Insights (Security) und Satellite (Infrastructure as Code). Neu ist das Advanced Cluster Management (ACM) für Kubernetes, um Container-Architekturen auch über verteilte Infrastrukturen effizient orchestrieren zu können. ACM sei zudem ein gutes Beispiel für die gute Zusammenarbeit mit IBM, berichtete Knoblich. Das Werkzeug stamme ursprünglich von Big Blue. Red Hat habe Code und Entwickler übernommen und in die eigene Plattform integriert.

Openshift ist Dreh- und Angelpunkt in Red Hat Lösungsarchitektur.
Openshift ist Dreh- und Angelpunkt in Red Hat Lösungsarchitektur.
Foto: Red Hat

Der Manager nannte Offenheit als Leitmotiv für die interne Arbeitsorganisation bei Red Hat. Das reiche vom Entwickler bis ins Management und die Art und Weise wie das Unternehmen geführt werde. Nicht die Hierarchie bestimme, was passiert, sondern die beste Idee. „Das befeuert Innova­tionen“, sagte Knoblich.

Als größte Herausforderung aufseiten der Kunden hat der Red-Hat-Manager folgende Punkte ausgemacht:

  • Optimierung der Infrastruktur,

  • schnelle Auslieferung von Services und

  • höhere Effizienz, gepaart mit mehr Sicherheit.

Der Manager empfahl seinen Kunden, dabei mit Augenmaß und Pragmatismus vorzugehen. „Die Cloud kann nicht jedes Problem lösen.“ Sie biete zwar das Potenzial, die eigene IT-Infrastruktur zu verbessern. Wichtig sei jedoch, ­dabei die richtige Balance zu finden und sich ehrlich zu fragen: „Wo macht eine Public Cloud Sinn und wo eine Private Cloud?“ Außerdem dürften Anwenderunternehmen über all den technischen Fragen andere wichtige Aspekte wie Prozesse sowie die eigenen Mitarbeiter und die Kultur im Unternehmen nicht außer Acht lassen. Es gehe im Rahmen der digitalen Transformation schließlich auch um völlig neue Arten des Arbeitens.

Neues Enterprise-Linux-Release

Mit Release 8.3 hat Red Hat zudem eine neue Version seines Enterprise Linux vorgestellt. Neuerungen gibt es laut Anbieter in den Bereichen Automatisierung, Sicherheit und Container-Tools. Mit den „Red Hat System Roles“ könnten Anwender betriebssystemspezifische Konfigurationen ihrer Linux-Instanzen automatisiert ausrollen, beispielsweise für SAP HANA oder SAP Netweaver. RHEL 8.3 enthält zudem neue SCAP(Secure-Content-Automation-Protocol)-Profile für die Benchmarks des CIS (Center for Internet Security). Damit ließen sich Systeme auf Basis von Security Best Practices effizient konfigurieren, hieß es. Zu den neu unterstützten Entwicklertools zählen Node.js 14 und Ruby 2.7. Für die Entwicklung cloudnativer Anwendungen stehen aktualisierte Container-Images für „Buildah“ und „Skopeo“ zur Verfügung.