Arbeitstrend bei Freelancern

Raus aus dem Home Office, rein in den Coworking Space

25.04.2012
Von Tobias Wendehost

Bring your own Device ist Standard

Im Combinat 56 finden die Coworker aufgrund der "clean-desk-policy" immer aufgeräumte Schreibtische vor.
Im Combinat 56 finden die Coworker aufgrund der "clean-desk-policy" immer aufgeräumte Schreibtische vor.
Foto: Tobias Schumacher

Für Coworker wie Doris Schuppe sind die Vorteile dieser Arbeitsorganisation offensichtlich: "Coworking ist für mich Social Media in real life. Man gibt Ratschläge und tauscht sich aus, ohne dass ich gleich die Berateruhr anschmeiße." Zudem finde sie immer einen aufgeräumten Schreibtisch vor, habe W-LAN und könne sich mit Kunden in einen Besprechungsraum mit Beamer einmieten. Vorzüge, die sie bei Geschäftsterminen in den Unternehmen häufig vermisse. "Dort muss ich meine Präsentation bis ins Detail planen, da nicht zwangsläufig Internet zur Verfügung steht. Im Coworking Space ist dagegen Bring your own Device der Standard", bemängelt sie die unflexible Strategie vieler Firmen.

Flexibilität ist auch für Andreas Ries ein Grund gewesen, sich einen Platz im Combinat 56 zu mieten. Als freiberuflicher Softwareentwickler, der bald Vater wird, ist die freie Zeiteinteilung entscheidend. Ries ist bereits seit zwölf Jahren Freelancer. Schon nach dem Studium merkte er, dass eine Festanstellung nicht zu ihm passt. Heute programmiert er zum größten Teil Software auf Basis von Windows, die bei Maschinenbauunternehmen zum Einsatz kommt. "Ich kann mich noch genau erinnern, wie wir 2010 nach München kamen. Freitag sind wir nach einem Auslandsaufenthalt gelandet, Montag habe ich mir das Combinat angeschaut und gleich den Vertrag unterschrieben", so der studierte Mathematiker in der Rückschau.

In kleinen und großen Besprechungszimmern können sich die Coworker mit Kunden treffen.
In kleinen und großen Besprechungszimmern können sich die Coworker mit Kunden treffen.
Foto: Tobias Schumacher

Nicht nur der unkomplizierte Umgang bei der Anmeldung überzeugt ihn bis heute: "Da die IT-Branche stark männerdominiert ist, finde ich es angenehm, dass hier auch Frauen arbeiten. Gerade für die Arbeitsatmosphäre ist das meiner Meinung nach wichtig." Im Gegensatz zur Kommunikationsberaterin Schuppe und Gründerin Brübach-Schlickum ist Ries jeden Tag im Combinat 56 und sitzt in der Regel auch am gleichen Schreibtisch, was bei Coworkern eher unüblich ist. Allerdings hat dies praktische Gründe: "Ich benötige für meine Arbeit häufig mehrere Bildschirme, die ich nicht immer wegräumen kann. Zudem bin ich relativ groß und brauchen eben eine Schreibtisch, der höhenverstellbar ist."

Die Atmosphäre ist entscheidend

Trotz aller Euphorie, die Coworking bei den Selbstständigen ausgelöst hat, stellt sich die Frage nach den Nachteilen. Schaut man sich im Combinat 56 um, fällt einem der offene Raum auf, in dem sich die Freelancer tummeln. Die Geräuschentwicklung ist auch hier ein Thema. Allerdings eines, dem nach Angaben der Coworker keine große Beachtung geschenkt wird. "Natürlich reden wir auch über das Thema, wenn es mal zu laut sein sollte. Aber gleichzeitig nehmen wir aufeinander Rücksicht, so dass es kaum zu Reibungspunkten kommt," meint etwa Web 2.0-Beraterin Schuppe. Ries pflichtet ihr bei: "Es ist doch klar, dass wir keine Bibliotheksatmosphäre hinbekommen. Man muss auch anpassungsfähig sein, um hier zu arbeiten."

Für die beiden Freelancer ist die Atmosphäre entscheidend. "Wir ticken alle ähnlich. Freiberufler, die mit dieser Arbeitsform nicht so schnell zu Recht kommen, merken dies nach einer gewissen Zeit und melden sich wieder ab", so das Resümee des Softwareentwicklers. Die Gründerin des Combinat 56, Brübach-Schlickum, ist letztlich überzeugt, dass Coworking ein langfristiger Trend ist: "Viele Menschen wollen einfach nicht allein arbeiten, sondern Kontakte pflegen. Für Einzelpersonen, die sich nicht vernetzen, wird es immer schwerer, in der heutigen Arbeitswelt zu bestehen."