Project Mercury

PTC zeigt sein Industrial Metaverse

22.05.2023
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Obwohl sich PTCs Industrial Metaverse deutlich von der herkömmlichen Vorstellung unterscheidet, hat die Umsetzung enormes Potenzial.
PTCs Industrial Metaverse unterscheidet sich von den Konzepten anderer Player, hat aber seine Berechtigung.
PTCs Industrial Metaverse unterscheidet sich von den Konzepten anderer Player, hat aber seine Berechtigung.
Foto: PTC

Nach Jahren der Entwicklung im Bereich Spatial Computing hat der PLM-Anbieter PTC auf der Hausmesse Liveworx in Boston seine Interpretation des Metaverse im industriellen Umfeld vorgestellt. Das Ziel: Durch die Vermischung von digitaler und physikalischer Welt sollen räumliche Probleme im Engineering, Fertigung und Field Service gelöst werden.

Ein Anwendungsbeispiel ist dabei die Möglichkeit, in kritischen Situationen bei größeren Installationen in schlecht zugänglichen Regionen einen oder mehrere Experten remote zuzuschalten, um das Problem zu lösen. Anstatt aber wie bei der Remote-Support-Lösung Vuforia Chalk dem Techniker vor Ort über die Schulter zu schauen und Wartungsanweisungen zu geben, erfasst die Person vor Ort zunächst mit der Industrial-Metaverse-Lösung die weitere Umgebung einer Anlage mit einem iPhone oder iPad mit LIDAR in 3D.

Mit dem auf diese Weise entstandenen Pop-up-Metaverse können sich die remote zugeschalteten Servicetechniker zunächst ein besseres Bild von dem Problem machen und dann gemeinsam nach einer Lösung suchen. Im Anschluss sind sie dann in der Lage, den Techniker vor Ort anzuleiten, ihm Maschinendaten oder gar Reparaturanleitungen zur Verfügung stellen.

"Vuforia Chalk on Steroids"

Ein Pilotkunde der Field-Service-Lösung ist die Burckhardt Compression Group. Burckhardt bietet seinen Kunden den Service, die hauseigenen Kompressoren in Echtzeit remote zu überwachen und aus der Ferne zu warten. Zu diesem Zweck sind die häufig auch auf Schiffen genutzten Anlagen mit Sensoren ausgestattet, die ständig Daten wie Vibrationen oder Temperatur erfassen. Diese Daten werden dann analysiert und genutzt, um beispielsweise Anomalien zu erkennen oder Wartungsarbeiten zu planen.

In der 3D-Aufnahme der Kompressor-Umgebung können remote zugeschaltete Servicetechniker mit Pfeilen auf bestimmte Punkte hinweisen oder Reparaturanleitungen und Ähnliches platzieren.
In der 3D-Aufnahme der Kompressor-Umgebung können remote zugeschaltete Servicetechniker mit Pfeilen auf bestimmte Punkte hinweisen oder Reparaturanleitungen und Ähnliches platzieren.
Foto: PTC

"40 Minuten Ausfall bedeuten für uns einen sechs- bis siebenstelligen Schaden", erklärt Helmut Draxler, CDIO der Burckhardt Compression Group. Mit der PTC-Lösung sei man nicht nur in der Lage, dem Servicetechniker vor Ort sofort psychologische Unterstützung durch qualifizierte Fachleute zu geben. Burckhardt bekomme auch zusätzlichen Kontext, der über die Sensorinformationen hinausgehe. In einem Fall hätte etwa erst die 3D-Aufnahme der Anlage einen Abfalleimer als Auslöser für die interessanten Signale an den Sensoren identifiziert, berichtet Draxler.

Arbeits- und Sicherheitsanalysen im Metaverse

Mit Hilfe von KI lässt sich die Körperhaltung der Techniker untersuchen und bewerten.
Mit Hilfe von KI lässt sich die Körperhaltung der Techniker untersuchen und bewerten.
Foto: PTC

Ein weiteres Einsatzszenario für das Industrial Metaverse sieht PTC im Produktionsumfeld. So untersucht das Unternehmen aktuell in einem Beta-Test mit Mercedes, inwieweit die Software in zukünftigen operativen Prozessen für Arbeits- und Sicherheitsanalysen eingesetzt werden kann. So ließen sich etwa die Bewegungen der Arbeitenden bei Montage oder Reparatur mithilfe von Lichtfeldkameras aufzeichnen und anschließend durch verschiedene KI-Modelle analysieren.

Auf diese Weise könnte aber nicht nur die Dauer der verschiedenen Tätigkeiten genau erfasst werden, die Lösung eignet sich auch für ergonomischen Studien, um zu erfassen, wie Fertigungs- und Montagelinien eingerichtet werden müssen. So lässt sich leicht erkennen, ob möglicherweise Gegenstände ständig im Weg stehen und anderswo platziert werden müssen. Auch die Körperhaltung der Techniker kann man damit bewerten.

Der Windanlagenbetreiber VESTAS wiederum nutzt die PTC-Technik für eine Art Pop-Up-Factory. Hierzu erfassen Drohnen beim Aufbau einer neuen Windkraftanlage die Umgebung in 3D und ermöglichen so remote zugeschalteten Technikern einen Überblick über die Tätigkeiten. Außerdem können sie sicherstellen, dass bei dem komplexen Aufbau alles an seinem Platz ist.

Von Grund auf neue Entwicklung

Den Einwand, dass sich PTCs Vorstellung vom Metaverse doch etwas von der langläufigen Vorstellung und Umsetzung diverser Player unterscheide, lässt die Company nicht gelten. "Wir haben damit bereits begonnen, noch bevor es cool war", verteidigt sich Shiva Kashalkar, Vice President Product Management und Leiterin des Industrial-Metaverse-Projekts bei PTC, und verweist auf die vielen Jahre, in denen sich PTC mit dem Thema Spatial Computing beschäftigt hat.

Das Industrial Metaverse sei eine von Grund auf neue Umgebung, die für einen speziellen Zweck konstruiert wurde, erklärt sie, anders als die Metaverses anderer Hersteller, die im Grunde Videospiel-Umgebungen umfunktioniert hätten: "Alle anderen befinden sich noch in der Pferdekutschenzeit, wo mit der Erfindung des Verbrennungsmotors dieser einfach in die Kutschen eingebaut wurde." Wobei auch PTC beim Industrial Metaverse noch am Anfang stehe, wie Kashalkar einräumt. Sie sieht insbesondere Potenzial bei der Anreicherung der bereitgestellten Daten sowie durch die Integration in den jüngsten PTC-Zukauf Servicemax.