Der Trend zum "Citizen Developer" hat an Fahrt zugelegt und zeigt keine Anzeichen einer Abschwächung. Warum auch? Der größte Engpass bei der Digitalisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen ist der Fachkräftemangel. Da erscheint es mehr als sinnvoll, technisch versierte Mitarbeiter aus den Fachbereichen in die Entwicklung miteinzubeziehen, eben über Low-Code-Plattformen. Wenn Citizen Developer die Möglichkeiten der Low-Code-Tools effektiv nutzen, bleibt den Profientwicklern mehr Zeit für die wirklich anspruchsvollen Aufgaben. So zumindest die Theorie.
Aber kann die Rechnung wirklich aufgehen? Kann ein Nicht-IT-Mitarbeiter mit einer Low-Code-Plattform eine passable Anwendung entwickeln? Werden die Ergebnisse den Anforderungen des Unternehmens entsprechen? Wie viel Unterstützung wird die IT-Abteilung leisten müssen? Werden dadurch IT-Ressourcen entlastet oder eher gebunden?
Ein genauer Blick auf die populären Mythen rund um Low Code könnte helfen.
Mythos Nr. 1: Low-Code-Anwendungen können nicht mit echten Unternehmensanwendungen mithalten
Eine Low-Code-App ist eine spezielle Anwendung mit einer eng abgesteckten Funktionalität. Meist soll sie die Produktivität von Mitarbeitern oder Teams erhöhen oder Geschäftsprozesse optimieren, indem sie Lücken zwischen verschiedenen Systemen schließt oder kleinere Abläufe automatisiert. Aber ist eine solche Anwendung auch business-tauglich?
Die Antwort lautet: Ja. Es handelt sich immer noch um eine Unternehmensanwendung, die nach denselben bewährten Best Practices entwickelt wurde. Sie ist nur nicht für die Skalierung ausgelegt. Da die Fachbereichsmitarbeiter die zu lösenden Probleme selbst am besten kennen, können sie auch die nötigen Arbeitsabläufe am besten einschätzen. Sie brauchen lediglich die richtigen Tools und etwas Anleitung.
Voraussetzung ist, dass die Low-Code-Plattform fertige Vorlagen und eine Benutzerführung über Drag-and-Drop bietet, um die Konsistenz mit bewährten Best Practices zu gewährleisten. Das macht es für Citizen Developer einfacher, hochwertige und sichere Apps zu erstellen. Der positive Nebeneffekt: Wenn der Leistungsumfang kleiner ist, wird der Aufwand vermieden, der bei einer vollwertigen Unternehmensanwendung fällig ist, einschließlich Pflichtenheft und anderer komplexer Aufgaben.
Mythos Nr. 2: Ein Citizen-Development-Programm wird mein überlastetes Entwicklungsteam zusätzlich belasten
Bei der Riesennachfrage nach Digitalisierung von Geschäftsprozessen sind Profientwickler Mangelware. Deswegen besteht der größte Benefit von Low-Code-Plattformen darin, die Softwareentwicklung zu entlasten. Mithilfe von Low-Code-Tools mit automatisierten Test- und Freigabefunktionen können Citizen Developer einfache Apps ohne Aufsicht der IT entwerfen und erstellen. Dadurch wird der Backlog der Anwendungsentwicklung reduziert und die Entwickler selbst vor Überlastung geschützt. Burnout ist schließlich ein häufiger Grund für die Abwanderung von Fachkräften.
ServiceNow IT hat sich bis Dezember 2022 als Ziel gesetzt, 65 Prozent der Apps von Citizen Developern erstellen zu lassen. Dadurch sollen sich die professionellen Programmierer auf die Erstellung komplexerer, unternehmensweiter Anwendungen, die ein hohes Maß an Fachwissen erfordern, konzentrieren können.
Mythos Nr. 3: Low Code zieht Anwendungswildwuchs nach sich
Apps, die Arbeitsabläufe automatisieren, sind für jedes Unternehmen unerlässlich. Worauf es dabei ankommt, ist weniger die Menge der Anwendungen, sondern das Erstellungsverfahren und deren Verwaltung. Und an dieser Stelle kommt die IT-Aufsicht mit einer Reihe von Best Practices ins Spiel.
Clevere IT-Abteilungen nutzen den Engagement-Layer einer Low-Code-Plattform, um Anwendungswildwuchs zu begrenzen. Diese Einbindungsebene bietet einen einzigen, umfassenden Aufnahmeprozess, um die Doppelung von Anwendungen zu vermeiden. Die IT behält die Kontrolle durch die Festlegung klarer Richtlinien, die vorschreiben, wann Anwendungen aufgrund ihrer Größe oder ihres Umfangs wieder in die Aufsicht der IT-Abteilung übergehen sollten.
Mythos Nr. 4: Low-Code-Anwendungen verursachen Sicherheitslücken
Sicherheit ist in jeder Entwicklungsumgebung von entscheidender Bedeutung. Wie bei allen Entwicklungsprojekten sollte die IT auch hier Sicherheitsrisiken minimieren, indem sie die richtigen technischen Leitplanken und Verfahrensweisen anwendet.
Code-Scans - eine Funktion der meisten Low-Code-Plattformen - setzen vordefinierte Sicherheitsstandards durch. Sensible Daten in Entwicklungsumgebungen zu kopieren ist zum Beispiel verboten, Punkt. ServiceNow verwendet auf seiner Now Platform beispielsweise ein einheitliches Datenmodell, das Daten eindeutig klassifiziert. Das verhindert die Verwendung von Daten, die auf Entwicklungsumgebungen nichts zu suchen haben, und bietet dadurch eine zusätzliche Sicherheitsebene.
Mythos Nr. 5: Citizen Development fördert die Schatten-IT
Mit einem starken Governance- und Kollaborationsmodell im Mittelpunkt des Citizen-Development-Programms lässt sich die Gefahr der Entstehung von Schatten-IT von Beginn an eindämmen. Wenn Fachbereichsmitarbeiter die Möglichkeit haben, ihre eigenen Anwendungen in Zusammenarbeit mit der IT zu entwickeln, müssen sie nicht mehr nach externen Lösungen suchen.
Schatten-IT lässt sich mitunter dadurch verhindern, dass die gestellten Ressourcen für die Anwendungserstellung sich an bewährten Best Practices orientieren. Auch Anreize wie Zertifizierungen und Abzeichen für Citizen Developer, mit denen sie für ihre Leistungen belohnt werden, sind sinnvoll. Die Anerkennung einer guten Leistung schafft Motivation, anspruchsvollere Aufgaben in Angriff zu nehmen.
Fazit: Low Code ist keine Modeerscheinung
Remote Work und die Digitalisierung haben in vielen Branchen einen Automatisierungswettbewerb ausgelöst. Durch die Mobilisierung interner Ressourcen zur Automatisierung von Workflows wird die digitale Transformation Ihres Unternehmens unterstützt und viele kleine und große Frustrationen im Alltag der Mitarbeiter beseitigt.
Citizen Development ist nicht mehr aufzuhalten. Es entwickelt sich zur wichtigen Ressource, um die Anwendungsentwicklung zu beschleunigen. Was hält Sie also davon ab, auf den Low-Code-Zug aufzuspringen, wenn Sie wissen, was Sie jetzt wissen?