Am Anfang stand eine Erfahrung, die der Gründer von Freelance Pages, Ulrich Conzelmann, mit seinem gleichnamigen IT-Beratungsunternehmen in vielen Projekten machen musste: Fast immer mangelte es an Expertenwissen. Für ihn stellte sich deshalb die Frage: Wie ist es zu schaffen, dieses Know-how nach Bedarf in die Projekte zu bringen? Aus dieser Überlegung heraus entstand die Plattform Freelance Pages.
"Wir wollen eine faire Alternative schaffen, durch die Freelancer und Unternehmen direkt Geschäftsbeziehungen aufbauen können", lautet das Credo des Gründers. Conzelmann vergleicht seine Plattform mit solchen aus der Immobilienbranche. Auch dort habe man früher eine Wohnung gegen Provision über einen Makler gesucht. Jetzt, im Internet-Zeitalter, könne der Wohnungssuchende jedoch über adäquate Plattformen direkt an den Vermieter herantreten, ohne einen Makler zu benötigen. Conzelmanns Ziel: "Den richtigen Freiberufler zu finden soll so einfach sein, wie online ein Hotel zu buchen." Mit nur wenigen Klicks sollen Anwenderunternehmen zum Ziel gelangen - kurz: Freelancer vergleichen, auswählen, anfragen, Projekt starten.
Cyber Valley tüfftelt digitale Geschäftsprozesse aus
Conzelmann gründete sein Unternehmen im Juni 2016 im sogenannten Cyber Valley, dem Gebiet rund um die Universitäten Tübingen und Stuttgart: "Hier finden wir die Leute, die wir benötigen, und diese wiederum ein attraktives Umfeld." Das Geschäftsmodell der direkten Vermittlung von Freiberuflern über einen digitalen Marktplatz ist aus Sicht des CEO Teil einer Entwicklung, die vor keiner Branche haltmacht - nämlich die Digitalisierung aller Geschäftsprozesse.
Ähnliches Prinzip wie Paid Search
Die Plattform soll den Nutzern laut Conzelmann eine einfache, aber leistungsstarke Filtersuche bieten, die mit nur wenigen Mausklicks Ergebnislisten liefert. Fixkosten sind mit der Nutzung nicht verbunden. Freiberufler wie auch Unternehmen zahlen nur für die Leistungen, die sie in Anspruch nehmen. Selbständige schalten ihr Profil zum Beispiel nur dann für die Suche frei, wenn sie auf Projektsuche sind. Sie bezahlen dann nur für den Klick auf ein interessiertes Einsatzunternehmen - ähnlich wie Paid Search bei einer der großen Suchmaschinen. "Aber mit wesentlich geringeren Streuverlusten", meint Conzelmann.
Der digitale Vertrag als neues Feature
Umgekehrt können sich Unternehmen im ersten Schritt kostenlos die Profile der Freiberufler ansehen. Kommt es dann zu einem Auftrag, werden 9,90 Euro Vermittlungsgebühr an die Plattform fällig. Neu im Portfolio sind Projektausschreibungen, auf die sich die Freiberufler bewerben können. Hierfür müssen die Firmen 99 Euro bezahlen. Das nächste, neue Feature ist laut Conzelmann bereits in Vorbereitung: digitale Verträge. Auf der Basis eines Standardvertrags, der rechtlich problematische Regelungen vermeidet, können schnell und einfach Verträge für die Zusammenarbeit zwischen Freelancer und Unternehmen erstellt und digital signiert werden.
- Selbstständig oder Zeitarbeit? Was Freiberufler beachten müssen.
Seit April 2017 können sich Auftraggeber nicht mehr vor juristischen Folgen in Sachen Scheinselbstständigkeit schützen, indem sie Selbstständige über eine Vermittlungsagentur buchen. Unternehmen versuchen deshalb verstärkt, Freelancern eine Beauftragung in Zeitarbeit anbieten. Vor einen Wechsel in die Festanstellung sollten Freiberufler jedoch folgende Punkte bedenken. - Weisungsrecht vergegenwärtigen
Als Zeitarbeiter unterliegt der dann "Nicht-Mehr-Selbstständige" dem Weisungsrecht des Arbeitgebers auf Zeit. Dessen Anordnungen ist Folge zu leisten. Er muss sich zum Beispiel Urlaub genehmigen lassen und auch sonstigen Regeln folgen. - Gehalt kalkulieren
Gehaltsforderungen müssen gut überlegt sein. Berücksichtigt werden sollte, dass bei einem Angestellten Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung fällig werden. Außerdem sind Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaube sowie Feiertage zu berücksichtigen. Der Auftraggeber zahlt somit einen Aufschlag von 90 bis 110 Prozent auf das Gehalt des Zeitarbeiters. Da der Zeitarbeiter damit deutlich mehr verdient als vergleichbare Angestellte, dürfte das Auftragsverhältnis nach neun Monaten beendet werden, weil ansonsten die Equal-Pay-Regelung greift. - Verträge kündigen
Versicherungsverträge, die für die Selbstständigkeit abgeschlossen wurden, müssen gekündigt werden. Kündigungsfristen sind einzuhalten. Fällt das Gehalt unter die Beitragsbemessungsgrenze, muss sich der Zeitarbeiter in der gesetzlichen Krankenkasse versichern. Die private Krankenversicherung kann er kündigen, womit die Altersrückstellung allerdings hinfällig wäre. Sie kann aber auch auf eine kostenpflichtige Anwartschaft umgestellt werden. - Steuerliche Faktoren bedenken
Steuerlich werden Selbstständige und Angestellte unterschiedlich behandelt. Für Zeitarbeiter entfällt der Abzug der Vorsteuer, und es können nicht mehr alle Kosten steuerlich geltend gemacht werden. Abschreibungen, die das Einkommen reduzieren, entfallen. - Altersvorsorge planen
Die meisten Selbstständigen haben eine private Altersvorsorge. Diese lässt sich in der Regel nicht von heute auf morgen aussetzen. Die Kosten laufen also weiter, während gleichzeitig in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Diese Doppelbelastung muss unbedingt beachtet und eingeplant werden. - Flexibilität sichern
Selbstständige können ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort zumindest theoretisch selbst bestimmen. Selbstständige können ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort zumindest theoretisch selbst bestimmen. Als Angestellter ist das nicht mehr möglich. - Vertragsverhandlungen gut vorbereiten
Es empfiehlt sich, vor der Vertragsunterzeichnung die verschiedenen Konsequenzen zu prüfen. Damit stehen die Chancen am besten, die eigenen Vorstellungen realisieren zu können. Handeln Sie flexible Arbeitszeiten sowie die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten, aus. Dabei sollten Selbstständige und Auftraggeber die Zusammenarbeit so gestalten, dass sie der Deutschen Rentenversicherung keine Argumente für Scheinselbstständigkeit liefern. - Zusammenarbeit neu gestalten
Sprechen Sie mit dem Auftraggeber über die Konsequenzen, die Sie als Zeitarbeitnehmer treffen würden. Prüfen Sie dabei die Kriterien für eine Scheinselbstständigkeit genau und gestalten Sie die Zusammenarbeit gegebenfalls neu.
"Wir wollen die Kontrolle über die Geschäftsbeziehungen an die zurückgeben, die sie haben müssen, die Freiberufler und die Anwenderfirmen", erklärt Conzelmann. Er plädiert außerdem für mehr Transparenz in der Preisbildung: "Inwiefern sind Provisionen von gut einem Fünftel des Projektwerts für die tatsächlich erbrachte Vermittlungsleistung gerechtfertigt?" Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die finale Auswahl erst recht der Auftraggeber treffen muss. (hk)