Quantencomputer mit Zeitkristall

Plant Google Ausgründung von Quanten-Startup?

13.01.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Verkauft die Google-Holding Alphabet ihr Quanten-Computing Startup Sandbox? Laut Gerüchten arbeitet Sandbox an einem Quantencomputer mit Perpetuum-Mobile-Eigenschaften.
Solte es gelingen, Quantencomputer mit Zeitkristallen zu bauen, dann könnte der Aufwand für die Kühlung, wie hier im Bild, bei Quantencomputern entfallen.
Solte es gelingen, Quantencomputer mit Zeitkristallen zu bauen, dann könnte der Aufwand für die Kühlung, wie hier im Bild, bei Quantencomputern entfallen.
Foto: Boykov - shutterstock.com

Wir leben schon in verrückten Zeiten. Während ansonsten große IT-Player wie IBM, Microsoft etc. Startups kaufen, um neues Know-how zu erwerben, scheint die Google-Holding Alphabet 2022 den umgekehrten Weg zu verfolgen. Nach US-Medienberichten will Alphabet angeblich seine Quanten-Computing-Tochter Sandbox noch in diesem Jahr ausgliedern.

Zeitkristalle im Quantencomputer

Sandbox wurde von Alphabet als ein sogenanntes Moonshot-Projekt gefördert. Alphabet bezeichnet damit besonders ehrgeizige Forschungsprojekte - in Anspielung auf die berühmte Rede von US-Präsident John F Kennedy 1962, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond zu schießen. Ein solcher Moonshot könnte Sandbox im letzten Jahr gelungen sein, als in einem Quantencomputer ein sogenanntes Zeitkristall geschaffen wurde.

Quantencomputer als Perpetuum Mobile?

Unter einem Zeitkristall verstehen Physiker ein Quantensystem, das selbst im Grundzustand, also dem Zustand niedrigster Energie, periodisch zwischen verschiedenen Konfigurationen hin und her pendelt - also faktisch eine Bewegung ohne Energie. Damit wäre man, so die Neue Zürcher Zeitung, nahe an einem Perpetuum Mobile. Ob dies überhaupt möglich ist, war in der theoretischen Physik lange umstritten und erst 2017 gelang der erste experimentelle Nachweis eines Zeitkristalls.

Sollte es Sandbox wirklich gelingen, Quantencomputer mit Zeitkristallen zu realisieren, wäre dies eine Revolution. Derzeitige Quantencomputer basieren in der Regel auf supraleitenden Chips und arbeiten deshalb nahe am absoluten Nullpunkt. Dementsprechend sind eine aufwändige Kühlung sowie viel Energie dazu erforderlich - was die Kosten entsprechend in die Höhe treibt. Ein Quantencomputer auf Zeitkristall-Basis könnte dagegen deutlich günstiger betrieben werden.

Gefahr für die junge Quanten-Computing-Branche

Ein solcher Quantencomputer würde in letzter Konsequenz den wirtschaftlichen Erfolg der ganzen Startups in Frage stellen, die weltweit an Quantencomputern auf Supraleiter-Basis arbeiten und teilweise massiv von staatlicher Seite gefördert wurden. Branchenbeobachter rätseln deshalb, was Alphabet mit einer entsprechenden Ausgründung erreichen will. Geht es nur darum, um von den jüngsten Durchbrüchen von Sandbox auf dem Gebiet des Quanten-Computings im Rahmen einer Ausgründung finanziell zu profitieren? Oder soll Sandbox als eigenständiges Unternehmen in die Lage versetzt werden, agiler agieren zu können, um etwa neue Experimente in Eigenregie zu planen und sich selbst Geld zu beschaffen? Ebenso spannend ist die Frage, wie im Falle einer Sandbox-Ausgründung die künftige Zusammenarbeit mit Google Quantum aussehen wird, einer weiteren Quantum-Computing-Initiative, an der Alphabet beteiligt ist.

Noch handelt es sich hierbei nur um Gerüchte, die sich nicht mit einem Blick in offizielle Unternehmensregister etc. verifizieren lassen. Sie reichen jedoch, um im neuen Jahr in der noch jungen Quanten-Computing-Branche für Diskussionen und Verunsicherung zu sorgen.