Horváth-Studie

Planlos in die KI-Zukunft

22.03.2024
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Einer aktuellen Studie zufolge gehen viele Unternehmen das Thema KI nur halbherzig und ohne Fokus an - was Konsequenzen nach sich zieht.
Trotz der hohen Erwartungen, die Unternehmen in GenAI setzen, wird das Thema häufig nur halbherzig angegangen.
Trotz der hohen Erwartungen, die Unternehmen in GenAI setzen, wird das Thema häufig nur halbherzig angegangen.
Foto: PopTika - shutterstock.com

Verfolgt man die Ankündigungen von Anwenderunternehmen zur künftigen Geschäftsstrategie, drehen diese sich primär um (generative) künstliche Intelligenz. Vor allem die Vorstände und Geschäftsführer großer Unternehmen setzen hohe Erwartungen in KI hinsichtlich Effizienzsteigerung, Expansion oder Verbesserung der Ergebnisse.

Wie eine aktuelle Umfrage der Managementberatung Horváth zeigt, gehen die Unternehmen das Thema KI trotz der großen Ziele allerdings etwas halbherzig an. So haben sich die KI-Projekte und -Maßnahmen, die sich Unternehmen für die kommenden Monate vorgenommen haben, mit mehr als zehn Stück fast überall verdoppelt. Die dafür bereitgestellten Budgets für dieses Jahr wurden allerdings im Durchschnitt nur um 30 Prozent erhöht. Damit nicht genug: Die für die KI-Transformation eingesetzten Investitionen drohen in vielen Unternehmen zu versickern, weil die Voraussetzungen fehlen - so ein weiteres Ergebnis der Horváth-Studie.

Der Fortschritt bei KI wird überschätzt

"Die Mehrheit der CxOs ist sich der Bedeutung von GenAI für ihr Unternehmen und ihre Branche absolut im Klaren. Sie sind funktionsübergreifend sehr gut informiert über wirtschaftliche Potenziale und wollen aktiv die Weichen stellen, um GenAI top-down in der Organisation voranzutreiben", erklärt Rainer Zierhofer, Studienleiter und Partner bei der Managementberatung Horváth. "Das Problem: Der aktuelle Stand der KI-Implementierung im eigenen Unternehmen wird überschätzt - Aufwände und Herausforderungen im Operativen dagegen unterschätzt."

So ordnen drei Viertel der Befragten auf Vorstands- beziehungsweise Geschäftsführungsebene ihr Unternehmen als Organisation mit hohem (51 Prozent) oder gar sehr hohem KI-Reifegrad (27 Prozent) ein. Bereichsleitung und Fachebene sehen das aber deutlich anders. In diesen Gruppen sprechen nur 15 beziehungsweise elf Prozent der Führungskräfte ihrem Unternehmen den höchsten Reifegrad zu.

"Auch wenn die ersten Pilotprojekte erfolgreich gelauncht wurden - Kinderkrankheiten, Nacharbeiten und vor allem operative Fragestellungen zeigen sich erst im Laufe der kommenden Monate, wenn eine große Gruppe an Mitarbeitenden die KI einsetzt", kommentiert Zierhofer diese unternehmerische Selbstüberschätzung. Noch schlimmer sei jedoch die Tatsache, dass die CXOs die Messlatte vielfach zu weit unten ansetzten: "Selbst die rundum erfolgreiche Einführung eines firmeneigenen ChatGPT ist erst der Anfang der KI-Transformation", so der Horváth-Mann.

Herausforderungen für die Fachbereiche

Noch bevor es so weit ist, droht den Unternehmen zudem "die Puste auszugehen" - sowohl finanziell als auch in Bezug auf personelle Ressourcen. So zeigt die Horváth-Studie, dass sich die Fachebene in der Umsetzung mit immensen Herausforderungen konfrontiert sieht. Dazu zählen allen voran die Qualität der eigenen Daten sowie der Umgang mit Datenschutzvorgaben, aber auch fehlende GenAI-Expertise im Team. Auf C-Level werden diese Probleme deutlich seltener gesehen.

Auf operativer Ebene wird zudem ganz konkret bemängelt, dass die strategische Positionierung des Unternehmens in Bezug auf die Nutzung von KI-Technologien gar nicht so klar ist, wie es "von oben" den Anschein macht. Tatsächlich räumt auch ein Viertel der Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder ein, dass der geeignete strategische Ansatz für die KI-Transformation zu den größten Knackpunkten gehört.

"Der fehlende strategische Fokus wird sich rächen", prophezeit der Horváth-Experte. In vielen Unternehmen würden sich die erwarteten Benefits nicht im gewünschten Maß einstellen, weil das KI-Budget wie mit der Gießkanne über alle Unternehmensbereiche sowie übergreifenden Projekte und Aktivitäten verteilt werde. Zierhofer empfiehlt Unternehmen stattdessen, sich je nach Größe für 2024 besser auf zwei bis drei Unternehmensbereiche und maximal drei bis vier Use Cases zu konzentrieren.

Im Rahmen der Studie wurden branchenübergreifend 150 Führungskräfte in europäischen Unternehmen ab 200 Millionen Euro Jahresumsatz befragt - davon mehr als 100 aus Deutschland.