BBC-Bericht deckt auf

Personalabbau bei Twitter lässt Trolle jubeln

07.03.2023
Von Redaktion Computerwoche
Hetze und Beleidigungen, Desinformationskampagnen, Kindesmissbrauch: Einem BBC-Bericht zufolge kann bei Twitter die dunkle Seite der sozialen Netze wieder aufleben, weil Twitter keine Leute mehr hat.
Mit seiner harten Sanierung von Twitter geht Elon Musk offenbar große Risiken ein. Hass und Desinformation nehmen wieder stark zu.
Mit seiner harten Sanierung von Twitter geht Elon Musk offenbar große Risiken ein. Hass und Desinformation nehmen wieder stark zu.
Foto: kovop - shutterstock.com

Wie die BBC mit Bezug auf Insiderinformationen berichtet, soll Twitter nach den Entlassungen und Veränderungen unter dem neuen Eigentümer Elon Musk kaum noch in der Lage sein, seine User vor Trollen, staatlich koordinierten Desinformationskampagnen und auch vor Angriffen mit dem Ziel sexueller Übergriffe zu schützen. Die Belästigungen nehmen zu, und auch die Zahl der frauenfeindlichen und beleidigenden Äußerungen steigen dem Bericht zufolge stark an.

Zitiert wird unter anderem die zurückgetretene Leiterin der Abteilung für Content-Design, Lisa Jennings Young, deren Team kurzerhand aufgelöst worden war. Es hatte an Sicherheitsmaßnahmen gearbeitet, die nach internen Untersuchungen Troll-Beiträge um bis zu 60 Prozent reduziert haben sollen. Informationen der BBC zufolge kümmert sich bei Twitter nun niemand mehr um diese Aufgaben.

Twitter mit Desinformationskampagnen überfordert

In dem BBC-Beitrag ist davon die Rede, dass vom Ausland gelenkte Beeinflussungskampagnen, die einst täglich von Twitter aussortiert wurden, inzwischen nicht mehr aufgespürt würden. Der Anteil neuer Konten, die frauenfeindlichen und beleidigenden Profilen folgten, sei um 69 Prozent gestiegen, so ein anderer Insider.

"Missbrauch auf Twitter ist für mich nichts Neues", schreibt Marianna Spring, Social-Media-Korrespondentin bei BBC Panorama, in ihrer Enthüllungs-Story. "Ich bin Reporterin und berichte über Desinformation, Verschwörungen und Hass." Doch während auf den meisten Social-Media-Seiten Hass und Hetze dank gezielter Bekämpfung kontinuierlich abgenommen hätten, sei es auf Twitter wieder schlimmer geworden.

Spring zweifelt entschieden daran, dass Twitter ausreichend gegen Hate-Speech und schädliche Inhalte vorgeht. Sie hat in San Francisco am Headquarter von Twitter recherchiert und unter anderem einen Softwareentwickler befragt, der aus verständlichen Gründen anonym bleiben will. Er fühle sich wie in einem Gebäude, das an allen Ecken brenne, verriet er der Reporterin. "Die Fassade mag noch gut aussehen, aber für mich ist klar, dass nichts mehr funktioniert."

Eine Person macht, was früher 20 erledigten

Das Chaos sei durch die enorme Entlassungswelle verursacht worden, die Musk zu seinem Amtsantritt ausgelöst hatte. "Heute macht eine neue Person, die sicher nicht das nötige Fachwissen mitbringt, das, was früher von mehr als 20 Leuten erledigt wurde", so der Insider. Zwar seien bestimmte Sicherheits- und Kontrollfunktionen auf dem Papier noch vorhanden, aber die Personen, die sie entworfen und gepflegt hätten, seien nicht mehr an Bord.

Dem Twitter-Insider zufolge vertraut Musk seinen Mitarbeitenden nicht, was zu chaotischen Zuständen führe. So habe der Milliardär Software-Ingenieure von Tesla beauftragt, in kürzester Zeit den Code von Software-Engineers von Twitter zu bewerten, ehe er dort Entlassungen ausgesprochen habe. Dabei sei es schlicht unmöglich, einen solch umfangreichen Code innerhalb kürzester Zeit zu verstehen.

Das mangelnde Vertrauen in die Twitter-Beschäftigten zeige sich auch darin, dass sich Musk immer mit mindestens zwei Leibwächtern umgebe - "sehr bullige, große Bodyguards im Stil von Hollywood-Filmen, sogar wenn er auf die Toilette geht." Musk gehe es nur ums Geld. Er habe Reinigungs- und Catering-Mitarbeiter entlassen und sogar versucht, die Büropflanzen an die Mitarbeitenden zu verkaufen.