Der Begriff Social Trading besitzt inhaltlich kein eindeutiges Abgrenzungsmerkmal. Mal versteht man darunter den informellen Austausch in Finanzforen über die Aktienanlage, eine andere Variante besteht darin, dass Händler über spezifische Plattformen stellvertretend für den jeweiligen Anleger handeln.
Generell ist der Trend auch international kaum mehr zu übersehen, zumal sich Goldman Sachs im April 2013 mit rund 25 Millionen US-Dollar am Startup Motif Investing beteiligte. Auf der Website des Anbieters können die Nutzer je nach ihren Zielvorstellungen und Motivlagen ihr Geld in einen Aktienkorb stecken. Auch die Transaktionsgebühren halten sich bislang in Grenzen.
Social Trading ist erst durch die rasante Verbreitung von sozialen Netzwerken wie Facebook salonfähig und damit massentauglich geworden. Bereits im Jahr 2013 spekulierte das Handelsblatt darüber, wie im Zuge dieser Entwicklung der Berufszweig der klassischen Fondsmanager überflüssig werden könnte. Allerdings scheint diese Annahme derzeit noch zu hoch gegriffen, denn von signifikanten Marktanteilen sind die neuen Gestaltungsvarianten immer noch ein großes Stück entfernt.
Den Herdentrieb produktiv bewältigen
Bleiben wir aber beim im bereits skizzierten Fallbeispiel wikifolio.com (Investment Clubs 2.0) Die Betreiber übertragen das Interaktionsmodell von Facebook oder Twitter direkt auf die Geldanlage. Wie funktioniert das? Jeder registrierte Nutzer kann sein eigenes "Investment-Portfolio" betreuen, als Wikifolio bezeichnet. Er kauft und verkauft Wertpapiere, zwar nicht wie ein großer Fondsmanager, aber eben wie ein ambitionierter Semiprofessioneller. Und wie wir wissen, hält sich auch die Performance der Professionellen oftmals in engen Grenzen.
Dabei sind alle Aktionen für andere Nutzer transparent. Ein erfolgreiches Händchen beim Social Trading macht natürlich in der virtuellen Geldvermehrungsgemeinschaft sofort die Runde. So hängen sich andere Nutzer via Trendfolge an die bereits erfolgreichen Privathändler. Vorausgesetzt man traut sich, den ausgewählten Trader auf eigenes Risiko mit echtem Geld auszustatten, damit dieser stellvertretend handeln darf.
Der Nutzer kann nun das Zertifikat auf jedes beliebige Wikifolio kaufen. Wer auf einen erfolgreichen Trader setzt, erhält schließlich ein aktiv gemanagtes, breit gestreutes Depot, ohne dafür einen Fondsmanager oder Vermögensverwalter bezahlen zu müssen. Der Haken: Nur wer den vermeintlich Besten, die stellvertretend für ihn handeln, permanent überprüfen kann und die dafür notwendige eigene Kompetenz mitbringt, um die Trader produktiv zu steuern und bei etwaigem "Versagen" rasch auszutauschen, kann beim Social Trading auf längere Sicht bestehen.
Es ist und bleibt somit eine große Herausforderung, an der Börse konstant Geld zu verdienen. Kurz: Wem es durchschnittlich über eine längere Wegstrecke gelingt, sechs von zehn Trades mit positiver Performance abzuschließen, der beherrscht das sensible Metier. Man darf somit gespannt sein, wie sich die Akteure gerade unter härteren Rahmenbedingungen weiterentwickeln, wie etwa einer länger anhaltenden Seitwärtsbewegung, einer höheren Volatilität oder gar einer rasch einsetzenden Kurskorrektur nach unten.
Marktbeherrschende Strukturen wären gerade bei kapitalmarktorientierten Börsenportalen nachteilig. Je verteilter und dezentraler die kollektive Schwarmintelligenz an den Kapitalmärkten operierte, je weniger sich neue Monopole der Informationsverteilung herausbildeten, umso geringer fiele das Risiko von gravierenden Fehlentwicklungen aus. Die Praxis schlägt jedoch auch hier die graue Theorie.
Andererseits schenken viele Anleger einer Empfehlung erst dann wirklich Glauben, wenn die Zahl derjenigen groß genug ist, die einem konkreten Tipp(geber) tatsächlich Folge leisten. Die Herausforderung besteht also darin, den "Herdentrieb" produktiv zu bewältigen. Denn an der Börse gewinnt nicht derjenige, der der Masse folgt, sondern nur jener, der das Verhalten anderer Anleger möglichst genau reflektiert, erkennt und konsequent für sich ausnutzt.
Lerneffekt im Turbogang
Kurzum, jede relevante Information will gegen den Strich gebürstet sein. Folglich muss sich der Social Trader gegen die "kollektive Schwarmintelligenz" stellen, um nachhaltig erfolgreich zu sein - zumal auch die verhaltensorientierte Kapitalmarktforschung bestätigt, dass rund drei Viertel aller an der Börse aktiven Privatanleger bei dem Versuch scheitern, dort über einen längeren Zeitraum erfolgreich zu sein.
Die Herausforderung steckt deshalb im Kleingedruckten: Die "Weisheit der Vielen" wäre so zu kondensieren, dass daraus zuverlässige Prognosen und aussagekräftige Entscheidungsgrundlagen entstehen. Einen theoretisch schlüssigen Erklärungsansatz gibt es hierzu nicht. Bislang sind "technisch-soziale" Aspekte zum Marktversagen oder -erfolg im Zuge von "Herdenverhalten" und anderen marktverzerrenden Effekten in keinem schlüssigen Prognosemodell erfassbar, sodass sich Vorhersagen als wirklich belastbar und somit als beliebig reproduzierbar erweisen würden.
Das aber scheint gar nicht zwingend notwendig zu sein. Denn andererseits ist der Lerneffekt im Turbogang beim Social Trading beachtlich. Das Prinzip, nur "von den besten Aktienhändlern" zu lernen, um von deren Performance zu profitieren, kann mittelfristig durchaus erfolgsversprechend sein. Aber: Nicht der Breiten-, sondern der Spitzensport gibt hier den Ton an. Dies bedeutet eine harte Marktauslese der Besten, quasi im Minuten- und Stundentakt.
Ein heute noch erfolgreicher privater Tippgeber kann morgen schon wieder draußen vor der Türe stehen. Nur wenn der Mannschaftscoach, also der Social Trading-Plattformbetreiber, die besten Spieler bei "Versagen" sofort austauscht, sich diese also fortlaufend behaupten müssen, lässt sich eine überdurchschnittliche Performance zum Wohle des finanziellen Schwarms erzielen, was auch dem Anbieter anhaltende Mittelzuflüsse garantiert.