Der französische Cloud-Anbieter OVHCloud hat bei der EU-Kommission eine Kartellbeschwerde gegen Microsoft eingereicht. Die Vorwürfe konzentrierten sich auf die Art und Weise, wie Microsoft seine Produkte wie zum Beispiel die Office-Produktivitäts-Suite lizenziert, berichtet das "Wall Street Journal" (WSJ). Microsoft könne seine eigenen Softwareprodukte in der Azure-Cloud immer günstiger anbieten als die Cloud-Wettbewerber, zitiert das US-Medium Personen, die mit der Beschwerde vertraut seien. Zudem würde Microsofts Software in den Clouds anderer Anbieter nicht so gut funktionieren, was den Wettbewerb zusätzlich behindere.
"Durch den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung untergräbt Microsoft den fairen Wettbewerb und schränkt die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher auf dem Markt für Cloud-Dienste ein", sagte eine Sprecherin von OVHcloud dem WSJ. Die Klage sei bereits im Sommer 2021 eingereicht worden. Allerdings sickerten offenbar erst jetzt Details über die Kartellbeschwerde ans Licht der Öffentlichkeit.
Zur Sache selbst will Microsoft derzeit nicht offiziell Stellung nehmen. "Cloud-Anbieter haben viele Möglichkeiten, ihren Kunden Cloud-Dienste unter Verwendung von Microsoft-Software anzubieten, unabhängig davon, ob diese vom Kunden oder vom Partner erworben wurde", sagte ein Microsoft-Sprecher in einer Stellungnahme gegenüber dem WSJ. "Wir evaluieren kontinuierlich, wie wir Partner am besten unterstützen und Microsoft-Software für Kunden in allen Umgebungen verfügbar machen können, auch in denen anderer Cloud-Anbieter."
Kartellbehörden nehmen Microsoft ins Visier
Microsoft war zuletzt wieder schärfer ins Visier der Kartellbehörden geraten. Im Jahr 2020 beschwerte sich der inzwischen von Salesforce übernommene US-amerikanische Anbieter von Collaboration-Tools Slack Technologies bei der EU darüber, dass Microsoft die konkurrierende Teams-Software eng mit der hauseigenen Office-Software koppele. Im November 2021 beklagte sich das deutsche Cloud-Unternehmen Nextcloud beim Bundeskartellamt über Microsofts Praktiken des Product Bundling.
Nextcloud forderte, dass die Kartellwächter prüfen, ob Microsoft eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Vor allem die Koppelung von Tools wie Teams und OneDrive mit anderen Lösungen behinderten den Wettbewerb, so der Vorwurf. Microsoft habe ein "einzigartiges digitales Ökosystem über mehrere strategisch wichtige Märkte im digitalen Sektor" geschaffen, zitierte das Blatt Nextcloud-Gründer Frank Karlitschek. Dies führe zu einer "schwer angreifbaren Stellung von Microsoft für Wettbewerber". Der Softwareriese missbrauche seine Windows-Monopolstellung, um die eigenen Cloud-Services in den Markt zu drücken.
Koalition der Klagenden
Im Zuge seiner Beschwerde gründete Nextcloud eine Koalition mit anderen europäischen Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen, um Microsofts Geschäftspraktiken genauer unter die Lupe zu nehmen. Auch die Verantwortlichen von OVHcloud ließen durchblicken, dass die aktuelle Kartellbeschwerde gemeinsam mit "mehreren Unternehmen" eingereicht worden sei. Welche, das wollte der Cloud-Anbieter nicht verraten.
Deutsche Politiker wollen Internet-Konzerne regulieren
Derzeit stellen die Wettbewerbsbehörden in den USA und in Europa verstärkt die Praktiken der großen Internet- und Cloud-Konzerne auf den Prüfstand. Dazu zählen in erster Linie Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft, die sogenannte GAFAM-Clique. Der "Digital Markets Act" der EU soll die Konzerne schärfer kontrollieren. Die digitalen Plattformen könnten allein aufgrund ihrer Größe verhindern, dass Konkurrenten auf dem Markt eine Chance hätten.
Gatekeeper sollen stärker kontrolliert werden
Um die Macht der so genannten "Gatekeeper" zu begrenzen, will die EU strengere Vorgaben machen und die Onlinekonzerne stärker regulieren. Laut einem Vorschlag des Europäischen Parlaments seien Konzerne mit mehr als 80 Milliarden Euro Marktkapitalisierung als digitale Gatekeeper einzuordnen, wenn sie mindestens eine Plattform kontrollierten. Diese Gatekeeper dürften eigene Produkte und Dienstleistungen nicht mehr bevorzugt behandeln.
Die neuen Klagen gegen Microsoft kommen dem WSJ-Bericht zufolge zu einem heiklen Zeitpunkt. Mit der 75 Milliarden Dollar teuren Übernahme des Spieleentwicklers Activision Blizzard bemüht sich der Konzern derzeit um die Genehmigung der bisher größten Akquisition. Die US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) prüft, ob die Übernahme von Activision den Wettbewerb auf dem Spielemarkt erheblich beeinträchtigen würde.
"Wir müssen die Fusionskontrolle sehr ernst nehmen", sagte erst kürzlich der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, dem "Handelsblatt". Mundt warnte vor einem Kippen der Märkte und nannte als Beispiel die Erlaubnis für Facebook, mit dem Kauf von Instagram und Whatsapp sein Imperium auszubreiten. "Weltweit läuft die Gesetzgebungsmaschinerie zur Sicherung des Wettbewerbs."
"Microsoft ist ein alter Kunde der Wettbewerbsbehörden"
Auch den Cloud-Markt und die Beschwerde von Nextcloud haben die deutschen Kartelbehörden auf dem Schirm. "Microsoft ist ein alter Kunde der Wettbewerbsbehörden", sagte Mundt. Man schaue sich das an und prüfe derzeit, wie mit dieser Beschwerde umgegangen werden soll.
Der europäische Cloud-Markt ist fest in der Hand der drei großen US-amerikanischen Anbieter Microsoft, Amazon und Google. Auf diese drei entfallen nach Angaben der Synergy Research Group inzwischen fast 70 Prozent des europäischen Cloud-Geschäfts. Die Deutsche Telekom als größter europäischer Cloud-Anbieter kommt auf einen Anteil von nur zwei Prozent, gefolgt von OVHcloud mit einem Prozent, so Synergy.
Für die europäischen Cloud-Anbieter sei es schwierig gewesen, mit der Dynamik und der Geschwindigkeit der die US-amerikanischen Cloud-Anbieter zu konkurrieren, sagte John Dinsdale, Chefanalyst von Synergy, dem WSJ. Die drei US-Cloud-Anbieter würden jedes Quartal zweistellige Milliardenbeträge in ihre Cloud-Aktivitäten stecken. Da könnten die Europäer nicht mithalten. "Dies steht in krassem Gegensatz zu den lokalen europäischen Cloud-Anbietern", sagte Dinsdale.