Im Fokus des bereits zum dritten Mal ausgerichteten Microsoft Intelligent Manufacturing Award, für Microsoft-Deutschland-Chefin Marianne Janik der "Oscar der Fertigungsbranche", standen innovative digitale Lösungen, die den Wandel in der Fertigungsindustrie zur Industrie 4.0 vorantreiben.
Die Trends in diesem Jahr, so Till Hertwig von Roland Berger Consulting bei der Vorstellung der Gewinner: Es habe viele Lösungen rund um das Thema Produktionsoptimierung gegeben, entweder für die eigene Produktion oder Use Cases, um die Produktion von anderen zu unterstützen. Außerdem würden Digital Twins immer wichtiger und Standards spielten eine große Rolle. Dies sei eine positive Entwicklung hob Hertwig hervor: Nachdem es in den letzten Jahren mehr proprietäre Lösungen zu sehen gab, stehe jetzt der Plattform-Gedanke im Vordergrund.
MIMA 2021: Die Gewinner
Dürr AG: Fehleranalyse mit KI
Den Gesamtsieg errang die Dürr Systems AG aus Bietigheim-Bissingen. Der Maschinen- und Anlagenbauer wertet mit seiner Lösung DXQanalyze Produktionsdaten sowohl auf Maschinen- als auch auf Fabrikebene aus. Das Ziel ist es, in Kombination mit historischen Daten und maschinellem Lernen auch bislang unbekannte Fehlerquellen aufzuspüren und Optimierungsmaßnahmen für den Produktionsbetrieb abzuleiten. Dadurch sollen - beispielsweise bei großen Lackiermaschinen für Automobilhersteller - Maschinenstillstände verhindert und Ausschuss verringert werden.
"Bei der Lösung von Dürr ist beeindruckend, in welchem Reifegrad die KI bereits arbeitet und Anomalien prognostiziert werden", so Jury-Mitglied Prof. Dr. Oliver Niggemann vom Institut für Automatisierungstechnik an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr in Hamburg. "Mithilfe dieser technologischen Entwicklung lassen sich enorme Kostenersparnisse erzielen. Ausfälle von Produktionsanlagen werden vermindert und Materialausschuss ebenso.
Haselmeier: Echtzeitanalyse und -Problemlösung
Der fortgeschrittene Einsatz von KI und eine signifikante Produktivitätssteigerung als Use-Case-Ergebnis bescherten auch den beiden Projektpartnern Haselmeier Medizintechnik und plus10 einen Sieg, nämlich in der Kategorie "Innovate!". Das von Haselmeier und der Fraunhofer-IPA-Ausgründung gemeinsam entwickelte Software-Tool Shannon führt Echtzeitanalysen durch, um in automatisierten Produktionsanlagen der Medizintechnik- oder Pharma-Branche die technische Verfügbarkeit zu überprüfen und Performanceverluste zu identifizieren.
Bei Störungen schlägt die KI dem Personal via Smartphone passende Hinweise und Lösungen vor, basierend auf dem bestehenden Problemlösungswissen. Diese Vorschläge werden anschließend durch ein Scoring-Verfahren bewertet und durch maschinelles Lernen wieder in den Kreislauf aufgenommen, wodurch das System immer intelligenter werden soll.
WITTENSTEIN SE: Standardisierter digitaler Zwilling
Als Gewinner der Kategorie "Scale!" wurde die WITTENSTEIN SE aus Igersheim mit ihrem Partner XITASO GmbH gekürt. Wittenstein, Gründungsmitglied der Industrial Digital Twin Association e. V., nutzt die Verwaltungsschale (Asset Administration Shell) als standardisierten digitalen Zwilling, der physische Industrieprodukte mit der digitalen Welt verbindet.
In intelligenten Fabriken lassen sich auf diese Weise große Prozessverbesserungen, Effizienzgewinne und Wertschöpfungspotenziale realisieren, so die Jury. So ermögliche der auf offenen Standards und standardisierten Schnittstellen basierende digitale Zwilling eine automatisierte Parametrierung digitaler Services in gängigen IIoT-Plattformen und -Gateways, lasse sich weltweit in Produktionsanlagen interoperabel einbinden und vereinfache die Informationsbeschaffung in der Fertigung massiv.
Robert Bosch GmbH: Digital Twin für Integrated Asset Performance Management
Auch in der Kategorie "Add Value!" machte ein digitaler Zwilling das Rennen: Der Microsoft Intelligent Manufacturing Award geht an die Robert Bosch GmbH und ihren Digital Twin für Integrated Asset Performance Management (IAPM): Das Konzept: Anstatt einfach nur weiterzulaufen, bis es zu Ausfällen kommt, senden die Maschinen rechtzeitig Notrufsignale an das Personal, wenn bestimmte Fehlersymptome auftreten. Auf diese Weise sollen verborgene Ineffizienzen und Störungen schneller erkannt werden, wodurch sich Einschränkungen und Engpässe durch rein digitale Eingriffe in die Fertigung vermeiden lassen.
Indem die auf Microsoft Azure betriebene Lösung maschinengenerierte Daten sammelt und den Kunden dabei hilft, ihre Produktionsumgebung kosten- oder effizienzoptimal zu betreiben, würden komplexe Automatisierungsprojekte vereinfacht, so die Jury.
BMW Group: Edge Ecosystem bindet beliebige Endgeräte ein
Der Automobilkonzern BMW Group wiederum räumt den Preis in der Kategorie "Envision!" mit seinem BMW Group Edge Ecosystem ab: Die Lösung funktioniert beliebige Endgeräte in kompatible Edge Devices um und ermöglicht es so, diese dezentral weltweit zu verwalten und Applikationen innerhalb von Sekunden zu installieren und zu konfigurieren. Dies bietet Werksmitarbeitern die Möglichkeit, vorgefertigte Anwendungen und Algorithmen auf dezentralen produktionsnahen Edge-Geräten in Selbstbedienung zu installieren, zu konfigurieren und zu warten. Damit reduziere sich nicht nur der Aufwand für die Verwaltung pro Gerät von zwei Stunden auf 20 Minuten pro Jahr, sondern es sei auch keine IT-Erfahrung notwendig, um die neuesten Technologien wie Container-, Edge- und Cloud-Computing in der Produktion nutzen zu können.
Wienerberger AG: Automatisierte Reduzierung von Energieverbrauch und Emissionen
Die Preisträger in der erstmals eingeführten Kategorie Sustainability sind Wienerberger AG und SAS. Dem weltweit größten Ziegelproduzenten ist es gelungen, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz die Baustoffproduktion nachhaltiger zu gestalten. Der Hintergrund: Wegen der großen Schwankungen, die bei der Ziegelherstellung auftreten, stoßen konventionelle Versuche, Energieverbrauch und Emissionen zu reduzieren, schnell an Grenzen oder sind nur über größere bauliche Veränderungen der Anlagen möglich. Abhilfe schafft nur eine ständige Anpassung der Prozessparameter, um den geringsten Energieverbrauch bei bester Qualität zu erreichen. Bei Wienerberger erfolgt diese in Zukunft über Empfehlungen eines datenbasierten Modells in Echtzeit.
Um die Datenanalyselösung so schnell und in so vielen der 130 Werken wie möglich einzusetzen, wurde die dazugehörige SAS Plattform Viya in Microsoft Azure auf einem dedizierten Azure-Kubernetes-Cluster implementiert. Der erste Meilenstein wurde bereits erreicht: Eine Reduzierung der CO2-Emissionen um weit mehr als die initial gewünschten 5 Prozent.
Aufnahme in den MIMA Champions Circle
Zusätzlich zu den sechs Gewinnern schafften es mehrere andere Innovationen in die Finalrunde des MIMA 2021 und werden mit in den MIMA Champions Circle (CC) aufgenommen. Dazu gehören:
ABB AG: Flottenüberwachung in Echtzeit für Emissionsüberwachungssysteme
BASF SE: Simulationen für Designs und automatische Materialbestimmung
Continental Automotive GmbH: Ganzheitliches Industrie-4.0-Ökosystem
Covestro AG: Zentrale Datenarchitektur für Visualisierung, Untersuchung, Systemfehlerbehebung und Self-Service-Analysefunktionen
Diehl Metering: MES-Harmonisierung und Blueprint für andere Unternehmen
Festo SE & Co. KG: Automation Experience - KI für die Automatisierungstechnik
Lohmann GmbH & Co.KG: Digitaler Zwilling für einen energieeffizienten Fertigungsprozess zur umweltfreundlichen Herstellung von Hybridklebebändern
MORYX Industry von PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG: Vernetzte Fertigungsprozesse ähnlich einem Smart Home
SMART PRESS SHOP GmbH & Co. KG + Syntax: Vollautomatische IT-Infrastruktur und Produktionsanlage