Neuer Ansatz könnte Gamechanger werden

Oracle-Partner werden Public-Cloud-Betreiber

20.10.2022
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit Alloy können sich Partner und auch große Kunden die Oracle Cloud ins eigene Data Center holen und dort in eigener Verantwortung betreiben.
Oracle stößt mit seinem Alloy-Angebot in neue Cloud-Sphären vor.
Oracle stößt mit seinem Alloy-Angebot in neue Cloud-Sphären vor.
Foto: Oracle

Oracle hat auf seiner Kundenkonferenz CloudWorld (18. bis 20. Oktober in Las Vegas), eine neue Cloud-Infrastrukturplattform inklusive eines neuen Bezugsmodells für seine Cloud angekündigt. Mit Oracle Alloy sollen Dienstleister, Systemintegratoren, unabhängige Softwareanbieter und auch Anwenderunternehmen etwa aus dem Finanzdienstleistungs- oder Telekommunikationsbereich selbst Cloud-Anbieter werden und ihren Kunden entsprechende Dienste offerieren, hieß es.

Das neue Cloud-Angebot basiert auf der Oracle Cloud Infrastructure (OCI), die der Anbieter auch als PublicCloud-Angebot bereitstellt. Oracles Cloud-Stack reicht von der Infrastruktur mit Compute und Storage über Netzwerkdienste bis hin zu Management- und Plattformservices, etwa für Machine Learning. "Alloy bietet unseren Partnern die Möglichkeit, unser geistiges Eigentum im Zusammenhang mit OCI zu übernehmen und eine eigene Public-Cloud zu betreiben", erklärte Karan Batta, Vice President für das Produktmanagement bei Oracle. Die Partner des Softwarehauses könnten damit als selbständige Public-Cloud-Anbieter auftreten.

Darüber hinaus können Alloy-Partner Oracles Cloud-Stack um eigene Anwendungen und Dienste erweitern, um beispielsweise Anforderungen bestimmter Märkte und Branchen zu adressieren. Alloy lässt sich im eigenen Rechenzentrum nutzen, so dass Kunden dort den Betrieb vollständig und unabhängig kontrollieren können. Das wird wichtig, wenn es darum geht, spezifische gesetzliche Regularien zu erfüllen, beispielsweise für Kunden aus dem Public Sector. Oracle bietet aber auch an, Alloy in der Oracle-Cloud zu betreiben - sozusagen als Cloud in der Cloud.

Mehr Unabhängigkeit mit eigener Cloud

Mit Alloy verspricht das Unternehmen seinen Kunden mehr Unabhängigkeit. Sie könnten den Cloud-Betrieb in eigener Verantwortung steuern. Dazu gehöre die Wahl des Standorts ihres Rechenzentrums, das Personal und die Art des Zugriffs auf die Cloud. Auch die Anforderungen an die Ausführung bestimmter Softwareversionen und die Kontrolle darüber, wann diese aktualisiert werden, fällt in die Zuständigkeit des Alloy-Partners oder -Kunden.

Die Art und Weise, wie Partner die Alloy-Cloud vermarkten wollen, steht ihnen ebenfalls frei. Sie können die Cloud-Services unter ihrer eigenen Marke anbieten. Außerdem behalten sie die Kontrolle über Geschäftsbedingungen, Kundenbeziehungen und Kontaktpunkte, versprechen die Oracle-Verantwortlichen. Darüber hinaus könnten die Partner ihre eigenen Preise, Tarife und Rabattpläne festlegen. Und sie könnten individuelle Support-Strukturen und Service-Levels definieren.

Oracle Alloy bietet zudem die Möglichkeit, den eingerichteten Cloud-Stack um Software und Hardware zu erweitern. Oracle offeriert Partnern dafür die gleichen Entwickler-, UX-, Devops- und Sicherheitstools, die der Hersteller selbst für die Entwicklung seiner nativen OCI-Services verwendet. Den Softwerkern zufolge lassen sich auch bestimmte Hardware-Appliances anderer Hersteller und auch Mainframes in Alloy integrieren.

Oracle wäre allerdings nicht Oracle, wenn der Anbieter nicht auch seine eigenen Lösungen mit ins Spiel brächte. So dient der Anbieter seinen Alloy-Partnern die eingebetteten Finanzmanagement-Funktionen aus dem Cloud-ERP-Angebot Oracle Fusion an. Damit lasse sich der gesamten Kundenlebenszyklus verwalten, einschließlich der Rechnungsstellung und Fakturierung für deren Kunden, wirbt Oracle.

Hell freezes over

Die Offenheit ist indes neu. So vermied es Oracle-Gründer und Technikchef Larry Ellison in diesem Jahr, in seiner Keynote auf der CloudWorld über die Konkurrenz herzuziehen, wie er es in der Vergangenheit gerne getan hat - die AWS-Verantwortlichen wissen ein Lied davon zu singen. Stattdessen schlug Ellison in Las Vegas ganz andere Töne an. Anwenderunternehmen hätten meist mit mehreren Anbietern und Anwendungen zu tun, wenn sie Infrastruktur in der Cloud kaufen, sagte er. "Diese Tatsache verändert das Verhalten der Technologieanbieter."

Larry Ellison schlug auf der CloudWorld ungewohnt sanfte Töne an und kündigte eine engere Zusammenarbeit mit anderen Anbietern an.
Larry Ellison schlug auf der CloudWorld ungewohnt sanfte Töne an und kündigte eine engere Zusammenarbeit mit anderen Anbietern an.
Foto: Oracle

Es sei eine gute Idee, alle wichtigen Clouds miteinander zu verbinden, so dass die Kunden die Wahl hätten, merkte Ellison an. "Die Mauern fallen", sagte der Unternehmensgründer, "es sollte ein Internet der Clouds geben. Die Clouds sollten miteinander verbunden sein, und Kunden sollten zwischen mehreren Clouds wählen und diese anpassen können." Als Beispiele für die neue Offenheit nannte der Manager die Zusammenarbeit von Oracle mit Microsoft und die eigene MySQL-Heatwave-Datenbank, die jetzt in AWS, Azure und der Oracle-Cloud läuft.

Oracle hatte zuletzt sein Cloud-Angebot sukzessive erweitert. 2020 wurde die Oracle Cloud Infrastructure Dedicated Region vorgestellt. Damit sollten Kunden die Oracle-Cloud im eigenen Rechenzentrum betreiben können. Erst im Juni 2022 hatte der Anbieter seine Preise und damit die Einstiegshürden für dieses Angebot gesenkt. Der Unterschied zu Alloy: Die Dedicated Regions laufen zwar in den Data Center der Kunden, um den Betrieb der Cloud kümmert sich allerdings weiterhin Oracle. Das ist bei Alloy anders: Hier erhalten die Kunden den vorintegrierten Stack von Oracle an die Hand und sind auch selbst für den Betrieb verantwortlich.

"Heute gehen wir noch einen Schritt weiter, indem wir unseren Partnern die Möglichkeit geben, Cloud-Anbieter zu werden, damit sie neue Services schneller entwickeln und spezifische Markt- und Regulierungsanforderungen erfüllen können", so Clay Magouyrk, Executive Vice President für den Bereich OCI. Als Cloud-Anbieter hätten Partner mehr Kontrolle über das Angebot für ihre Zielkunden oder -branchen, einschließlich des Standorts der Workloads und der Art und Weise, wie ihre Cloud betrieben wird.

Kunden fragen nach Branchen-Clouds

"Oracle Alloy könnte für Endkunden interessant sein, die ihre Cloud-Umgebungen in der Nähe haben möchten, sei es aus Gründen der Leistung, der wachsenden Datensouveränität oder einfach, um auf vertraute Beziehungen zu bestehenden Dienstanbietern zu setzen", sagte Chris Kanaracus, Research Director bei IDC. Außerdem würden immer stärker branchenspezifische Cloud-Services nachgefragt. Die Cloud entwickele sich zunehmend zu einer Infrastruktur, die nicht an einen bestimmten Standort gebunden sei, sondern sich eher als ein konsistentes Betriebsmodell für die IT präsentiere. "Oracle Alloy spiegelt diese Trends wider."

Aus Sicht von Gartner-Analyst Sid Nag hat Oracle zuletzt gegenüber den dreiHyperscalern AWS, Microsoft Azure und Google Cloud aufgeholt. Hinsichtlich des Stacks und der dazugehörigen Features müsse sich Oracle nicht mehr vor der Konkurrenz verstecken. Im Gegenteil. Mit dem Alloy-Angebot habe Oracle sogar die Nase vorn. Nag spricht sogar von einem Game-Changer. Ein vergleichbares Angebot finde sich nicht in den Cloud-Angeboten der Wettbewerber.

Oracle baut souveräne EU-Cloud

Aber es gibt durchaus auch Haken, schränkt Nag ein. Oracle Alloy könne nicht von jedem x-beliebigen Unternehmen aufgesetzt werden. Die damit verbundene Komplexität erfordere IT-Infrastrukturerfahrung. Es bleibe also abzuwarten, wie viele Partner sich darauf einließen. Alloy sei definitiv nichts für kleine Dienstleister und Managed Service Provider (MSPs). Oracle will Alloy ab sofort anbieten, allerdings vorerst in einem begrenzten Umfang - wohl auch, um Erfahrungen zu sammeln und zu lernen, wie das Angebot angenommen wird. Ab Anfang 2023 soll Alloy dann in vollem Umfang allgemein verfügbar sein.