HP Enterprise fordert Schadensersatz

Oracle hat Ärger

13.06.2016
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Im Zuge des Streits um die Unterstützung der Itanium-Plattform fordert HP Enterprise (HPE) drei Milliarden Dollar Schadensersatz von Oracle. Doch das ist längst nicht der einzige Gerichtsstreit, den Oracle derzeit auszufechten hat.

Der Streit zwischen den beiden IT-Giganten Hewlett-Packard Enterprise (HPE) und Oracle geht in die nächste Runde. HPE will vor dem obersten Gerichtshof Kaliforniens in San Jose drei Milliarden Dollar Schadensersatz von Oracle erstreiten. Der Grund: Oracle hatte 2011 angekündigt, den Support seiner Software für die auf Intels Intanium-Chip basierende Serverplattform von Hewlett Packard einzustellen. Dagegen klagten die HP-Verantwortlichen und verwiesen auf einen Vertrag aus dem Jahr 2010, in dem sich Oracle eben dazu verpflichtet hatte, die Itanium-Plattform so lange zu unterstützen, bis HP diese selbst einstelle. 2012 entschied ein US-Gericht, Oracle müsse tatsächlich die entsprechende Software für die Itanium-Plattform zur Verfügung stellen. Eine Berufung Oracles gegen diesen Richterspruch wurde 2013 abgewiesen.

Da war der Schaden allerdings schon längst angerichtet, argumentierten die HP-Verantwortlichen. Die Entscheidung Oracles habe die eigenen Kunden massiv verunsichert und dementsprechend seien die Verkäufe von Itanium-Servern eingebrochen. Nachdem die Richter 2012 geurteilt hatten, die Höhe des Schadenersatzes müsse in einem separaten Verfahren ermittelt werden, kommt nun vier Jahre später wieder Bewegung in die Sache.

Eiszeit zwischen Oracle und Hewlett-Packard

Das Verhältnis zwischen den einstigen Partnern im weltweiten IT-Geschäft ist seit Jahren auf einem Tiefpunkt. Begonnen hatten die Misstöne im Jahr 2010, als Oracle den Server-Hersteller Sun Microsystems für 5,3 Milliarden Dollar schluckte und damit die unmittelbare Konkurrenz zu HP verschärfte. Für schlechte Stimmung sorgte im gleichen Jahr die Verpflichtung von Ex-HP-Chef Mark Hurd durch Oracle-Gründer Lawrence Ellison. Ellison bezeichnete damals die Entlassung Hurds bei HP, als die "dümmste Personalentscheidung, seit die Idioten im Aufsichtsrat von Apple Steve Jobs rausgeschmissen haben".

Hurds Entlassung bei HP hatte damals einen faden Beigeschmack. Dem Manager waren Unregelmäßigkeiten bei Spesenabrechnungen und sexuelle Belästigung einer Mitarbeiterin vorgeworfen worden. Zumindest der zuletzt genannte Vorwurf ließ sich allerdings nie erhärten. Als Hurd kurz darauf als President bei Oracle anheuerte, beklagten sich HP-Vertreter, dessen Insider-Wissen verschaffe dem Konkurrenten unfaire Vorteile. Beide Kontrahenten überzogen sich in der Folge gegenseitig mit einer Reihe von Klagen.

HPE contra Oracle: Es geht um Vertragsbruch

Das alles kumuliert nun in der Milliarden-Dollar-schweren Schadensersatzforderung seitens HPE. Oracle habe klare vertragliche Verpflichtungen arglistig gebrochen, um seinen eigenen mit der Sun-Übernahme zugekauften Servern einen Vorteil zu verschaffen, hieß es von Seiten der HPE-Verantwortlichen im Vorfeld des Verfahrens. Oracle müsse für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen werden, die große Verunsicherung unter den Kunden und Milliarden-Schäden für HP verursacht hätten.

Oracle dagegen spricht von verwunderlichen Schadenssummen angesichts der Tatsache, dass sich der Risc/Itanium-Server-Markt schon lange in einer Abwärtsspirale befinde. Obwohl HP jede Software von Oracle habe, die sie haben wollten, fordere das Unternehmen drei Milliarden Dollar und berufe sich dabei auf eine Presseerklärung, sagte eine Oracle-Anwältin. "Aber Technik stirbt nicht wegen einer Presseerklärung, sondern sie stirbt, weil eine bessere Technik nachkommt." Wann die Entscheidung in diesem Streit fällt, ist derzeit nicht abzusehen. Experten erwarten jedoch, dass das Verfahren einige Wochen dauern wird.

Oracle contra HPE: Es geht um Urheberrechtsverletzungen

Der Streit um die Itanium-Unterstützung ist nicht das einzige Scharmützel, das sich Oracle und HPE derzeit vor Gericht liefern. Beide IT-Konzerne streiten sich auch anderer Stelle. So hat Oracle vor wenigen Wochen Klage gegen HPE eingereicht, weil der Konkurrent angeblich Urheberrechte verletzt habe. Konkret geht es um Supportdienste, die HPE für Oracles Solaris-Plattform anbietet. Dabei verweist Oracle auf ein Verfahren gegen das Unternehmen Terix, das ebenfalls Support für Solaris angeboten habe. Im Juni 2015 habe ein US-Gericht Terix dazu verurteilt, 58 Millionen Dollar Schadensersatz an Oracle zu zahlen, weil das Unternehmen im Zuge seiner Wartungsleistungen unberechtigt Solaris-Updates verwendet habe und so Urheberrechte Oracles verletzt worden seien. Nun habe HPE ebenfalls Support-Dienste angeboten, die auf Terix-Produkten basierten. Damit verletze HPE die Rechte an Oracle-Software.

Oracle klagt daher vor einem Bezirksgericht in Nord-Kalifornien wegen Urheberechtsverletzungen, bewusstem Vertragsbruch sowie unfairem Wettbewerb und fordert Schadensersatz. Mit dieser Art von Verfahren war Oracle schon einmal erfolgreich. Der US-Konzern hatte die SAP-Tochter TomorrowNow vor den Kadi gezerrt und dem Drittanbieter von Software-Wartungsleistungen die illegale Nutzung von Oracle-Software vorgeworfen. SAP musste die Verfehlungen seines Tochterunternehmens, das zwischenzeitlich dicht gemacht worden war, einräumen, und nach einem jahrenlangem Rechtsstreit schließlich 360 Millionen Dollar Schadensersatz an Oracle zahlen.

Doch das Justiz-Glück war Oracle in jüngster Vergangenheit nicht immer hold. Erst Ende Mai war der US-amerikanische Softwarekonzern damit gescheitert, von Google Schadensersatz in Höhe von neun Milliarden Dollar wegen Verletzung von Softwarepatenten einzuklagen. Ein Bundesgericht in San Francisco beurteilte Googles Nutzung von Java-Schnittstellen als "Fair Use". Auch dieses Verfahren zog sich bereits über Jahre und verschiedene Instanzen hin - und dürfte auch jetzt noch nicht zu Ende sein. Oracle hat jedenfalls angekündigt, erneut in die Berufung gehen zu wollen.

Kreativität bei der Verbuchung von Cloud-Umsätzen

Auch an anderer Stelle droht Oracle Ärger. Eine ehemalige Angestellte des Konzerns, Svetlana Blackburn, hat den Konzern vor einem US-Bezirksgericht verklagt. Der Grund: Sie sei entlassen worden, weil sie sich geweigert habe, Umsätze entsprechend der Anweisung ihrer Vorgesetzten falsch zu verbuchen. Diese hätten sie aufgefordert, das Cloud-Geschäft Oracles mit unsauberen Methoden künstlich aufzublähen. Als sie die Missstände anprangerte, sei sie innerhalb weniger Wochen gefeurt worden, obwohl sie kurz zuvor noch eine positive Job-Bewertung ihres Arbeitgebers erhalten hatte.

Spekulationen, Anbieter würden ihre Cloud-Einnahmen künstlich aufblasen, gibt es schon seit längerem. Erst kürzlich hatte Gartner eine Studie veröffentlicht, wonach die Anbieter offenbar einiges an Kreativität entwickelten, was die Verbuchung von Cloud-Einnahmen angehe.

Oracle will von Unregelmäßigkeiten indes nichts wissen. Der Konzern ließ in einem Statement verlautbaren: "Wir sind sicher, dass unsere Cloud-Buchungen korrekt sind. Die ehemalige Angestellte hat weniger als ein Jahr für Oracle gearbeitet und dies auch nicht in der Finanzbuchhaltung. Sie wurde wegen schlechter Leistungen entlassen und wir beabsichtigen sie wegen übler Nachrede und Verleumdung zu verklagen."