Project Titanium-X

OpenText baut sein Cloud-Angebot aus

05.05.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
OpenText will zur Schaltzentrale für sämtliche Informationsflüsse in den Unternehmen werden. Dazu muss der Anbieter aber erstmal die Micro-Focus-Übernahme verdauen und sein Portfolio neu sortieren.
Mit der Übernahme von Micro Focus gehört OpenText zu den ganz großen Softwareanbietern dieser Welt. Doch auch die Integrationsaufgaben sind groß.
Mit der Übernahme von Micro Focus gehört OpenText zu den ganz großen Softwareanbietern dieser Welt. Doch auch die Integrationsaufgaben sind groß.
Foto: Sundry Photography - shutterstock.com

Alle Branchen verändern sich, und jedes Unternehmen muss sich transformieren, lautete die Botschaft von Mark Barrenechea, CEO und CTO von OpenText, an seine Kunden anlässlich einer Veranstaltung Ende April 2023 in München. Damit kämen allerdings auch etliche Herausforderungen auf die Anwenderunternehmen zu. Neue Mitarbeiter der Generationen Y und Z stellten andere Anforderungen an ihre Arbeitgeber als ältere Kolleginnen und Kollegen. Darüber hinaus gelte es etliche neue Regularien zu erfüllen, beispielsweise was Compliance, Datenschutz oder Klima- und Energievorgaben betrifft.

Barrenechea warnte an dieser Stelle vor einer Balkanisierung des Internets. Regierungen, die neue Regeln aufstellten, müssten darauf achten, das Netz nicht aufzuspalten und aus dem World Wide Web ein Patchwork zu machen. Das würde die digitale Transformation unnötig verkomplizieren und vor allem zusätzliche Kosten für die Anwenderunternehmen verursachen.

Mark Barrenechea, CEO und CTO von OpenText, warnt vor einer Balkanisierung des Internets.
Mark Barrenechea, CEO und CTO von OpenText, warnt vor einer Balkanisierung des Internets.
Foto: OpenText

Der OpenText-Chef verwies auf die vielen Möglichkeiten, die neue digitale Lösungen den Betrieben eröffneten. Der Manager, der OpenText seit 2012 als CEO leitet, hat dabei nicht zuletzt Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und Mixed Reality (MR) im Sinn. Er betonte auch die fortschreitende Miniaturisierung von digitalen Techniken. Gerade aus dem Internet of Things (IoT) gebe es immer mehr Signale, die Daten generierten. Dafür benötigten die Unternehmen ein funktionierendes Information Management.

OpenText baut am Intelligent Information Core

Hier brachte Barrenechea OpenText ins Spiel. Der kanadische Softwareanbieter stehe an der Schwelle zu einer neuen technologischen Ära, sagte der CEO in München. Man wolle sich als zentrale Drehscheibe für das Informationsmanagement bei seinen Kunden positionieren. Barrenechea spricht von einem "Intelligent Information Core", der Anwenderunternehmen helfen soll, im "Internet of Clouds" den Durchblick zu bewahren und Ordnung zu halten.

Mit der Übernahme von Micro Focus habe OpenText ein komplett neues Portfolio, sagt Chief Product Officer (CPO) Muhi Majzoub.
Mit der Übernahme von Micro Focus habe OpenText ein komplett neues Portfolio, sagt Chief Product Officer (CPO) Muhi Majzoub.
Foto: Opentext

Bevor es so weit ist, hat OpenText allerdings noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Chief Product Officer (CPO) Muhi Majzoub bezifferte die Zahl der eigenen Softwareprodukte auf über 750. Gerade mit der Ende Januar 2023 abgeschlossenen Akquisition von Micro Focus sind jede Menge weiterer Softwarelösungen hinzugekommen, die die Kanadier nun erst einmal richtig einsortieren müssen. Mit Micro Focus habe OpenText ein komplett neues Portfolio, sagte Majzoub.

Cloud-Pakete, Branchenpakete und Funktionspakete

Der Softwareanbieter ordnet seine Lösungen nach unterschiedlichen Kriterien. So gibt es Cloud-Pakete für Content, Experience, Developer, Security und das Business Network. Als Querschnittsangebot positioniert OpenText zudem Tool-Suiten für AI & Analytics sowie für Process Automation. Darüber hinaus schnürt der Anbieter Lösungspakete für diverse Branchen, darunter Automotive, Finanzdienstleister, das Gesundheitswesen und Energieversorger. Auch für Fachabteilungen wie Vertrieb, Customer Service, Finanzbuchhaltung oder Personalverwaltung gibt es gesonderte Angebote.

Angesichts des breit gefächerten Portfolios braucht OpenText eine passende Klammer für seine Softwarestrategie. Die soll im Rahmen des Projekts Titanium gefunden werden. Dafür hat OpenText im Rahmen des Innovation Summits gerade erst seine Cloud Editions (CE) 23.2 vorgestellt. Der Hersteller bezeichnet damit eine vollständige Suite von SaaS-Lösungen in den Bereichen Content Management, Cybersecurity, Service Management und Anwendungsbereitstellung. Sie werden Multi-tenant-fähig in der Public Cloud bereitgestellt.

Mit dem jüngsten Release 23.2 habe man die geografische Abdeckung und die Compliance-Standards der OpenText Cloud erweitert und neue Funktionen für Unternehmen in regulierten Branchen oder komplexen Umgebungen eingeführt, die OpenTexts Software in einer Private Cloud anwenden. Schließlich sei im Rahmen von Titanium Partnern und Kunden auch die nächste Generation von APIs bereitgestellt worden. Damit sollen sich Anwendungen von Dritten mit der OpenText-Plattform koppeln und auch eigene Apps schreiben lassen.

Titanium-X: mehr KI für die OpenText-Plattform

In den kommenden Jahren soll das Titanium-Projekt eine neue Stufe erreichen, bei OpenText ist von Titanium-X die Rede. Dabei geht es dem Management vorrangig darum, die Entwicklung der eigenen Cloud-Roadmap noch schneller voranzutreiben. Barrenechea bezifferte das Entwicklungsbudget im Cloud-Bereich für das kommende Jahr auf 1,2 Milliarden Dollar. Neben einem Cloud-first-Ansatz verfolgt OpenText mit Titanium-X auch das Ziel, KI-Modelle in seiner Plattform zu verankern. Außerdem sollen mehr Compliance-Standards unterstützt und weitere Schnittstellen integriert werden. Last but not least will der Hersteller die User Interfaces (UIs) seiner verschiedenen Lösungen modernisieren und weitestgehend vereinheitlichen.

OpenText steht vor gewaltigen Aufgaben. Neben der Weiterentwicklung des Produktportfolios müssen die Kanadier die größte Akquisition der Firmengeschichte verdauen. Seit Ende Januar gehört Micro Focus zum Unternehmen. 5,8 Milliarden Dollar hat sich der Hersteller den britischen Softwareanbieter kosten lassen. "Wir verfolgen einen strukturierten und disziplinierten Ansatz im Zusammenhang mit Mergers und Acquisitions", kommentierte Barrenechea die Übernahme. In den vergangenen sechs Monaten habe man einen Integrationsplan erarbeitet.

Die Integration werden allerdings nicht alle Mitarbeiter begleiten. Die OpenText-Verantwortlichen haben bereits angekündigt, dass in dem kombinierten Unternehmen acht Prozent der Stellen abgebaut werden sollen. OpenText beschäftigt rund 14.800 Mitarbeitende, durch die Micro-Focus-Übernahme kommen weitere 11.000 hinzu. Von den über 25.000 Stellen sollen nun 2.000 wegfallen. Der Anbieter beziffert die erwarteten Kosteneinsparungen auf rund 400 Millionen Dollar.

Barrenechea: Micro-Focus-Übernahme war ein guter Deal

OpenText muss aufpassen, nicht die gleichen Fehler zu machen, wie vorher Micro Focus. Die Briten haben in ihrer Firmengeschichte viele Unternehmen zugekauft. 2016 übernahm Micro Focus für 2,5 Milliarden Dollar den Großteil des Softwarebereichs von Hewlett Packard Enterprise (HPE), hat sich damit allerdings verhoben. Die komplexe Integration brachte den Konzern in Schieflage. 2018 büßte der Anbieter nach eine Gewinnwarnung über 50 Prozent seines Börsenwerts ein. In den Folgejahren schrumpften die Umsätze - von fast 3,4 Milliarden Dollar im Fiskaljahr 2019 auf knapp 2,9 Milliarden Dollar im Finanzjahr 2021.

Störfeuer: IBM verklagt Micro Focus

OpenText-Chef Barrenechea ist trotz der Risiken zuversichtlich. Der Manager bezeichnete die Übernahme von Micro Focus als guten Deal. Seinen Kunden versprach er eine neue Generation von Informationsmanagement-Software, die dabei helfen soll, die digitale Transformation voranzutreiben, Wachstum zu sichern und Kosten zu senken. Barrenechea setzt darauf, mehr Schwung in die eigene Software-Roadmap zu bekommen. Alle 90 Tage sollen neue Produkte und Funktionen hinzukommen.