Nach dem dramatischen Abgang Sam Altmans als Chef von OpenAI, seinem nur wenige Stunden währenden Zwischenspiel bei Microsoft und seiner triumphalen Rückkehr auf den Chefsessel des KI-Startups wenige Tage später, werden die Karten im wichtigsten KI-Startup neu gemischt. Nicht nur an der operativen Spitze, sondern auch im Hintergrund, vor allem im Board, formieren sich die Kräfte neu. Das sind die Gewinner und Verlierer im OpenAI-Drama:
OpenAI - die Gewinner
Neu an der Spitze des Boards steht Bret Taylor. Der 43-jährige Manager startete seine IT-Karriere bei Google und setzte sie bei Facebook fort. Taylor gilt als Erfinder des Like-Buttons. 2012 gründete er Quip, den Anbieter einer Cloud-basierten Collaboration-Plattform, die 2016 von Salesforce übernommen wurde. Dort arbeitete sich Taylor vom Chief Product Officer (2017) über den Chief Operating Officer (COO) bis zum Co-CEO (2021) neben Marc Benioff hoch. Im November 2022 kündigte der Manager überraschend an, Ende Januar 2023 seine Posten bei Salesforce niederlegen und das Unternehmen verlassen zu wollen. Seitdem betätigte sich Taylor als Kapitalgeber für KI-Startups. Die Nähe zum Thema KI könnte mit ein Grund gewesen sein, ihn bei OpenAI ins Board zu holen.
Einen ganz anderen Hintergrund als Taylor hat Larry Summers, ebenfalls ein neues Gesicht im OpenAI-Verwaltungsrat. Der bald 69-jährige Ökonom und Politiker war Anfang der 90er Jahre Chefökonom der Weltbank. Von 1999 bis 2001 war Summers Finanzminister im Kabinett von Bill Clinton. Danach wechselte er als Präsident an die Spitze der renommierten Harvard University. Diesen Posten musste er allerdings 2006 wieder räumen, nachdem er sich abfällig über Frauen geäußert hatte.
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Summers reüssierte aber schon bald wieder in der Politik. Unter Barack Obama wurde der Wirtschaftswissenschaftler als Berater in den Nationalen Wirtschaftsrat berufen. Ende 2010 schied er dort aus, um als Universitätsprofessor nach Harvard zurückzukehren. Experten mutmaßen, Summers sei wegen seiner guten Verbindungen in die Politik in das Board von OpenAI berufen worden. Angesichts der vielfältigen Bestrebungen, die KI-Entwicklung und ihren Einsatz scharf zu regulieren, ist es sicher kein Nachteil, einen starken Lobbyisten im Team zu haben.
Weiter im OpenAI-Board, allerdings in einer gestärkten Rolle, ist Adam d'Angelo. Der Gründer von Quora, einer Plattform, auf der User alle möglichen Fragen stellen und von Experten Antworten erhalten können, sitzt bereits seit 2018 im Verwaltungssrat. Vor der Gründung seines Startups 2009 hatte D'Angelo viele Jahre bei Facebook gearbeitet, unter anderem von 2006 bis 2008 als Chief Technology Officer (CTO). In dieser Rolle war der 39-Jährige ein Vorgänger von Bret Taylor, der diesen Job von 2010 bis 2012 innehatte. Insidern zufolge war es nicht D'Angelo, der an Altmans Stuhl gesägt hat. Er soll auch eine der treibenden Kräfte gewesen sein, die für die Rückkehr des Mitbegründers sorgten.
Ein weiterer heimlicher Gewinner im OpenAI-Drama dürfte Microsoft-CEO Satya Nadella sein. Der Softwarekonzern hatte 13 Milliarden Dollar in das GenAI-Startup investiert, obwohl dessen Firmenkonstruktion nicht vorsieht, Investoren einen Sitz im Aufsichtsrat und damit Kontrolle zu gewähren. Das könnte sich nach den Querelen an der Firmenspitze nun ändern. Nadella ließ in einem Interview mit dem US-Sender CNBC durchblicken, dass sich die Steuerung von OpenAI ändern müsse. Es brauche mehr Stabilität und Verlässlichkeit. Angeblich laufen bereits Verhandlungen darüber, wie Microsoft und andere Großinvestoren mehr Einfluss bei OpenAI bekommen sollen.
OpenAI - die Verlierer
Ihre Posten im Board von OpenAI verloren haben Helen Toner und Tasha McCauley. Toner, Wissenschaftlerin an der Georgetown University, und McCauley, Forscherin der Rand Corporation, hatten in der Vergangenheit immer wieder darauf gedrängt, in der KI-Entwicklung die Aspekte Sicherheit und Ethik nicht zu vernachlässigen. Altman sah die beiden offenbar immer mehr als Bremserinnen. Er wollte die Entwicklungsgeschwindigkeit eher forcieren. Toner und McCauley betrieben denn auch den Rausschmiss von Altman. Nach seiner Rückkehr sind beide ihre Ämter los.
Dass sie mir ihren Warnungen möglicherweise nicht ganz falsch lagen, zeigt unterdessen ein aktueller Artikel der nachrichtenagentur reuters. Demnach sollen zwei OpenAI-Forscher das Management unmittelbar vor dem Rauswurf Altmans gewarnt haben, dass in den Labors ein "mächtiger KI-Algorithmus" entstanden sei, der die gesamte Menschheit bedrohen könne. Allerdings kann Reuters das Memo nicht vorlegen, und die beiden Insider hüllen sich in Schweigen.
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Eindeutiger Verlierer der Rochaden in OpenAIs Chefetage ist auch Emmett Shear. Nur wenige Tage konnte sich der 40-jährige Manager als CEO an der Spitze von OpenAI halten. Nach dem Rauswurf von Altman hatte der Verwaltungsrat den langjährigen Twitch-CEO, der diese Rolle erst im März 2023 niedergelegt hatte, als Nachfolger berufen. Shear gilt als kritischer Geist, was den KI-Einsatz betrifft. In der Vergangenheit hatte er wiederholt auf die Gefahren verwiesen, die der Menschheit durch KI drohen könnten. Mit der Rückkehr Altmans zu OpenAI dürfte Shears CEO-Intermezzo eines der kürzesten in der Wirtschaftsgeschichte der Vereinigten Staaten gewesen sein.
Noch unklar ist, welche Rolle Ilya Sutskever künftig bei OpenAI spielen wird. Der Mitbegründer und Chefwissenschaftler, der ebenfalls einen Sitz im Board hatte, stand zu Beginn der Revolte im Lager derer, die Altman loswerden wollten. Später bedauerte er sein Verhalten und schlug sich auf die Seite der OpenAI-Angestellten, die vehement Altmans Rückkehr forderten. Seinen Posten im Verwaltungsrat ist Sutskever erst einmal los. Wie die künftige Rolle des russisch-israelisch-kanadisch-stämmigen KI-Experten bei OpenAI aussehen könnte, ist derzeit noch nicht abzusehen.
Sutskever gilt als enger Vertrauter des dritten Mitbegründers Greg Brockman, der zum Zeitpunkt des Altman-Sturzes als Verwaltungsratschef und President fungierte und das Unternehmen aus Protest zusammen mit Altman verließ. Auch seine Zukunft im Unternehmen ist unklar. Im neuen Board ist Brockman nicht vertreten. Zwischenzeitlich hieß es, der studierte Mathematiker und informatiker werde ebenfalls bei Microsoft anheuern. Doch während die triumphale Rückkehr Altmans groß gefeiert wurde, blieb es um Brockman still.
Der Machtkampf bei OpenAI dürfte entschieden sein, doch hinter den Kulissen wird wohl weiter um die Details der künftigen Strukturen und Ausrichtung gerungen. Am künftigen Unternehmenskonstrukt wird wohl noch mit heißer Nadel gestrickt. Auf der Website des GenAI-Anbieters sind derzeit noch die alten Protagonisten zu finden (Stand 23. November 2023):
"OpenAI is governed by the board of the OpenAI Nonprofit, comprised of OpenAI Global, LLC employees Greg Brockman (Chairman & President), Ilya Sutskever (Chief Scientist), and Sam Altman (CEO), and non-employees Adam D'Angelo, Tasha McCauley, Helen Toner."