Weiterbildungstrends

Online-Training boomt - auch künftig?

26.04.2021
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Wohin geht die Reise der betrieblichen Aus- und Weiterbildung? Vor Corona fast nur Präsenzkurse, jetzt so gut wie nur Online-Unterricht. Und nach Corona? Antworten gaben Bildungsexperten auf einer virtuellen Tagung.
Corona bewirkt, dass die betriebliche Aus- und Weiterbildung einen großen Digitalisierungsschub erfährt und Online-Training in Sachen Schulung zu einer festen Größe in Unternehmen wird.
Corona bewirkt, dass die betriebliche Aus- und Weiterbildung einen großen Digitalisierungsschub erfährt und Online-Training in Sachen Schulung zu einer festen Größe in Unternehmen wird.
Foto: Andrew Angelov - shutterstock.com

Eine erste interessante Antwort, die es sicher noch in den nächsten Wochen zu diskutieren gilt, lautet: Wie viel Präsenzunterricht wird es nach COVID-19 geben und wie viel wird virtuell stattfinden? Klaus Zimmermann, Leiter Training und Consulting des Festo Lernzentrums Saar, wagt eine erste Prognose: Seiner Meinung nach könnte es sich in einem Verhältnis von 30 bis 40 Prozent online zu 60 bis 70 Prozent Präsenzunterricht einpendeln.

Zimmermann freut sich einerseits über diesen Trend in Richtung des virtuellen Lernens, weil er der Trainingsbranche einen enormen Schub auch bezüglich Digitalisierung gebracht habe. Er beobachtet aber auch, dass nicht jeder Dozent von den digitalen Angeboten begeistert ist.

Apropos Digitalisierung: Der zielgerichtete Einsatz von Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) im Training habe die Einarbeitungszeit bei einigen Arbeitsvorgängen um bis zu 80 Prozent reduziert, berichtet der Leiter des Lehrzentrums. Bisher stand der Festo-Mitarbeiter an einer realen Anlage, an einem Montageplatz und wurde on the Job eingearbeitet - jetzt findet ein Großteil des Lernens digital statt.

Hybride Seminarmodelle zur Weiterbildung

Zu Corona-Zeiten schaffte es Festo Didactic, das Kursangebot auf Online-Nutzung umzustellen und alle Zielgruppen einzubeziehen. So hat Festo für seine Produktionsmitarbeiter, die keinen eigenen Account und Zugang zu einem Rechner hatten, die Möglichkeit realisiert, vom eigenen Gerät auf die Trainingsangebote der Firma zuzugreifen.

Einfacher war es dagegen für die Bürobeschäftigten, die zu Hause bereits die nötige Infrastruktur besaßen, um die Lernangebote virtuell nutzen zu können. Letzten Endes, so Zimmermann, gehe es um die Frage, wie man es als Arbeitgeber hinbekommt, diese veränderte Lernkultur weiterzuentwickeln, um möglichst viele Menschen auf die digitale Reise mitzunehmen. Künftig, so der Plan, möchte Festo Didactic hybride Seminarmodelle anbieten. Das heißt, der Mitarbeiter soll entscheiden, ob er eher eine Präsenzveranstaltung besuchen oder online lernen will.

Learning by Doing

Auch Peter Albrecht, geschäftsführender Gesellschafter der GEBIFO - Gesellschaft zur Förderung von Bildungsforschung und Qualifizierung, ist der Auffassung, dass "sich alles, was am Arbeitsplatz stattfindet, digital begleiten lässt". Es gehe also darum, die digitale Unterstützung an den Arbeitsplatz zu bringen. Teilweise sei es schon so - daran arbeiteten die Maschinenhersteller mit Hochdruck -, dass ihre Geräte Selbstlern- und Erklärmodule beinhalteten, um das Training vor Ort zu erleichtern. Der Weiterbildungsprofi zitiert eine Studie, wonach jetzt schon in 87 Prozent der Fälle Learning by Doing und in 76 Prozent der Fälle Training on the Job stattfindet - für ihn nochmals eine Bestätigung, dass dem arbeitsplatzorientierten Lernen die Zukunft gehört.

Albrecht ist allerdings überzeugt, dass Präsenzkurse immer dann wichtig sind, wenn es darum geht, "Handlungsfähigkeit sichtbar zu machen", wenn Geräte anzufassen oder Schrauben zu drehen sind. Umgekehrt werde sich der Trend verstärken, dass Wissensvermittlung, Wissensaneignung und das Testen von Wissen, im Netz angeboten wird.

Wandel vom Trainer zum Lernprozessbegleiter

Einig sind sich beide, dass dem ehemaligen Dozenten oder Trainer künftig eine besondere Rolle als Lernprozessbegleiter zukommen wird. Er sei laut Albrecht nicht mehr der reine Wissensvermittler, sondern eben der individuelle Begleiter eines jeden einzelnen Mitarbeiters, wie der Name es schon sage. Er sei für die Analyse zuständig, müsse an den Arbeitsplatz des Beschäftigten gehen, um zu verstehen, was er benötige und wie er ihn - digital oder auch nicht - am besten unterstützen könne.

Für das Lernen am Arbeitsplatz beziehungsweise im Arbeitsprozess sind drei Dinge relevant:

  1. Betriebliche Lernprojekte

  2. Begleitung

  3. Reflektion mit dem Lernprozessbegleiter

Die Trainer müssen sich komplett umstellen, da der Präsenzunterricht stark zurück gegangen ist. Es reicht nicht nur Programme wie Microsoft Teams zu beherrschen oder Powerpoint-Präsentationen mit Animationselementen anzureichern. Er müsse neue Arrangements des Lernens entwickeln, virtuelle Gruppenarbeit initiieren und Gamification-Elemente nutzen.

Da Lernen immer individueller wird, wurde die Festo Learning Experience (Festo LX) entwickelt. Es handelt sich dabei um ein digitales Lernportal, welches didaktisch aufbereitete Lerninhalte für viele technische Bereiche bietet. Das Portal basiert auf multimedialen Lern-Nuggets, die sich einfach zu individuellen Lernpfaden anpassen und kombinieren lassen.

Das erlernte Wissen kann später auch in Präsenzveranstaltungen vertieft werden. Es gehe, so Zimmermann, nicht mehr darum, Wissen in einem Seminar anzuhäufen, sondern stehe vielmehr die Anwendbarkeit des Wissens im Vordergrund. Kompetenzaneignung sei das Schlagwort der Stunde. Die Berufsbilder verändern sich und damit auch die geforderten Kompetenzen. Damit die Mitarbeiter arbeitsfähig bleiben, müssen die relevanten Kompetenzen vermittelt werden.

Nach Ansicht Zimmermanns benötigen "wir nicht mehr die langatmigen und viele Wochen dauernden Weiterbildungskurse im Präsenzunterricht", sondern eher kürzere Anpassungsqualifikationen, "immer mit dem Ziel, bestimmte Kompetenzen zu entwickeln." Und das möglichst in einer Kombination aus Theorie, Praxis und Evaluation am Ende, in einem Lernformat, das für die Zielgruppe am geeignetsten ist.

COVID-19 sorgt für bessere interne Zusammenarbeit

Die gute Nachricht indes ist, dass dank Corona auch die betriebliche Ausbildung einen großen Digitalisierungsschub erfährt und dass es Chancen gibt, sie grundlegend zu reformieren und zu modernisieren. Stefan Dietl, Leiter der nationalen und internationalen Ausbildung bei Festo Didactic, erläutert dabei, worum es geht. Bisher war es so, dass zum Beispiel Mechatroniker, Mechaniker, Zerspanungstechniker und Elektroniker in Automatisierungstechnik jeweils extra in einem Grundlagenkurs Mechanik ausgebildet wurden, was viele Ressourcen band.

Künftig sollen diese Gruppen bei Grundlagenkursen gemeinsam geschult werden. Wichtig sei auch, dass die Ausbilder "einen einheitlichen Mindset" mitbringen, sich mit digitalen Lernumgebungen auseinandersetzen, und dass sich der Arbeitgeber damit beschäftigt, welche Skills und Berufe künftig gebraucht werden. So bilde man mittlerweile unter anderem den Data Scientist oder den Kaufmann E-Commerce aus.

Der starke Digitalisierungsschub, den Corona gebracht habe, ließe sich auch daran erkennen, dass Azubis in vielen Unternehmen - was früher undenkbar war - mit Firmen-Notebooks und sonstigem IT-Equipment ausgestattet werden und IT-Querschnittsfunktion in immer mehr Ausbildungsgängen Unterrichtsgegenstand ist. Laut Dietl habe die COVID-19-Pandamie dazu geführt, dass die interne Zusammenarbeit verschiedener Parteien reibungsloser funktioniert und man diesen Elan auch in die Zeit nach Corona mitnehmen möchte.

Das Image vieler Berufe wächst

Rainer Erbisch, Regionalleiter Geschäftsfeld Arbeitsmarktdienstleistungen bei der TÜV Rheinland Akademie, freut sich bei allen Problemen, die uns Corona bereitet, dennoch über einen weiteren positiven pandemiebedingten Nebeneffekt. Durch den Modernisierungsschub in der betrieblichen Ausbildung sei das Image vieler Berufe besser geworden, was wiederum Arbeitgebern helfe, junge Leute zu akquirieren.

Nach wie vor existiere in den Köpfen der Menschen das Bild der traditionellen Lehre, die sich nicht vorstellen können, dass die heutigen Auszubildenden in virtuellen Räumen lernen und eine Generation herangewachsen ist, die souverän mit neuen Medien umgeht, problemlos ein Lern-Management-System bedienen kann oder gemeinsam mit anderen jungen Leuten online an Dokumenten arbeitet. Noch mehr: dadurch, dass sich das Schweißen am Rechner simulieren lasse sowie durch den Einsatz von AR/VR-Techniken müssten Firmen nicht gleich teure Maschinen anschaffen.

Dass bedeute aber noch lange nicht, dass die Ausbildung günstiger wird, warnt Markus Dohm, Bereichsvorstand Academy & Life Care in der TÜV Rheinland Group. Viele Experten, die nicht genau drauf achten, meinten, durch digitale Lernformate und virtuellen Unterricht werde die Ausbildung günstiger - das sei aber weit gefehlt.

Gewiss, durch die geschickte Einbindung digitaler Formate könne ein effizienterer und oft auch zielführenderer Lernweg gestaltet werden. Dies werde aber durch die Kosten für diese Formate einerseits und insbesondere auch die steigenden Anforderungen und kürzer werdende Wissenszyklen andererseits aktuell höchstens kompensiert. Man arbeite daran, die Ausbildung im Sinne der Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter zu professionalisieren.

Fakt sei, so Hans Jörg Stotz, Vorstandsmitglied von Festo Didactic, dass nach wie vor ein zu starkes institutionalisiertes Denken mit langwierigen Ausbildungen vorherrscht, in denen die Abschlüsse überdurchschnittlich bewertet werden. Er fordert ein Incentive-System, das Schnelligkeit und Lernen am Arbeitsplatz belohnt. Die große Herausforderung bleibe, Konzepte zu entwickeln, die Remote Learning und Präsenzunterricht miteinander verbinden und diese in den beruflichen Alltag integrieren. Dabei müsste die Lernkultur aber entsprechend angepasst werden.