42 Prozent mehr Stundensatz

Nur so gelingt Freelancern die Vier-Tage-Woche

20.01.2024
Von 
Thomas Maas ist Geschäftsführer der offenen Projektplattform freelancermap und Herausgeber der repräsentativen Marktstudie Freelancer-Kompass, die jährlich relevante Entwicklungen des freien Projektgeschäfts der IT- und Engineering-Branche abbildet.
Tipps und Praxishinweise bei der Umsetzung der Vier-Tage-Woche und um wie viel Prozent Freelancer für ein gleiches Einkommen trotz verringerter Arbeitszeit ihren Stundensatz erhöhen müssen, zeigt dieser Text.
Viele integrieren im Zuge von New Work flexibles Arbeiten in ihren Alltag.
Viele integrieren im Zuge von New Work flexibles Arbeiten in ihren Alltag.
Foto: WESTOCK PRODUCTIONS - shutterstock.com

Einen Tag unter der Woche mit der Familie, dem Haushalt, beim Sport oder einfach auf der Couch verbringen - wovon viele Angestellte träumen, steht Freelancern faktisch offen. Die Gründe dafür, sich nicht nur gelegentlich einen Tag Urlaub zu nehmen, sondern regulär eine Vier-Tage-Woche einzuführen, sind sehr unterschiedlich.

Die Freiberuflerplattform freelancermap hat Solo-Selbstständige gefragt, worauf es ihnen ankommt: So führte zum Beispiel Andreas Schneider 2018 den zusätzlichen freien Tag aus Gesundheitsgründen ein. Für andere, wie den Freelancer Jens Henneberg, war es schon immer eine Herausforderung, seine vielen Interessen mit einem klassischen Arbeitszeitmodell zu vereinbaren - weshalb er sich letztendlich dazu entschloss, diesen durch einen Tag weniger Arbeit mehr Raum zu geben. Beide betonen allerdings, dass hiermit auch zusätzlicher organisatorischer Mehraufwand einhergeht.

Mit wachsender Expertise steigt die Arbeitszeit

Solo-Selbstständige arbeiten laut Freelancer-Kompass 2023 im Durchschnitt 41 Stunden pro Woche. Entgegen der allgemeinen Annahme steigt diese Zahl sogar mit zunehmender Arbeitserfahrung: Während Young Professionals mit unter fünf Jahren Berufserfahrung 35 Stunden pro Woche arbeiten, sind es bei Senior Experts mit über zehn Jahren Berufspraxis schon 42 Stunden.

Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass besonders Berufseinsteiger und Einsteigerinnen noch ihren persönlichen Rhythmus finden müssen: Wie kann Erschöpfung vermieden, zugleich Produktivität erhalten und dabei möglichst kreativ gearbeitet werden?

Als erstes: alles genau durchkalkulieren

Viele integrieren im Zuge von New Work flexibles Arbeiten in ihren Alltag. Für manche heißt das, ihre Arbeitszeit auf sechs Stunden pro Tag zu reduzieren, sich einen freien Nachmittag fest einzuplanen oder eben ihre Aufgaben innerhalb einer Vier-Tage-Woche zu erledigen. Damit hierfür jedoch von Beginn an die nötigen Weichen gestellt sind, müssen Freelancer sich am besten schon vor der Umstellung einige Dinge ganz besonders bewusst machen. Die erfahrenen IT-Freelancer Jens Henneberg und Andreas Schneider nennen dabei drei Punkte:

- die Planung der Finanzen stärker im Auge behalten. Finanzplanung heißt: Bruttoeinkommen anpassen - mit 42 Prozent höherem Stundensatz. Am häufigsten wird in Stunden- oder Tagessätzen abgerechnet. Das bedeutet, dass bereits ein Tag weniger Arbeit ganz schön ins Gewicht fallen kann.

Stundensatz müsste kräftig steigen

Freelancer sollten sich daher bereits im Vorhinein darüber im Klaren sein, wie viele finanzielle Abstriche sie bereit sind im Ernstfall zu machen. Laut Berechnungen von freelancermap müssen Solo-Selbstständige in Deutschland ihren festgesetzten Stundensatz um ganze 42 Prozent erhöhen, um bei einer Vier-Tage-Woche auf das gleiche Bruttoeinkommen zu kommen wie mit einer durchschnittlichen Vollzeittätigkeit.

Ein Beispiel: Belief sich der Stundensatz bei einer 41-Stunden-Woche zuvor auf 99,15 Euro, müsste dieser bei einer Vier-Tage-Woche à 32 Stunden auf 141,10 Euro erhöht werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das durchschnittliche Einkommen - und damit die steuerlichen Abzüge - zwischen den verschiedenen Freelancing-Berufen stark variieren.

SAP-Berater liegt bei 115 Euro Stundensatz

Laut Freelancer-Kompass erhält beispielsweise ein SAP-Berater in Deutschland 115 Euro pro Stunde, während Freelancer im Medienbereich durchschnittlich 73 Euro verdienen. Laut der Befragten ist eine Anhebung dieses Stundensatzes dank der gesteigerten Produktivität durch die Vier-Tage-Woche jedoch durchaus gerechtfertigt.

Jens Henneberg erklärt zu seiner Umstellung auf eine Vier-Tage-Woche: "Nach jedem Projekt konnte ich meinen Stundensatz erhöhen. Daher haben sich die finanziellen Abstriche in Grenzen gehalten." An das monatliche Bruttoeinkommen sowie die individuelle Lebenssituation ist außerdem die Steuerklasse geknüpft, welche eine wichtige Rolle bei der Stundensatz-Berechnung spielt: Je geringer die individuell festgesetzten Abzüge ausfallen, desto kleiner ist auch der Vorher-Nachher-Unterschied bei den erwirtschafteten Nettoeinnahmen.

Vier-Tage-Woche zwingt zu effizientem Arbeiten

Andreas Schneider hat zuvor beschriebene finanzielle Abstriche in Kauf genommen. In seinem Fall seien die wirtschaftlichen Einbußen quasi inexistent gewesen, "da Mindereinnahmen durch weniger Steuern kompensiert werden." Wer also generell weniger Steuern zahlt, kann auch dadurch die wegfallenden Einnahmen ausgleichen. Für alle anderen ist es ratsam, ihren Stundensatz zu erhöhen - idealerweise um 42 Prozent. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Projekte in kürzerer Zeit fertiggestellt werden. Hier stehen Freelancer vor der nächsten Herausforderung.

Zeitmanagement: Prioritäten setzen und Prozesse automatisieren. Gute Leistung ist nicht von der Arbeitszeit abhängig, sondern von der eigenen Produktivität und Kreativität. "Durch den freien Tag kann ich meine Zeit viel besser einteilen und öfter mal kleine Entspannungstätigkeiten einfügen. Das führt sofort zu mehr Effektivität", erklärt Andreas Schneider. "Also arbeite ich an vier Tagen viel zielgerichteter, als wenn ich fünf Tage arbeiten würde."