Softwareentwicklung messen

No Need for Speed!

Kommentar  30.06.2023
Von 


Jeremy Duvall ist Gründer von 7Factor Software und Experte für Softwareentwicklung. Er schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Infoworld.com.

Deadline-Verderben

Unzureichende Tickets gepaart mit geschwindigkeitsbasierten KPIs fördern auch schlechte Gewohnheiten auf technologischer Seite. Ist die Deadline der alleinige Maßstab, haben die Entwickler keine andere Wahl, als Tickets abzuarbeiten - und Abstriche zu machen. Die können sich in schlampiger Kodierung manifestieren, was wiederum zu ausufernden technischen Schulden führt. Letztendlich erschwert die überstürzte Konfiguration des Produkts am Ende nur, neue Funktionen in der Zukunft hinzuzufügen - und der Teufelskreis schließt sich. Aber hey: Die Deadline steht.

Eine Umgebung, in der sich Softwareingenieure:

  • nonstop mit Zeitdruck konfrontiert sehen,

  • nicht in der Lage sind, ihre Arbeit richtig zu leisten und

  • von einer Metrik abhängig sind, die nicht (vollständig) in ihrem Einflussbereich liegt,

ist ein zuverlässiger Weg zu Burnout und Mitarbeiterfluktuation.

Im Interesse unserer Entwicklungsteams und Unternehmen können wir es uns weder aktuell noch in Zukunft leisten, unsere wertvollsten Mitarbeiter zu vergraulen - insbesondere dann nicht, wenn das Endprodukt darunter leidet. Auch Softwareentwicklung ist ein Prozess und eine Kunstform. In diesem Zusammenhang auf eine maschinenähnliche Kadenz zu beharren, verhindert kreatives Denken und iteratives Vorgehen - und somit die Chance, die bestmögliche Lösung zu schaffen. Es kommt manchmal eben vor, dass Ansätze nicht funktionieren - dann ist es nötig, einen anderen Weg auszutesten. Das führt manchmal zu besseren Lösungen, die Mehrwert schaffen, auch wenn das ein wenig länger dauert. Was es braucht, ist Spielraum.

Vielleicht noch wichtiger ist jedoch, dass Produkt- und Development-Teams sowohl während des Entwicklungsprozesses als auch in Retrospektiven enger zusammenarbeiten, um positive Ergebnisse und kontinuierliche Verbesserungen zu erzielen. Mehr Kommunikation im Vorfeld kann auf lange Sicht viel Zeit sparen, weil so beide Teams die Möglichkeit bekommen, den Übergang von den funktionalen Anforderungen zur kodierten Realität zu meistern.

Und vergessen wir nicht die Grundprinzipien des "Blameless" Postmortem: Ohne gemeinsame Verantwortlichkeit sind Unternehmen nicht in der Lage, ein differenziertes Verständnis darüber zu entwickeln, was während eines bestimmten Sprints schiefgelaufen ist. In einer Kultur ohne Schuldzuweisung arbeiten beide Teams zusammen, um die Gründe zu identifizieren und die volle Komplexität des Geschehens zu erfassen.

Speed ist als wesentliche Metrik für den Erfolg von Entwicklungsteams ungeeignet und erzeugen ein grundlegend falsches Bild davon, wie Produkte entwickelt werden sollten. Der wahre Maßstab für den Erfolg ist eine Kombination aus dem geschäftlichen Wert - wie er von den Produktverantwortlichen in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam definiert wurde - und der Umsetzung dieses Wertes durch die Entwickler. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.