Nachdem das EU-Gericht in Brüssel heute eine von der EU-Wettbewerbsbehörde gegen Google verhängte Geldstrafe in Höhe von 4,34 Milliarden Euro (Rechtssache T-604/18) weitgehend bestätigt hat, sieht sich der Internet-Riese bereits mit der nächsten Wettbewerbsklage in der EU und Großbritannien konfrontiert: Die niederländische Anwaltsfirma Geradin Partners kündigte an, dass es im Namen von Verlagen, die durch das wettbewerbswidrige Verhalten von Google im Bereich Ad-Tech geschädigt wurden, parallele Schadenersatzklagen in den Niederlanden (für die EU) und Großbritannien einreichen wird.
Missbrauch der Marktdominanz
Dem Unternehmen, das eine Schlüsselrolle auf dem Online-Werbemarkt spielt und auch bei der Suche eine beherrschende Stellung einnimmt, wird vorgeworfen, seine Macht auf dem Ad-Tech-Markt zu missbrauchen, der den Verkauf von Online-Werbeflächen zwischen Verlagen und Werbetreibenden koordiniert.
"Verleger, einschließlich lokaler und nationaler Nachrichtenmedien, die eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft spielen, sind seit langem durch Googles wettbewerbswidriges Verhalten geschädigt worden", erklärte Damien Geradin von der belgischen Anwaltskanzlei Geradin Partners, die an dem EU-Verfahren beteiligt ist. Es sei an der Zeit, dass Google zu seiner Verantwortung stehe und den Schaden, den es dieser wichtigen Branche zugefügt habe, zurückzahlt.
Um eine - bislang vor allem aus den USA bekannte - Sammelklage vor dem britischen Berufungsgericht für Wettbewerbsrecht (Competition Appeal Tribunal - CAT) einreichen zu können, hat sich Geradin Partners mit der Londoner Anwaltskanzlei Humphries Kerstetter zusammengetan. Die britische Klage konzentriert sich darauf, die durch Googles angeblich wettbewerbswidriges Verhalten über einen Zeitraum von Jahren entgangenen Werbeeinnahmen zurückzuerhalten. In den gemeinsamen Klagen wird eine Gesamtentschädigung gefordert, die sich nach Schätzungen von Rechtsvertretern auf bis zu 25 Milliarden Euro belaufen könnte.
Die UK-Klage wird "opt out" sein, das heißt, dass die betroffenen Parteien automatisch als Teil der Klage behandelt werden, also laut HK neben großen News-Seiten auch Tausende von Kleinunternehmen bis hin zum Food-Blog. Die EU-Klage in den Niederlanden wird dagegen "opt in" sein, was bedeutet, dass potenzielle Kläger einen Antrag stellen müssen, um sich der Klage anzuschließen. Wie Geradin Partners erklärt, stützt sich die EU-Klage auf ein Urteil der französischen Wettbewerbsbehörde. Diese hatte im vergangenen Jahr gegen Google eine Geldbuße in Höhe von 220 Millionen Euro wegen der Bevorzugung eigener Dienste bei Online-Werbung verhängt. Google hatte die Feststellungen nicht angefochten, sondern sich sogar verpflichtet, die entsprechenden Mechanismen anzupassen.
Weitere Niederlage im Android-Rechtsstreit
Die Rechtstreitigkeiten mit Wettbewerbsbehörden kommen Alphabet/Google allmählich richtig teuer zu stehen. So bestätigte das EU-Gericht in Luxemburg heute weitgehend eine Entscheidung der EU-Wettbewerbsbehörde aus dem Jahr 2018, wonach Google die Dominanz von Android im Smartphone-Markt missbraucht haben soll, um seine Google-Suchmaschine und den Chrome-Browser auf mobilen Geräten zu fördern und zu etablieren. Das EU-Gericht erklärte lediglich einen Teil der Entscheidung für nichtig, in dem Google vorgeworfen wurde, es habe mit Umsatzbeteiligungen an Herstellern gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Als Konsequenz reduzierte das Gericht die Gesamtstrafe um etwa fünf Prozent auf 4,13 Milliarden Euro.
Der Android-Fall war die größte von drei kartellrechtlichen Geldbußen in Höhe von insgesamt mehr als 8 Milliarden Euro, die die EU seit 2017 gegen Google verhängt hat. Allerdings hat der Internetriese noch die Möglichkeit, das Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof als letzte Instanz anzufechten.