Grüne Startups

Nachhaltigkeit - mess- und spürbar

02.10.2014
Von 
Lothar Lochmaier arbeitet als Freier Fach- und Wirtschaftsjournalist in Berlin. Er hat sich neben Energiethemen vor allem auf den Bereich Informationstechnologie im Bankensektor spezialisiert.
Changers.com arbeitet an einer umweltfreundlichen Innenstadt - der Staat wird es nicht richten. Lothar Lochmaier über einen grünen Belohnungskreislauf.

Zu dem im Rahmen dieser Serie bereits beschriebenen Gestaltungsansatz Impact Investing (Silicon Valley lässt grüßen) folgt nun abschließend ein spannendes Praxisbeispiel aus der grünen Gründerszene. Denn bei changers.com kann der Nutzer seit dem Relaunch der Plattform nicht nur die generierten Energiewerte seiner Transportdienstleistung individuell erfassen, sondern auch das Mobilitätsverhalten.

Wer etwa Wege mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit dem Auto zurücklegt, erhält Credits, sogenannte Recoins, die sich dann für Produkte im Marktplatz einlösen lassen. Kurz: Das grüne Startup, das im Jahr 2013 neben Greenclouds auf der Cebit den Ideenwettbewerb code_n gewann, hat sich nach einer zwischenzeitlich holprigen Wegstrecke zur Motivations- und Belohnungsplattform für nachhaltiges Verhalten weiterentwickelt - siehe auch: code_n-Awards 2013 (pdf).

Man wolle ein Katalysator für die Entwicklung in Richtung Smart Cities sein, skizziert Mitgründer und Geschäftsführer Markus Schulz von der Blacksquared GmbH im Gespräch. Mit anderen Worten: Was im großen politischen Tauziehen der Regierungen misslang - nämlich der Handel mit den CO2-Verschmutzungsrechten - soll nun im privaten Modus besser funktionieren.

Foto: Bloom Design, Shutterstock.com

Smart Cities mit Payback-System

Die Gründzüge der "Belohnungszentrale für nachhaltige Handeln" sehen wie folgt aus: In den Kommunen und Städten sei die Verkehrssituation durch die steigende Umwelt- und Luftverschmutzung weiterhin angespannt. Zu wenig nachhaltiges Handeln bestimme die Agenda der Akteure, kritisiert Schulz. Hinzu trete eine schleichende Verödung der Innenstädte durch das weiterhin grassierende Einzelhandelssterben. Der Ausweg: Der Nutzer, sprich Bürger, soll direkt für einen CO2-sparenden Umgang mit der Umwelt belohnt werden.

Changers.com macht dazu den Aspekt der nachhaltigen Mobilität messbar und spürbar. Positives Verhalten wird anhand einer digitalen Währungseinheit belohnt. Mit von der Partie ist dabei der Einzelhandel vor Ort, ebenso wie Kommunen, Städte und andere öffentliche Institutionen. Kann ein solches Modell überhaupt funktionieren, die nachhaltige Fortbewegung als belohntes Gemeinschaftserlebnis und die CO2-Einsparung als spielerischen Wettbewerb in die DNA der Internetnutzer zu implementieren? Ist die Zeit dafür schon reif?

Laut changers.com ist das Mitmachen jenseits von Sonntagsreden gar nicht so kompliziert: Das mobile Endgerät des Nutzers unterscheidet automatisch die Mobilitätsarten, misst die per Fahrrad oder öffentliche Verkehrmittel nachhaltig zurückgelegten Kilometer, errechnet den CO2-Fußabdruck - und verbindet die Meldungen zum Status Quo mit der vernetzten Community. Kurz: Die Belohnungszentrale besteht aus einer App, der Community-Plattform und einer digitalen Währungseinheit.

Durch letztere erhält der Nutzer nicht nur eine ideelle Aufmerksamkeit, sondern kann im Gegenzug auch reale Kaufkraft einsetzen, und zwar indem er mit den Recoins etwa bei den beteiligten Partnern im Handel einkauft. Das System, das Schulz nach und nach zu einem "grünen Payback-System" ausbauen möchte, setzt dabei auf das spielerische Element: Die CO2-Einsparungen sollen sichtbar und vergleichbar gemacht werden. Dazu sollen Wettbewerbe wie Auszeichnungen und Ranglisten die Nutzer zum Mitmachen motivieren. Nachhaltiges Handeln wird also mit den Recoins belohnt und auf dem persönlichen Konto in Summe angezeigt. Ein Giro-System ermöglicht jederzeit den Austausch der Recoins untereinander.

Grüner Belohnungskreislauf

Der künftige Erfolg steht und fällt bei diesem Geschäftsmodell zweifellos mit den dafür notwendigen Kooperationen. Als Partner von changers.com kommt grundsätzlich jedes Unternehmen in Frage, es kann sich im Gegenzug für jeden Euro Einkaufswert seiner Kunden mit einem Recoin bonifizieren lassen. Der Partner wiederum tauscht und akzeptiert die Recoins der Kunden im Wert von mindestens einem Cent wieder ein.

Changers.com möchte so die Werthaltigkeit sichern und vergütet dem Händler für jeden zurückgenommenen Recoin bis zu 0,8 Cent. Und durch diesen Differenzbetrag verdient ganz am Ende auch die Plattform selbst am Transaktionsverhalten der Nutzergemeinde, um sich so als grünes Payback-System dauerhaft am Markt zu etablieren - so jedenfalls das Kalkül, das vom Frühphasenfonds Brandenburg unterstützt wird.

Letztlich sollten alle beteiligten Partner gleichermaßen profitieren. Die Unternehmen etwa kaufen Recoins bei changers.com, sie vergeben Credits für bestimmte Aktivitäten (beispielsweise Fahrrad fahren, Schulungen, Blutspenden), sie sind dadurch in der Community sichtbar und können ihre Zielgruppe direkt adressieren. Auch individualisierte Preise lassen sich ausloben oder Promotionen starten. Ganz nebenbei sollen Unternehmen so nicht nur neue Zielgruppen erreichen, sondern generell nachhaltig agieren und ganz nebenbei etwas für ihr eigenes Image tun.

So sieht der "grüne Belohnungskreislauf" aus:

Belohnungskreislauf von changers.com
Belohnungskreislauf von changers.com
Foto: changers.com

Der Austausch der Recoins wiederum erfolgt über die App und den QR-Code, sowie über bereits vorhandene Magnetlesekartensysteme. Übrigens soll es laut Schulz keine Vermarktung von Daten an Dritte geben, denn neben dem Einhalten der deutschen Datenschutzrichtlinien erfolgen die Speicherung und das Hosting in Europa. Zudem kann der Nutzer seine Daten anonymisieren und Teilbereiche löschen.

Fernziel: Umweltfreundliche Innenstadt

Changers.com möchte die Bürger demnach für die globale Energiewende in Bewegung setzen, und zwar vom Auto aufs Fahrrad und in die öffentlichen Verkehrsmittel. Vieles hängt davon ab, ob die Gesellschaft im Alltag reif ist für ein neues Denken und Handeln. Das Fernziel wäre die Vision einer "smarten", sprich umweltfreundlichen Innenstadt, mit weniger Lärmbelastung, Treibhausgasen, Ozon und Feinstaub.

Smart Cities sollen sich nachhaltige Mobilitätskonzepte nicht nur plakativ auf die Fahnen schreiben, sondern diese auch konkret umsetzen, sprich positives Verhalten bei den Bürgern und den Unternehmen incentivieren lassen. Offen bleibt die Frage, ob sich die innovative Verknüpfung zwischen einer eigenständigen "ökologischen Währungseinheit" und einem grünen Rückvergütungssystem am Markt wird behaupten können.