#WorkLifeBalance
Seit dem Lockdown sind die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben ziemlich verwischt. Wie kann man in einer solchen Situation als Unternehmen dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden den nötigen Ausgleich finden?
Detlef Krause: Passender Weise hatte ServiceNow vor der Covid-19 Pandemie eine Studie zur Mitarbeiterzufriedenheit durchgeführt, in der 2.000 Mitarbeitende von deutschen Unternehmen befragt wurden. Diese brachte zum Vorschein, dass 57 Prozent der Mitarbeitenden ihre aktuelle Position für eine bessere Work-Life-Balance aufgeben würden. Ich frage mich: Wie würde das Ergebnis jetzt ausfallen? Können sie denn überhaupt noch zwischen "Work" und "Life" unterscheiden? Oder hat die Arbeit auch ihre Küche, ihr Wohnzimmer oder auch die Terrasse bereits fest im Griff?
Für Unternehmen war plötzlich Eile geboten, eine Lösung für das Arbeiten von zuhause zu ermöglichen - und damit Prozesse, Workflows und Technologien zu implementieren, die oft erstmal ad-hoc erstellt werden mussten. Wer hier in den letzten Jahren in Sachen Digitalisierung und reibungslose Workflows seine Hausaufgaben gemacht hatte, war damit eindeutig im Vorteil. Ich habe mich auch mit dem Gründer und Business Coach Alexander Hahn darüber ausgetauscht, welche Maßnahmen Unternehmen gerade in Krisenzeiten ergreifen sollten, um weiterhin zufriedene Mitarbeitende zu haben.
Was schlägt Alexander Hahn vor?
Er sieht eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Zum Beispiel eine gute Struktur, die es Mitarbeitenden auch im Homeoffice ermöglicht, sicher und produktiv zu arbeiten; zum anderen eine Perspektive, wie es weitergeht und jeder seinen Beitrag zum persönlichen und unternehmerischen Erfolg leisten kann. Hier ist die Zugehörigkeit im Team enorm wichtig - mit gemeinsamen Werten zum Ziel. Dabei sollte der regelmäßige Austausch im Team per Videocall fester Bestandteil des Arbeitsalltags sein. Das habe ich auf jeden Fall beherzigt und bin mit meinem Team jeden Morgen im virtuellen Coffee-Call zusammen gesessen.
#Arbeitsklima
Lässt sich so etwas wie ein gutes Betriebsklima auf die virtuelle Welt übertragen?
Ich sehe es auch in meinem eigenen Team und der Arbeit mit den Kollegen - nichts motiviert mehr als ein offenes und wertschätzendes Arbeitsklima. Umso erschreckender war für mich das Ergebnis der Studie in Bezug auf einen wertschätzenden Umgang: nur 42 Prozent der Arbeitnehmer fühlen sich von ihrem Unternehmen wertgeschätzt. Nicht einmal die Hälfte?
Das schreit doch förmlich nach Veränderung. So sieht das auch Philipp Aring, MSc Big Data and Business Analytics-candidate bei ESCP. Er sieht den Unterschied zwischen gefühlter und tatsächlicher Anerkennung. Nach seinem Gefühl passiert Dankbarkeit und Wertschätzung häufig nur implizit, ist also generell da, wird aber nicht aktiv geäußert. Als Führungskraft müsse man sich da immer wieder fragen: "Gebe ich das, was ich denke, auch explizit weiter?"
#Meinungsäußerung
Die Kultur des offenen Dialogs war schon vor Corona nicht einfach zu etablieren. Wie sieht es Ihrer Meinung nach inzwischen aus?
Fakt ist: die Meinungsäußerung ist die Basis für Motivation, Innovation und letztendlich die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle! Und diese Faktoren sind gerade in Krisenzeiten überlebenswichtig. Ich hoffe, dass die Pandemie eine offenere Unternehmens- und Fehlerkultur gefördert hat. Denn unsere Ergebnisse vor der Pandemie überraschen doch sehr: nur 39 Prozent der Teilnehmer sagen, dass ihre Meinung für den Arbeitgeber zählt.
Katja Pischel, eine von mir hoch wertgeschätzte Ex-Kollegin und Expertin für Personal Branding, sieht das niedrige Ergebnis ebenfalls als Hilferuf. Sie fragt sich, welches Unternehmen es sich wirklich leisten kann, auf vielfältige Meinungen zu verzichten, um Kunden besser zu verstehen, bessere Produkte und Services zu entwickeln und motivierte Mitarbeiter zu haben.
#Technologie
Wie wichtig ist gut funktionierende Technik für die Mitarbeiterzufriedenheit?
Da müssen Unternehmen sehr aufpassen: Fast jeder zweite Arbeitnehmer würde für eine bessere Technologie das Unternehmen wechseln. Dieses Ergebnis unserer Studie zeigt, welchen Einfluss die Digitalisierung mittlerweile auf unsere Jobwahl hat und dass nahtlose digitale Prozesse ein Must-have sind. Gitta Spörer, Senior Director Sales & Executive Managing Partner bei der allectio consulting group, geht sogar noch weiter. Sie kann das Ergebnis der Studie sowohl als Arbeitnehmerin wie auch als Arbeitgeberin nur bestätigen und glaubt, dass wenn auch noch die Unternehmenskultur stimmt, unter Umständen sogar noch mehr wechselbereit wären.
#Mobile
Wie wichtig sind dabei mobile Geräte?
Die Ausbreitung von Mobile und Remote Work hat durch die Pandemie einen enormen Schub bekommen. Bereits vor Covid-19 hatte unsere Studie ergeben, dass 69 Prozent der Mitarbeitenden zwischen 18-24 Jahren mit Smartphone, Tablet und Co. arbeiten wollen. Dr. Elke Frank, CHRO & Member of the Executive Board for Legal and IT bei der Software AG, ist eine absolute Expertin in Sachen Human Resources und Mitarbeiterzufriedenheit. Sie erlebt bei der Software AG ein sehr diszipliniertes, fokussiertes Arbeiten im Homeoffice. Entscheidungen werden schnell getroffen und gut umgesetzt. Sie bestätigt allerdings auch, dass der Raum und der Sinn für Innovation und Kreativität im Homeoffice weniger wird. Andererseits sei das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen gewachsen, was sie sehr cool findet!
#Überstunden
Die Kombination aus Homeoffice und Lockdown hat viele zu endlos langen Arbeitstagen verleitet. Wie gehen Sie damit um?
Die Pandemie hat uns die Extreme der Arbeitswelt aufgezeigt, von der Geschäftsschließung über Kurzarbeit bis hin zur Überlastung und Anhäufung von Überstunden. Bereits vor der Pandemie hat die Studie gezeigt, dass 72 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland Überstunden machen. Dabei gilt es klar zu sehen, dass nicht selten Überstunden ein Indikator für schlechte und aufwändige Prozesse sind, die Mitarbeitende von Produktivität und sinnvoller Arbeit abhalten.
Für mich heißt das ganz klar: Es liegt jetzt an den Führungskräften dies zu ändern, um Personalmangel und Fluktuation zu vermeiden. Dieser Meinung ist auch Peter Pahlstedt, Manager bei dfind.com und Experte für Sales, IT und Headhunting. Er sieht einen Zusammenhang zwischen Motivation, Technologie und emotionaler Intelligenz. Seiner Meinung nach sollten Mitarbeiter nach Leistung bewertet und bezahlt werden und nicht nach Anwesenheit - und gute Manager sollten dies richtig einschätzen können.
#BetterTogether
Ihr Fazit?
Natürlich ist die neue Arbeitswelt nicht allein Aufgabe des Managements. Auch das Engagement der Mitarbeitenden ist gefragt, wenn sich in einem Unternehmen eine neue Kultur des Miteinanders etablieren soll. Es ist also Teamwork! Mehr Freiraum bedeutet auch, mehr Verantwortung zu übernehmen und sich permanent weiterzuentwickeln. Das Unternehmen, das dem Begriff "Future of Work" am ehesten gerecht wird, ist divers, innovativ, agil, offen und digital!