Schwer zu sagen, was genau der "Arbeitsplatz der Zukunft" (AdZ) ist. Sicher ist jedoch: Wenn ein Mitarbeiter seine Arbeit nur während der regulären Arbeitszeiten und am gleichen Arbeitsort erledigen kann, ist dies mit großer Wahrscheinlichkeit kein AdZ. "Dabei sind sich Kunden und Mitarbeiter der Notwendigkeit eines zukunftsgerechten und flexibleren Arbeitsplatzes sehr wohl bewusst", berichtet Claus Fieber-Held, Vice President Solution Sales Central Europe des Workspace-Anbieters ASG Technologies. "Ihnen ist aber oft nicht klar, was hier noch alles möglich ist."
Arbeitnehmer fahren täglich in ein Büro, verteilen gedruckte Dokumente, heften sie in Ordnern ab und treffen sich persönlich in Sitzungsräumen, die für feste Zeiten gebucht werden - diese Art von Büroumgebung besteht laut Fieber-Held auch heute noch in vielen Unternehmen. "Doch die Erwartungen der Menschen haben sich mit jeder neuen technologischen Entwicklung gesteigert", sagt der ASG-Manager. Telefon, Telefonkonferenzen und Telearbeit waren die ersten Schritte, und es geht weiter. "Der Workplace und die Anforderungen an ihn verändern sich rasant, schon daher ist der Mitarbeiter dessen Epizentrum."
Noch absolvieren die Unternehmen mehrheitlich ihre Aufwärmrunde. Laut einer aktuellen Studie des IDG-Verlags geben zusammen nur rund 20 Prozent der Mitarbeiter an, dass die Entwicklung zum AdZ in ihrer Organisation relativ weit fortgeschritten oder gar abgeschlossen ist. Jeweils mehr als ein Drittel befindet sich noch in den Anfängen oder in der "Vorplanung". "Die größte Herausforderung ist es, für die Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens die passende Vision zu entwickeln, auszugestalten und umzusetzen", bilanziert Constantin Klein, Team Lead Microsoft Consulting beim Dienstleister Freudenberg IT (FIT).
Da laut IDG-Studie nur 36 Prozent der befragten Unternehmen eine zentrale Strategie zum AdZ haben und mehr als die Hälfte im Wesentlichen nur den Technologie- und Mobilitätsaspekt der Thematik betrachtet, nimmt FIT-Manager Klein "einen gewissen Disconnect zwischen Unternehmen und Mitarbeitern" wahr. Im Kampf um die besten Angestellten werde der Arbeitsplatz der Zukunft künftig aber eine zentrale Rolle spielen, insbesondere hinsichtlich der Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort. Schließlich würden 79 Prozent der Arbeitnehmer das Überdenken von Arbeitszeitmodellen und Remote-Arbeit als zentrales Element für den Arbeitsplatz der Zukunft betrachten, argumentiert Klein. "Daher müssen unsere Angebote und Produkte neben der technologischen auch die strategische Ebene des AdZ adressieren, damit wir für die individuellen Gegebenheiten der Kunden die richtige Strategie entwickeln und umsetzen können."
Dass für einen erfolgreichen digitalen Arbeitsplatz die Bedürfnisse und Anforderungen der Arbeitnehmer unbedingt zu berücksichtigen sind, glaubt auch ASG-Manager Fieber-Held: "Schließlich ist der Mensch die treibende Kraft hinter dem individuellen Arbeitsplatz, weshalb wir den Anwender als Kunden verstehen." Die neue, ungewohnte Freiheit der Arbeitsplatzgestaltung müsse jedoch auch tatsächlich gewollt und gelebt werden. "Hier gilt es, Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer zu schließen, die von der IT möglichst kostenneutral unterstützt und umgesetzt werden."
Unternehmen und Mitarbeiter wollen eigentlich dasselbe
"Die Wünsche der Mitarbeiter stimmen mit der Strategie und den Zielen der Unternehmen im Grunde überein", berichtet Stephan Van Herck, Vice President und General Manager EMEA von Kronos, einem Anbieter von Workforce-Management-Lösungen aus der Cloud. Und den Organisationen sei zumindest in der Zwischenzeit klargeworden, dass der Arbeitsplatz der Zukunft mit der Attraktivität des Unternehmens einhergeht und bei der Mitarbeitergewinnung sowie -bindung mitentscheidend ist. Allerdings ist jeder vierte Mitarbeiter laut IDG-Studie unzufrieden mit der IT und der technischen Ausstattung am Arbeitsplatz: "Viele haben demnach wohl noch nicht wirklich das Gefühl, ausreichend für den Arbeitsplatz der Zukunft gerüstet zu sein", sagt Kronos-Manager Van Herck.
Für ihn ist ebenfalls klar, dass Mitarbeiter frühzeitig mit einzubeziehen sind - immerhin werde der Arbeitsplatz der Zukunft gerade mehr und mehr von ihnen bestimmt. Dabei habe jede Generation, die im Unternehmen vertreten ist, andere Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen, so Van Herck: "Ebenso essentiell aus unserer Sicht ist es, dass die verschiedenen Bereiche wie Geschäftsführung, HR, Recht und IT Hand in Hand agieren müssen, um den demografischen, technologischen und kulturellen Wandel für Unternehmen und Mitarbeiter erfolgreich zu gestalten." Allem voran müsse das Management einen derartigen Wandel mitgehen und den Mitarbeitern vorleben.
Für Christoph Kull, Geschäftsleiter Marketing und Vertrieb beim Cloud-ERP-Anbieter Workday, gibt es zwar ein Bewusstsein sowohl auf Kunden- als auch Mitarbeiterseite für einen Wandel des Arbeitsplatzes, jedoch sei die echte Bereitschaft zum "Change" nur gering: "Change-Management sehen wir daher als eine der wichtigsten Management-Aufgaben der Zukunft, besonders wenn neue Arbeitsweisen, Methoden und Technologien eingeführt werden sollen." So habe Change-Management bei fast allen Workday-Kunden oberste Priorität, gleichzeitig aber sei es auch die größte Herausforderung, so Kull: "Da wir in einem Zeitalter stetigen Wandels einerseits und eines exponentiellen Technologiewachstums andererseits leben, werden nur Unternehmen langfristig überleben, die sich auf diese Gegebenheiten am besten einstellen können."
Der Wandel muss zuerst in den Köpfen stattfinden
Die größten Barrieren sieht der Workday-Manager in der Umsetzung. "Solange der Druck aus den Fachbereichen nicht groß genug ist, wird es schwierig sein, die teilweise erheblichen Investitionen für den AdZ in der Geschäftsleitung durchzusetzen." Auch hier komme das Thema Change-Management zum Tragen - schließlich sei es nur allzu menschlich, zunächst eine gewisse Abwehrhaltung gegen Veränderungen an den Tag zu legen. "Der Wandel muss erst einmal in den Köpfen stattfinden." Für Kull handelt es sich beim AdZ nicht um ein einmaliges Projekt, sondern um einen kontinuierlichen Prozess, für den es kein konkretes Enddatum gibt. "Deshalb wird und muss es permanente Änderungen und Anpassungen am Arbeitsplatz der Zukunft geben - sowohl was die Art und Weise des Arbeitens betrifft als auch hinsichtlich der notwendigen Technologien."
Auch Christoph Herzog berichtet davon, dass die Schere bei der Umsetzung "noch recht weit auseinander" geht. Nach Einschätzung des Content-Marketing-Managers von United Planet seien viele Unternehmen für das Thema sensibilisiert, und es gibt einige Leuchtturmprojekte, bei denen neue Mitarbeiter anfangs überrascht sind, "wie modern die Arbeitsbedingungen sein können". Andernorts habe man das Thema schon auf der Agenda, sei aber vielleicht noch auf der Suche nach Ideen. Und schließlich gibt es Herzog zufolge Unternehmen mit der Einstellung: "Wieso Arbeitsplatz der Zukunft - es funktioniert doch alles, so wie es ist?"
Für den Manager von United Planet, einem Anbieter digitaler Arbeitsplätze, zählen vor allem die Integration von Daten aus unterschiedlichen Systemen sowie Anwendungen, mit denen Nutzer den unternehmensweiten Wissensaustausch und die Zusammenarbeit verbessern können. Jedoch fordert auch Herzog, sich nicht allein auf die technische Dimension zu konzentrieren: "Die geeignete Hard- und Software bereitzustellen, sollte für die meisten Unternehmen heute kein Problem mehr sein - Herausforderungen sehe ich eher in der Unternehmenskultur und in der Entwicklung eines digitalen Mindsets." Das heißt: "Wie schafft es ein Unternehmen, die Mitarbeiter mitzunehmen und Digitalisierung als etwas Positives erfahrbar zu machen?"
So sei die Technik schon heute viel weiter als die Arbeitspraxis in den meisten Unternehmen, berichtet der United-Planet-Manager, und er warnt: "Diese Kluft darf nicht zu groß werden." Letztendlich sei der Arbeitsplatz der Zukunft ja eine Metapher, die zeigt: "Die Art, wie wir Arbeiten, verändert sich stetig, und der Arbeitsplatz ist nichts Statisches." Insofern gehe es Herzog zufolge uns eher um den "Arbeitsplatz der Gegenwart", der - wandelbar, agil und flexibel - für die Zukunft bereit ist.
Auch FIT-Manager Klein bezeichnet den AdZ als "Moving Target": "Unternehmen, die eine kontinuierliche Weiterentwicklung in Richtung auf den AdZ als zentrale Strategie im Unternehmen implementieren, werden sich Vorteile bei Effizienz, Wirtschaftlichkeit und bei der Attraktivität für potenzielle Mitarbeiter erarbeiten können." Allein der Fachkräftemangel und der demografische Wandel würden dafür sorgen, dass sich die Investitionen in Technik und "Mindset" über kurz oder lang auszahlen.
AdZ-Studie 2017
Die Studie zum Arbeitsplatz der Zukunft (AdZ) basiert auf einer Online-Befragung in der DACH-Region, in deren Rahmen im Zeitraum vom 2. bis 29. Juni 2017 insgesamt 1.519 abgeschlossene und qualifizierte Interviews durchgeführt wurden. Davon zeigen 1.075 Interviews die Unternehmenssicht und 444 Interviews die Perspektive der Arbeitnehmer. Grundgesamtheit sind strategische (IT-)Entscheider der obersten Führungsebene und der Fachbereiche, Entscheider und Spezialisten aus der IT-Organisation sowie Mitarbeiter aus allen Unternehmensbereichen.
Partner der AdZ-Studie waren die Unternehmen BroadSoft, Workday, Avaya Deutschland, Kronos Systems BVBA, United Planet, ASG Technologies, Freudenberg IT, Swyx, KYOCERA Document Solutions Deutschland, Ivanti Deutschland, IBM Deutschland sowie sipgate.
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