Kauf für 1,68 Milliarden Dollar

Mit Magento stopft Adobe eine Lücke in der Experience Cloud

23.05.2018
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Mit Adobes Ankündigung, den E-Commerce-Spezialisten Magento für 1,68 Milliarden Dollar zu übernehmen, kommt Bewegung in den Markt. Der Vorstoß ist eine Kampfansage an Salesforce, SAP, Oracle und Shopify.

Die Zeiten, in denen sich Adobe vorwiegend mit Kreativtools wie Photoshop und InDesign beschäftigte, sind endgültig vorbei. Die jetzt angekündigte Übernahme von Magento Commerce ist eine Investition in die "Experience Cloud", in der es um Tools für das digitale Marketing und das Customer Experience Management geht. Dort klaffte bislang eine dicke Lücke im Segment E-Commerce, die Adobe nun schließen möchte.

Die Übernahme von Magento ist für Adobe nur unwesentlich kleiner als die von Omniture im Jahr 2009. Damals war der Softwarekonzern mit einem Zukauf in das digitale Werbegeschäft eingestiegen. Jetzt geht es Adobe darum, die "Magento Commerce Cloud" neben die bereits vorhandenen Marketing Cloud, Advertising Cloud und Analytics Cloud zu stellen. "Adobe ist die einzige Company, die führend in Content-Erstellung, Marketing, Werbung, Analytics und jetzt auch Commerce ist", brüstet sich CEO Shantanu Narayen. Man wolle personalisierte Kundenerfahrung über die gesamte Customer Journey hinweg ermöglichen - in Echtzeit.

Ebay-Ausgründung Magento im Wert verzehnfacht

Magento war 2015 aus Ebay ausgegründet worden und für rund 150 Millionen Dollar in den Besitz von Private-Equity-Gesellschaften übergegangen, darunter federführend Permira. Die Software bietet ein Cloud-basiertes Ökosystem, um Online-Shops zu bauen, zu bewirtschaften und das Kundenverhalten in diesen Shops sowie im Social Web zu analysieren. Über Webseiten, die mit Magento gebaut wurden, läuft ein Bruttohandelsvolumen von mehr als 155 Milliarden Dollar, rechnet die Nachrichtenagentur "Bloomberg" vor. Zu den Kunden gehören Konzerne wie Canon, Coca-Cola, Nestlé und Rosetta Stone.

Rund um Magento hat sich laut Hersteller eine mehr als 300.000 Mitglieder große Entwicklergemeinde etabliert, die Softwareerweiterungen und passende Services strickt. Damit ähnelt das Angebot von Magento dem des Senkrechtstarters Shopify, dessen Aktienkurs nach Bekanntwerden der Übernahme prompt um einige Prozentpunkte zurückging. Shopify konzentriert sich aber eher auf kleine Shop-Betreiber, während Magento den Mittelstand und eben auch einige große Konzerne bedient.

Es geht gegen Salesforce, SAP und Oracle

Adobe deutet in einer Pressekonferenz an, dass man durchaus große Unternehmen als Kunden anpeile und sich nicht mit Shopify im margenschwächeren KMU-Segment aufreiben wolle. Chancen sollen sich vor allem durch Cross-Selling ergeben: Zahlreiche Großkonzerne nutzen bereits Produkte von Adobe, nicht nur die Creative Suite, sondern auch die Experience Suite. Hier fischt Adobe allerdings in denselben Gründen wie die Dickschiffe SAP, Oracle und Salesforce.

Morningstar-Analyst Rodney Nelson behauptet gegenüber "TheStreet.com", Adobe sei zunächst an einer Übernahme von Demandware interessiert gewesen. Diesen von Intershop-Gründer Stephan Schambach aufgebauten E-Commerce-Spezialisten hatte dann aber 2016 Salesforce gekauft - für stolze 2,8 Milliarden Dollar. Auch Oracle und SAP verfügen mit der Commerce Cloud beziehungsweise dem zugekauften Schweizer Spezialisten Hybris über starke Angebote, die hochskalierbar, anpassbar und nicht eben billig sind.

Ran an die Budgets der CMOs

All diese Anbieter haben erkannt, welches Potenzial Marketing und Vertrieb im Web bieten und wie stark die IT-Budgets gewachsen sind, die heute nicht mehr in den Händen der CIOs, sondern denen der Chief Marketing Officers (CMOs) liegen. Deshalb käme es kaum überraschend, wenn sich diese Player weiter im Segment des Customer Experience Management ausbreiten und beispielsweise rund um Kunden-Support und -Engagement Zukäufe tätigen würden.

Außerdem dürften neue Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz und Analytics darüber entscheiden, wer im digitalen Marketing auf Dauer die Nase vorn hat. Wer hier führend ist, weiß am meisten über seine Kunden und kann seine Angebote am besten personalisieren. Adobe fühlt sich mit seinem Framework "Sensei" bestens gewappnet: Auf einem kürzlich abgehaltenen Summit in London betonte CEO Narayen, es gehe darum, dem Kunden zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und in Echtzeit den passenden Inhalt anzubieten. "Datenintelligenz ist der Schlüssel zur Personalisierung von Inhalten. Wichtig ist es, alle Kundentransaktionen an einem Ort zu verstehen."