Der "Hype" um Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) hat auch die Unternehmen in Deutschland erfasst. Das ist nicht verwunderlich. Denn die Anbieter entsprechender Lösungen versprechen den Nutzern, dass diese Technologien Vorteile in einer Vielzahl von Anwendungsbereichen bringen. Dazu zählen die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance), die Analyse von Finanztransaktionen und des Warenabsatzes, außerdem Techniken wie Robotik, autonome Maschinen und IT-Sicherheitslösungen, die eigenständig Cyber-Angriffe abwehren.
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An die 25 Prozent der deutschen Unternehmen wollen sich daher in den kommenden zwölf Monaten intensiver mit Künstlicher Intelligenz und Machine Learning auseinandersetzen. Das ergab eine Studie von IDG Research Services, bei der rund 350 Manager, Fachbereichsleiter und IT-Führungskräfte befragt wurden. Damit rangieren KI und ML bereits auf Platz vier der IT-Prioritätenliste, hinter Cloud-Computing, IT-Sicherheit und IT-Service-Management. Vor allem CIOs und Geschäftsführer (29 Prozent) stufen Künstliche Intelligenz als relevant ein. Skeptischer sind die Fachabteilungen: Nur für 21 Prozent spielt diese Technologie heute und im kommenden Jahr eine Schlüsselrolle, so die Studie.
Hauptziel: Interne Prozesse optimieren
Zu den interessantesten Einsatzfeldern von KI und ML zählen nach Einschätzung deutscher IT-Führungskräfte die Spracherkennung, Assistenzsysteme und Planungs-Tools mit KI-Unterstützung. Auffallend ist, dass entsprechend Systeme vor allem dafür genutzt werden sollen, um unternehmensinterne Abläufe zu optimieren. Das sehen IT-Abteilungen (44 Prozent) und Fachbereiche (43 Prozent) gleichermaßen so.
Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz als Grundlage für neue - digitale - Angebote spielt eine untergeordnete Rolle. Nur 24 Prozent der Befragten wollen KI und Machine Learning einsetzen, um neue Produkte zu entwickeln. An die 27 Prozent sehen in beiden Technologien eine Option, um ihre Geschäftsmodelle zu erweitern.
Dies deutet darauf hin, dass Führungskräfte KI und maschinelles Lernen eher als taktisches Mittel sehen, weniger als strategisches Instrument. Für diese Einschätzung spricht zudem, dass nach Einschätzung von fast der Hälfte der Befragten vor allem die IT-Abteilung vom Einsatz beider Technologien profitiert. Einsatzfelder sind beispielsweise die Automatisierung von IT-Administrationsaufgaben und der Schutz vor Cyber-Angriffen durch selbstlernende, "intelligente" IT-Sicherheitssysteme.
Deutliche Unterschiede zeigen sich auf der Führungsebene, was die Rolle von Künstlicher Intelligenz und ML im Fertigungsbereich betrifft. An die 36 Prozent der Mitarbeiter in den Fachbereichen sehen dort Vorteile durch den Einsatz der beiden Technologien. Diese Auffassung teilen jedoch nur 20 Prozent der Geschäftsführer und CIOs.
Studiensteckbrief Die Studie Machine Learning/Deep Learning 2018 basiert auf einer Online-Befragung in der DACH-Region, in deren Rahmen im Zeitraum vom 15. Februar bis 19. Februar 2019 insgesamt 345 abgeschlossene und qualifizierte Interviews durchgeführt wurden. Grundgesamtheit sind Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der DACH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich. Partner der Studie Machine Learning/Deep Learning 2018 sind die Unternehmen Siemens AG, Lufthansa Industry Solutions GmbH & Co. KG, Reply Deutschland AG, SAP Deutschland AG & Co. KG, NTT Data Deutschland GmbH, NTT Security, Alexander Thamm GmbH. zur Studie |
Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Fachbereiche über ein tiefer greifendes Wissen über vernetzte Fertigungs- und Beschaffungsprozesse verfügen, Stichwort Industrie 4.0. Konzepte wie die proaktive Wartung von Maschinen basieren auf einer automatisierten Analyse und Bewertung von Maschinendaten. Algorithmen, die solche Informationen auswerten und anschließend selbstständig Wartungsintervalle anpassen und die Beschaffung von Ersatzteilen und Arbeitsmitteln anpassen, können Stillstandzeiten von Anlagen reduzieren.
Kleinere Unternehmen haben Nachholbedarf
Deutschland ist bekanntlich durch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) geprägt, auch in Schlüsselindustrien wie dem Maschinen- und Anlagenbau. Nachdenklich stimmt daher, dass derzeit nur 15 Prozent der Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten bereits mehrere KI- und Machine-Learning-Lösungen einsetzen. Das sind fast 10 Prozent weniger als bei großen Firmen. Positiv ist dagegen, dass immerhin mehr als ein Drittel der kleineren Unternehmen bereits eine KI-Applikation im Einsatz hat oder zumindest eine solche Lösung testet.
Ein möglicher Grund für die Unterschiede zwischen "Groß" und "Klein" bei der Nutzung von KI- und Machine-Learning-Techniken ist der Mangel an Kapazitäten in der IT-Abteilung. Ein Indiz dafür ist, dass laut der Studie von IDG Research Services bereits in 31 Prozent der Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern im IT-Bereich mehrere KI- und ML-Lösungen im Einsatz sind. Dagegen ist das nur in 15 Prozent der Firmen mit bis zu 99 IT-Fachleuten der Fall. Abhilfe können externe Dienstleister schaffen. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen nutzt bereits solche Spezialisten.
Ein KI- beziehungsweise ML-Projekt komplett außer Haus zu geben, ist dagegen für die Mehrzahl der Unternehmen keine Option. Nur acht Prozent haben diesen Weg gewählt. Mehr als ein Drittel schließt diese Möglichkeit komplett aus. An die 50 Prozent setzen auf eine Doppelstrategie: Ein KI-/ML-System wird im eigenen Rechenzentrum implementiert und betrieben. Allerdings greift das Unternehmen auf die Hilfe von externen Fachleuten zurück.
Technik vorhanden - Know-how nicht
Zu den größten Problempunkten bei der Umsetzung von Projekten im Bereich KI und ML zählt der Faktor Mensch. So mangelt es an Datenspezialisten (Data Scientists). Nur 24 Prozent der Unternehmen verfügen laut der Studie über genügend der Fachleute. Von den kleineren Unternehmen sind es sogar nur 18 Prozent. Dieser Mangel an Spezialisten dürfte auch ein Grund dafür sein, dass Unternehmen bei KI- und ML-Projekten auf Hilfe von außen zurückgreifen.
Weniger Kopfzerbrechen bereitet dagegen die IT-Infrastruktur. Fast die Hälfte der Unternehmen ist der Auffassung, dass ihre IT-Umgebung bereits jetzt für KI-Anwendungen ausgelegt ist. Außerdem gaben 74 Prozent der Befragten an, dass auch der Zugang zu den erforderlichen Datenbeständen vorhanden ist. Allerdings gibt es innerhalb der Führungsriege von Unternehmen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die IT-Umgebung "KI-ready" ist. Keine Überraschung ist, dass 61 Prozent der Mitarbeiter in den IT-Abteilungen dieser Meinung sind. Weniger optimistisch bewerten dagegen Geschäftsführer und CIOs die Situation: Nur für 43 Prozent ist die hauseigene IT-Infrastruktur für KI-Anwendungen gerüstet.
Der Mensch bleibt der Chef im Ring
Angst davor, dass in absehbarer Zeit ein KI-System ihren Job übernimmt, haben die Befragten nicht. Das gilt vor allem für kleinere Unternehmen: An die 22 Prozent der Führungskräfte und IT-Fachleute in solche Firmen sind der Auffassung, dass eine KI-Instanz sie bestenfalls bei ihren Aufgaben unterstützen könne. In Großfirmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern sind dagegen fast ein Drittel der Manager dieser Meinung.
"Unterstützung" bedeutet jedoch nicht, dass der Mensch das Heft aus der Hand gibt. Vielmehr wird KI und Machine Learning auf der Management-Ebene eine Hilfsfunktion zugebilligt, etwa in Form der Analyse von Markt- und Finanzdaten. Auch die KI-Fachleute, die Ende 2017 auf Einladung der COMPUTERWOCHE über die Rolle von Künstlicher Intelligenz diskutierten, stuften dies ähnlich ein: Die Spekulationen über allwissende KI-Instanzen, die in vielen Bereichen den Menschen überflüssig machen können, entbehren ihrer Einschätzung nach jeder Grundlage.
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