Die österreichische Zumtobel Gruppe hat ein Problem wie alle Leuchtenhersteller: Moderne LED-Lampen halten schlicht zu lange und sind deshalb schlecht für das Geschäft. Nicht umsonst hatte erst im Juli Osram sein Geschäft mit Leuchtstoffröhren, Glühbirnen und Energiesparlampen an einen chinesischen Investor verkauft - und gilt jetzt sogar als Übernahmekandidat für die Chinesen.
Das Internet des Lichts
Eine Entwicklung die auch an der Bregenzer Zumtobel Gruppe und der Tochter Tridonic nicht spurlos vorbeiging, da sie ebenfalls den Druck auf das LED-Business spürte und deshalb nach neuen Geschäftsfeldern suchte. Im Zuge ihrer strategischen Neuausrichtung fokussierten sich die Österreicher auf das Internet der Dinge (IoT) und propagieren das "Internet des Lichts als Rückgrat für das Internet der Dinge". Dahinter steht die Idee, künftig die LED-Lampen untereinander zu vernetzen und einen zusätzlichen Mehrwert in Form von weiteren Services zu bieten.
Auf diese Weise wollen sich die Österreicher neues Umsatzpotenzial erschließen, wobei man sich durchaus Partnerschaften mit anderen Anbietern vorstellen kann. Gleichzeitig wandelten sie sich von einem Unternehmen, bei dem bislang Leistungselektronik und Lichtkonversion im Fokus standen, zu einer Company, für die Sensortechnologie sowie Embedded und Application Software zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bei Tridonic ist man davon überzeugt, im Internet der Dinge eine wichtige Rolle spielen zu können, denn Leuchten würden überall gebraucht und seien deshalb für die Rolle als IoT-Hub prädestiniert.
LED-Leuchten als IoT-Hub
Zudem sei Licht, so die Argumentation bei Tridonic, überall vorhanden und eigne sich somit als Infrastruktursystem, an das das Internet der Dinge einfach andocken könne. Zumal in vielen Leuchten noch Platz sei, um etwa den einen oder anderen digitalen Sensor oder Mikrochip zu verbauen. Und für die Leuchten als quasi IoT-Hub spreche noch ein anderer Punkt: Da Leuchten die Strom benötigen, ist die Energieversorgung für eine IoT-Sensor oder -Melder sozusagen gleich integriert. Damit hat sich das Thema Verkabelung - hier bereiten Bau- und Sicherheitsvorschriften immer wieder Probleme - faktisch von alleine erledigt.
Das Internet des Lichts in der Praxis
Einsatzszenarien für das Internet des Lichts lassen sich schnell finden. So genügt etwa ein einziger Präsenzmelder, unsichtbar eingebaut in eine Leuchte, um zu erfassen, ob sich jemand im Büro aufhält. Diese Daten werden dann in der Cloud gespeichert, ausgewertet und gleichermaßen an Heizung, Lüftung, Jalousien, Sicherheits-Management und natürlich die Lichtsteuerung weitergegeben und die Geräte entsprechend gesteuert.
Ebenso können die Informationen für das Raummanagement eingesetzt werden, um festzustellen, wie gut Besprechungsräume, Büros oder Gemeinschaftsflächen genutzt werden - ein Betreiber könne so die Nutzung seines Gebäudes optimieren und Kosten einsparen. Denkbar ist auch ein weiteres Szenario: Reinigungsfirmen kommen künftig nur noch on demand zum Reinigen gewisser Bereiche, wenn die Sensoren eine verstärkte Nutzung melden.
Vernetzte Sensoren und Beacons
Mit größerer Zahl der Sensoren in den Leuchten lassen sich die Daten auch viel feiner auswerten. Damit könnten etwa Beleuchtung und Klimatisierung für jeden einzelnen Bürotisch perfekt austariert werden. Spinnt man den Gedanken der Nutzung von Präsenzinformationen fort und übertragt dieses Prinzip auf Anwendungen außerhalb der Büroumgebung, dann wäre etwa folgendes vorstellbar: Sensoren in Parkhaus- oder Straßenleuchten könnten melden, wo ein freier Parkplatz ist und dies an die Cloud weiterleiten.
Als Cloud-Service könnten diese Informationen an Navigationsgeräte weitergeben werden und gleich dafür sorgen, dass der freie Platz auch optisch - etwa mit grünem Licht - angezeigt wird. Parkraumbetreiber hätten so nicht nur eine effizientere Ausnutzung der vorhandenen Stellplätze, sondern könnten mit dem Informations-Service zusätzlichen Umsatz generieren. Raumes. Zwar ist die Idee solcher Parkleitsysteme nicht unbedingt neu, doch den Charme dieser Lösung per Internet des Lichts macht aus, dass keine teuren Infrastruktur- und Baumaßnahmen erforderlich sind.
Kommen dagegen sogenannte Beacons, kleine Bluetooth-Signalgeber, in den Leuchten zum Einsatz, lässt sich auch eine Indoor-Navigation realisieren: Mit Hilfe dieser Funksender kann jeder über eine Smartphone-App seinen Standort auf wenige Meter genau bestimmen - ideal, um sich etwa in großen Einkaufszentren, Krankenhäusern oder Flughäfen zu orientieren, oder auch nur, um im Baumarkt herauszufinden, wo der Hammer hängt. Im Gegensatz zu den bisherigen Lösungen, so heißt es bei Tridonic, müssten die Beacons im Internet des Lichts nicht mehr separat installiert, mangels eines Netzwerks einzeln eingerichtet noch regelmäßig mit neuen Batterien versorgt werden.
IoT-Suite von Bosch als Grundlage
Diese sind nur einige Beispiele dafür, welche IoT-Ideen sich mit dem Internet des Lichts realisieren lassen. Für die Idee der Österreicher spricht zudem, dass künftig - vom Anschluss einer Raumleuchte abgesehen - im Büro komplett auf die meisten anderen Kabel verzichtet werden könnte. PCs und andere IT-Devices würden dann etwa über das in den Leuchten integrierte WLAN auf das Netz zugreifen. Ebenso denkbar ist, dass die Leuchten im Raum als Hub für den Anschluss via Power over Ethernet dienen.
Als Protokoll zur Vernetzung kommt IPv6 zum Einsatz. Zudem versprechen die Bregenzer, dass ihre Architektur auf offenen Standards basiert. Allerdings hat Tridonic seine Lösung nicht komplett alleine entwickelt, sondern mit Bosch Software Innovations einen bekannten IoT-Partner an der Seite. So kam etwa die IoT-Suite von Bosch zur Entwicklung des Dashboards zum Licht- und Gebäudemanagement zum Einsatz. Gleichzeitig fungiert Bosch für Tridonic als Cloud-Anbieter, um die IoT-Daten zu verarbeiten.
IoT-Toolbox net4more
Diese IoT-Plattform, bestehend aus LED-Treibern, Kommunikationsmodulen, Sensoren, Routern, Software und Applikationen, heißt bei Tridonic net4more-Toolbox. Ergänzend hierzu gibt es von der Zumtobel Group das Licht-Management-System Litecom als Basis für neue IoT-Services. Net4more soll jetzt im Herbst in die technische Einführungsphase starten, wobei das IoT-System in Pilotprojekten wie etwa dem Life Cycle Tower One (wir berichteten) zum Einsatz kommt. Für das Frühjahr 2017 ist dann der allgemeine Marktstart angedacht.