Jeder, der sich nach dem Urlaub durch mehrere tausend E-Mails wühlen muss oder in einer Spirale aus "Reply-All"-E-Mails ertrunken ist, könnte aus gutem Grund der Ansicht sein, dass digitale Technologie der Feind von Mitarbeiterengagement im Allgemeinen und effektiver Kommunikation am Arbeitsplatz im Besonderen ist. Allerdings ist "etwas falsch machen" nicht dasselbe wie "das Falsche machen". Mit digitaler Technologie lassen sich Mitarbeiter wirksam binden - sie muss nur besser angewandt werden.
Die Älteren von uns erinnern sich bestimmt, als sie zum ersten Mal ein Laptop oder Smartphone in Händen oder Fernzugriff auf Systeme und Ordner hatten. Seitdem haben Collaboration-Technologien und Social-Media-Plattformen die digitale Bindung auf eine neue Ebene gehoben. Hierbei gibt es jedoch auch eine Kehrseite der Medaille. Unsere persönlichen Daten sind fast vollständig transparent geworden. Unabhängig davon, wie viel wir privat halten, unser Leben und unsere Handlungen liegen offen. Das hat Auswirkungen darauf, wie Menschen interagieren, und erfordert von Unternehmen, ihr Mitarbeitermanagement zu überdenken.
Digital Natives haben hohe Erwartungen
Wer diese Veränderungen miterlebt hat, nahm sie zögerlich oder enthusiastisch an. Aber die jungen Mitarbeiter - die Digital Natives - kennen es nicht anders. Sie nutzen Technologie im persönlichen Leben und erwarten das Gleiche am Arbeitsplatz. Die moderne Belegschaft stellt daher mehr Anforderungen an die Arbeitgeber als je zuvor. Heutzutage sind Talente gefragter denn je und die "Bindungsloyalität" stark von Erfüllung und Wohlbefinden beeinflusst. Unternehmen müssen daher diese impliziten Erwartungen erfüllen, wenn sie Mitarbeiter halten und das Beste von ihnen einfordern wollen.
Zusammenarbeiten und zuhören
Alle Mitarbeiter, jung und alt, möchten vor allem eine personalisierte Ansprache. Genauso wie jeder Kunde eigene Bedürfnisse und Präferenzen hegt, hat jeder Mitarbeiter unterschiedliche Fähigkeiten und Ziele. Und genau hier liegt der Schlüssel dazu, eine engagierte Belegschaft zu schaffen und zu halten - nämlich in der Aktivierung dieser individuellen Fähigkeiten unter Abgleich der individuellen Ziele.
Maßstab und Vorbild sollten hier Social Media sein. Sie sind überall und sollten auch im Unternehmen gefördert werden. Hierbei geht es nicht darum, dass Mitarbeiter den ganzen Tag auf Facebook vertrödeln. Sie sollen auch bei der Arbeit rasch interagieren: Informationen mit Kollegen teilen, unmittelbar Feedback erhalten und die Erfahrung von anderen nutzen - für superschnelle und bestmögliche Ergebnisse.
- 10 Thesen
In der Analyse: "Wer teilt, gewinnt - zehn Thesen, wie Digitalisierung und Social Media unsere Unternehmen verändern" schreiben die Consultants von Roland Berger über den Status von Social Media heute. - 1. Social Media sind kein Hype, sondern sozioökonomische Realität
Social Media zeigt Kennzeichen einer reifenden Industrie, so Roland Berger. Diese Kennzeichen sind: Ausdifferenzierung (eine Visualisierung des aktuellen Spektrums an Web-2.0-Plattformen listet rund 30 verschiedene Anwendungsbereiche auf), Substituierung (immer mehr Produkte und Services aus der analogen Welt finden eine Entsprechung im Social Web), das Auftauchen neuer Player (inzwischen werden Videos auf Dutzenden von Plattformen geteilt und selbst ein Subsegment wie Live-Streaming unterteilt sich in zahlreiche Spezialangebote, etwa für Game-Watching oder Life-Sharing) und Best Practices (Erfolgsfaktoren in der unternehmensinternen wie -externen Nutzung von Social Media treten zutage, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette). - 2. Social Media ist ein Machtfaktor - und Nichtstun ist keine Option
"Definiert man Macht als die Fähigkeit, soziale Beziehungen zu kontrollieren, dann nimmt die Macht der Konsumenten im Web 2.0 tendenziell tatsächlich zu", schreiben die Consultants. - 3. Social Media ist eine Schlüsselqualifikation
Vor allem im Hinblick auf Kundenorientierung und Wissensmanagement können sich Unternehmen verbessern. Social Media stellt neue Interaktionsmöglichkeiten mit den Kunden her. In punkto Wissensmanagement beschreibt Roland Berger den Nutzen, den Firmen durch die Kombination aus Partizipation und Vernetzung erzielen können. "Durch interdisziplinäre und crossfunktionale Zusammenarbeit in Verbindung mit neuen Customer Insights verbessert sich insbesondere das Innovationsmanagement", so die Analysten. - 4. Social Media ermöglicht neue Formen der Kundeninteraktion
Zwei Punkte sind für eine CRM-Strategie (Customer Relationship Management) entscheidend: Der Grad des Kundenengagements und die Lebenszyklen von Kundenbeziehungen. - 5. Social Media beeinflussen das Kaufverhalten – direkt und vor allem indirekt.
Markenwahrnehmung und Kaufentscheidungen lassen sich über Social Media und eine entsprechende Consumer Influence Metrics beeinflussen. Das zeigen empirische Studien. - 6. Social Media verändern die Markenführung grundlegend
Eine wesentliche Veränderung beim Social-Media-Marketing sieht Roland Berger darin, dass die Markenmanager das Geschehen nicht mehr komplett allein bestimmen. Wie eine Marke wahrgenommen und eine sogenannte Brand Story weiterentwickelt wird, darüber entscheiden die Nutzer heute mit. - 7. Social Media revolutionieren die Zusammenarbeit im Unternehmen
Ein großes Wertschöpfungspotenzial von Social Media liegt im innerbetrieblichen Einsatz: unternehmensweite Kollaboration, crossfunktionaler Wissensaustausch, interdisziplinäres Innovationsmanagement, präadaptive Agilitätssteigerung und aktivierendes Veränderungsmanagement. - 8. Social Media ist kein Selbstläufer
Wer von Social Media profitieren will, muss die technologischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen. Das beinhaltet eine solide, skalierbare und universelle technische Plattform sowie materielle Anreizsysteme. Außerdem Ziele, Spielregeln und Vorbilder für eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit. - 9. Social Media folgt eigenen Gesetzen
Weil Social Media dynamische, egalitäre und interaktive Organismen darstellen, gestaltet sich die Erfolgskontrolle schwierig. Roland Berger rät, vier Dimensionen zu untersuchen: Die Motive der Akteure sowie den intellektuellen, sozialen und kulturellen Wert, der generiert wird. - 10. Social Media ist ein umfassendes Organisationsprinzip
Roland Berger versteht Social Media als eine Kultur des Teilens und Tauschens. Entscheider, die das umsetzen können, profitieren im Hinblick auf mehr Vielfalt, Dynamik, Führung und Identität in ihrem Unternehmen.
Facebook als Vorbild
Der Vergleich mit Facebook passt hierbei gut. Über Facebook wissen wir, wie es einem Freund geht, womit er sich beschäftigt und was in der Zukunft ansteht. Wir können Ratschläge zu einer anstehenden Reise erteilen oder zu einer offenen Frage Feedback geben. Wir können schnell Veranstaltungen organisieren oder eine Gruppe mobilisieren - schnell, unkompliziert.
Soziale Kollaboration trägt aber auch im beruflichen Umfeld dazu bei, Barrieren zu reduzieren. Mitarbeiter können sich austauschen, Wissen und Fähigkeiten gegenseitig nutzen und innovative Lösungen für Probleme finden - alles unter dem Aspekt der Co-Creation. Ein Unternehmen mit einer Kultur der Zusammenarbeit überwindet Spannungen und Grenzen zwischen Abteilungen und Positionen wesentlich leichter. Infolgedessen können Mitarbeiter effektiver zusammenarbeiten und Innovationen schneller entwickeln.
Im Social-Zeitalter ist das Jahresgespräch out
Viele Unternehmen verlassen sich jedoch noch immer stark auf manuelle Prozesse, statische Dokumente und feste Review-Zeiträume, um Mitarbeiter in ihrer Performance einzuschätzen. Diesem Ansatz fehlen jedoch
• die Elastizität,
• das unmittelbare Feedback und
• das gegenseitige Gespräch,
alles Faktoren, die Mitarbeitern helfen, wirklich voranzukommen. Dieser veraltete Prozess vermittelt den Eindruck, der Arbeitgeber sei an Mitarbeiterentwicklung nicht wirklich interessiert. Angestellte werden dadurch im Endeffekt mehr frustriert als motiviert.
Stattdessen sollte ein Mitarbeiter seine beruflichen Leistungen mit dem direkten Vorgesetzten genauso einfach teilen und Feedback erhalten können, wie er auch seine persönlichen Errungenschaften auf Twitter oder Facebook "sharen" kann. Das Gespräch mit dem Beschäftigten sollte immer unverzüglich stattfinden und themenbezogen sein. Menschen neigen dazu, ihre Social Feeds mindestens wöchentlich zu aktualisieren. Wie kann da ein einzelnes Review-Gespräch einmal im Jahr im Digitalzeitalter noch angemessen sein?
Die Kultur am Arbeitsplatz muss stimmen
Teilen, nicht glucken: Das ist ein offener und mitarbeiterzentrierter Ansatz, der die Arbeitsplatzkultur im gesamten Unternehmen verbessert. Er hilft dabei, interne Barrieren zu reduzieren, und stellt sicher, dass Mitarbeiter Zugang zu benötigten Informationen haben, statt einseitig mit zu vielen Informationen überflutet zu werden. Ferner trägt er dazu bei, sinnvolle Beziehungen zwischen Mitarbeitern, Teams und Managern aufzubauen, und verleiht den Angestellten ein stärkeres Gefühl, eingebunden und geschätzt zu werden.
Eine bessere Kultur am Arbeitsplatz ist zudem für potenzielle Mitarbeiter attraktiv. Maximale Attraktivität erreichen Arbeitgeber dann, wenn sie sich modern und zeitgemäß zeigen.
Zu guter Letzt ist es wichtig, dass Unternehmen die Effektivität der implementierten Social- und Collaboration-Ansätze analysieren können. Nur so kann die Abteilung Human Resources (HR) sicherstellen, dass die Initiativen in Sachen Human Capital Management dem Unternehmen auch nützen. Effektivität und Effizienz von "soften" HR-Maßnahmen können heute viel unkomplizierter nachgehalten und eingeschätzt werden als in der Vergangenheit. Daraus ergeben sich neue Erkenntnisse und Maßnahmen für die dann hoffentlich folgende zweite Stufe des "Employee Engagement". (pg)