Cape to Cape Challenge 2014

Mit Big Data zum Connected Car der Zukunft

10.03.2015
Von  und
Christoph Kielmann ist Fachbereichsleiter Fahrwerkentwicklung bei der IAV GmbH.
Jürgen Dettling ist Chief Technologist bei HP Deutschland.

Analyse der Straßenverhältnisse

Des Weiteren wollte man mittels der Cape to Cape Challenge 2014 auch die Frage klären, ob es möglich ist, die Straßenbeschaffenheit während der Fahrt zu messen und auszuwerten. Dazu sammelten die bordeigenen wie auch zusätzliche Sensoren an Zietlows Touareg Angaben über das straßenbedingte Fahrverhalten, zum Beispiel: Wie stark ist die vertikale Beschleunigung? Wie groß sind die Unterschiede zwischen linkem und rechtem Rad?

Der Touareg erzeugte tausende von Messdaten pro Sekunde - Werte weit jenseits dessen, was heute üblich ist. Die Fahrwerkssensoren feuerten mit 1000/s pro Sensor (also insgesamt 4000/s), andere Sensoren mit 100/s und wiederum andere mit 10/s. Die millisekundengenaue Abtastung ist innerhalb der Steuergeräte schon üblich (z.B. für das ESP). Dass diese Daten aber nach außen gegeben werden, war bislang nur im Erprobungsbetrieb anzutreffen, nicht in Serienfahrzeugen. Sonst wäre der CAN-Bus des Fahrzeugs schnell überlastet.

Auf der 19.000 Kilometer langen Tour gab es jede Menge Daten zu erfassen - auch über den Straßenzustand.
Auf der 19.000 Kilometer langen Tour gab es jede Menge Daten zu erfassen - auch über den Straßenzustand.
Foto: Hewlett-Packard

Diese enorme Datenmenge in Echtzeit zur Auswertung in die Cloud zu übermitteln, stellte die Bord-IT vor große Herausforderungen - zumal je nach Gegend keine stabile Internetanbindung gegeben war. Wiederholt generierte das Fahrzeug angesichts der Extrembedingungen mehr Daten, als der Uplink zur Cloud verkraften konnte. Die Cape to Cape Challenge zeigte also auf, dass hier noch Entwicklungsbedarf für künftige Connected-Car-Generationen besteht.

Trotz dieser Hindernisse ergab die Big-Data-Analyse der Challenge vier Datencluster. Das heißt, es gelang eine automatische Unterteilung in vier Straßentypen:

  • glatte Straße,

  • Schotterstraße,

  • Schlaglöcher,

  • Schotterstraße mit Schlaglöchern.

Die ermittelten Informationen zu den Straßenverhältnissen - als schlimmste Piste erwies sich die berüchtigte "Road to Hell" in Kenia - ließen sich dank der mitgelieferten GPS-Daten des Fahrzeugs auf eine Landkarte übertragen und farblich codieren. Die Aggregation solcher Sensorikdaten macht damit erkenntlich, an welchen Straßen in einer bestimmten Gegend der größte Reparaturbedarf besteht. Korreliert man dies mit der Häufigkeit, mit der eine Straße genutzt wird, ergibt sich eine empirisch belegbare Prioritätenliste für die zuständigen Behörden.

In Kenia ist der Pflegezustand mancher Straßen durchaus als "lax" zu bezeichnen.
In Kenia ist der Pflegezustand mancher Straßen durchaus als "lax" zu bezeichnen.
Foto: Volkswagen AG

Zwar hatte man den Touareg für diese Messungen mit zusätzlicher Sensorik ausgestattet, doch handelte es sich bei diesen um handelsübliche Kfz-Sensoren. Derlei Sensoren sind heute bereits in diversen Fahrzeugen der oberen Fahrzeugklassen verbaut, neben dem Touareg zum Beispiel auch im VW Phaeton. Dies eröffnet interessante künftige Szenarien. So könnten zum Beispiel die Oberklassemodelle als "Straßenqualitäts-Scouts" für die übrigen Fahrzeuge eines Herstellers dienen und zum Beispiel Frostschäden am Straßenbelag zeitnah an andere Fahrer melden. Das Navigationssystem oder Bedienungsdisplay selbst günstigerer Automobile könnten dann Warnhinweise ausgeben wie zum Beispiel: "Vorsicht - Fahrbahn enthält Schlaglöcher!" - lange bevor Warnschilder auf diese Gefahren hinweisen.

Schwarmintelligenz und Smart City

Heutige Navigationssysteme sind zwar in der Lage, die geplante Route aufgrund von Stauinformationen kurzfristig zu ändern, aktuelle Daten für höhere Sicherheit oder mehr Fahrkomfort liefern sie aber noch nicht. Wirklich spannend werden die Fragestellungen rund um das Connected Car deshalb, wenn man nicht nur das einzelne Fahrzeug in den Fokus rückt, sondern die echtzeitnahe Kommunikation vernetzter Fahrzeuge einschließlich dynamischer Interaktion im Sinne des "Internets der Dinge". Damit könnten sich künftige Fahrzeuggenerationen durch den stetigen Austausch von Verkehrsinformationen selbsttätig so organisieren, dass mittels Schwarmintelligenz der optimale Verkehrsfluss sowie hohe Verkehrssicherheit gewährleistet sind.

Erfolgt die Interaktion zwischen intelligenten Fahrzeugen eines Tages tatsächlich in Echtzeit, dann sind selbst Szenarien umsetzbar, in denen ein verunfallter Wagen automatisch die nachfolgenden Fahrzeuge warnt: "Vorsicht, Unfall hinter der nächsten Kurve!" - während die noch weiter hinten nahenden Fahrzeuge automatisch auf eine Umgehungsstrecke gelotst werden.

Auch auf kommunaler Ebene lässt sich - Stichwort: "Smart City" - diese Schwarmintelligenz nutzen, um die Verkehrsführung in vielerlei Hinsicht zu optimieren. Dies reicht von der Effizienzkontrolle von Ampelschaltungen einer "grünen Welle" bis hin zur Frage: Wo und wann ist der Straßenverkehr wie zu regulieren, um einen häufig genutzten Schulweg von A nach B möglichst sicher zu gestalten?