Schöne, neue Welt. Was uns New Work verheißt, klingt vielversprechend. Arbeit ist nicht mehr nur eine schnöde Erwerbstätigkeit, die uns ein schönes Leben lediglich jenseits der harten Arbeitszeit ermöglicht. Vielmehr erfüllt sie uns mit Sinn und mit dem Gefühl, zum Gemeinwohl beizutragen. In dieser Welt hat auch Führung einen anderen Charakter. Anweisungen sind nicht mehr zeitgemäß; genauso wenig wie das bekannte Muster, im Gefühl fachlicher Überlegenheit von oben herab Mitarbeiter zu kontrollieren. Nein: Neue Führung ist den Menschen zugewandt und lässt ihnen freie Hand, ihre Arbeit selbst zu gestalten. Führungskräfte werden somit zu Coaches und Personalentwicklern.
Wie so vieles treibt die digitale Transformation auch diese Diskussionen und verbindet sich gleichzeitig wunderbar mit den Bedürfnissen der jüngeren Generation, Arbeit anders zu buchstabieren. Das ist alles andere als bahnbrechend, steht es doch in der Tradition von Frithjof Bergman. Er hatte New Work schon Anfang der 70er-Jahre postuliert. Neben sinnerfüllter Arbeit setzte er auf dezentrale Formen, was heute ebenfalls angesagt ist. Auch in diesem Punkt hat das digitale Tempo einiges über Bord geworfen, wie beispielsweise top-down und von A bis Z geplante Vorgehensweisen. Dazu ist unsere VUCA-Welt zu komplex.
Statt der klassischen Linienorganisation spielt die Musik daher in agilen, sich selbst organisierenden Teams, die auf digitaler Basis mit neuen Methoden im Sinne ihrer Kunden unterwegs sind. Digitalisierung, Zweck und iteratives Handeln - in diesem Dreiklang tönt die vielbesungene Melodie der neuen Arbeitswelt. Aber ist das wirklich so? Oder stehen wir vor einem bunten Schaufenster voll lauter hipper Begriffe, hinter dem sich anderes verbirgt? Zumindest Arbeitssoziologen bezweifeln, ob eine durch und durch digitalisierte Welt mit ihren Algorithmen und KI-Ansätzen so freiheitlich und selbstorganisiert laufen wird, wie es ihre Apologeten verheißen.
Digitale Techniken als Kontrollinstrumente
Drei Beispiele aus der Arbeitswelt untermauern ihre Einschätzung. Im ersten geht es um den aus der E-Commerce-Welt bekannten Mechanismus, Transaktionen zu bewerten. Einige Unternehmen haben dies in ihre internen Strukturen übertragen: Mitarbeiter bewerten ihre Interaktionen mit Kollegen, verbunden mit Konsequenzen: Menschen mit hohem Score winkt eine Gehaltserhöhung, dem breiten Mittelfeld die Nullrunde und niedrig Bewertete haben vorzutanzen. Mit der digitalen Bewertung lässt sich bekanntlich gewünschtes Verhalten erzwingen, China lässt grüßen.
Im zweiten Fall beobachten und analysieren Algorithmen im Hintergrund die Arbeit von Mitarbeitern und spielen ihnen automatisch Aufgaben zu, wenn die alten erledigt sind. Big Brother is watching you. Was passiert, wenn der HR-Bereich die Segnungen einer digitalen Blackbox auf breiter Fläche entdeckt und die Mitarbeiter über Big-Data-Auswertungen aussteuert, bleibt abzuwarten. Hier wird sich einiges tun, gerade in der Zeit nach COVID-19.
Beim letzten Exempel geht es um Echtzeit-Feedback für Mitarbeiter in der Produktion: Smarte digitale Handschuhe mit Sensoren senden unmittelbar Rückmeldungen an Menschen zu ihren Handgriffen und teilen mit, wie sie diese besser machen. Auf diese Weise optimieren sie (zumindest) die Handgriffe von Menschen und steuern diese aus.
Die neue Blackbox
Bewertungen von Mitarbeitern, die automatisierte Zuteilung von Arbeit und die ständige Optimierung menschlicher Handlungen: Digitale Lösungen beerdigen keineswegs die tayloristischen Ansätze des Industriezeitalters. Den neuen Beat der Arbeit - so meine Einschätzung - schlägt künftig also eine digitale Blackbox. Ihr inneres Uhrwerk regelt und automatisiert alle Prozesse und Workflows. Sie löst die heute noch in Unternehmen per Handbücher und Dokumentationen geregelten Abläufe sowie die industriell-arbeitsteilige Struktur ab. Der analoge Taylorismus entwickelt sich zum digitalen und konterkariert die Hoffnung, Digitalisierung forciere selbstbestimmtes Arbeiten.
Auf der anderen Seite dieser Entwicklung etablieren sich noch stärker als bisher dezentrale Teams. Der Grad ihrer Freiheit bemisst sich danach, welchen Beitrag sie für die Wertschöpfung ihres Unternehmens leisten und inwieweit sie nicht digital ersetzbar sind. Trifft beides zu, helfen ihnen digitale Technologien, um mehr Zeit direkt mit ihren Kunden zu verbringen. Das wäre dann eine gelungene Synthese aus beiden Welten, der analogen und der digitalen.
Für Führung bedeutet es, ihre Kontrollfunktion an Technologie zu übertragen. Stattdessen übernimmt sie die Aufgabe, die wie die Faust aufs Auge passt: Führung erzählt Sinn und verbindet den Zweck des Unternehmens mit der Arbeit der Mitarbeiter. Metaphysische Begleitmusik in einer voll digitalisierten Welt, gespielt durch neue Führungsmuster.
- KI im Unternehmen und Personalmanagement
Künstliche Intelligenz (KI) birgt ein enormes Potenzial für Unternehmen, zum Beispiel beim Einsatz im Personalmanagement. Joachim Skura, Thought Leader Human Capital Management bei Oracle, nennt Vorteile der KI sowie wichtige Faktoren, die bei der Planung sowie Nutzung zu beachten sind. - Kooperation der Führungskräfte
Da die KI-Technologie heute alle Unternehmensebenen durchdringt, müssen HR-Verantwortliche mit den anderen Führungskräften zusammenarbeiten, um Automatisierungsstrategien für die einzelnen Teams zu entwickeln. - Intelligenz kombinieren
KI muss zu einem Umdenken in Bezug auf die Belegschaft führen: Es geht nicht mehr nur darum, Mitarbeiter einzustellen. Vielmehr müssen menschliche und künstliche Intelligenz kombiniert werden, um die Produktivität zu maximieren. - Sinnvolle Prozessautomatisierung
Ein ganz wesentlicher Aspekt der Nutzung von KI ist, das Streben nach mehr Effizienz in Relation zu den tatsächlichen Möglichkeiten zu setzen. Nur weil sich ein Prozess automatisieren lässt, heißt das noch lange nicht, dass man das auch tun sollte. Das gilt auch im Personalwesen. - Keine Big-Brother-Atmosphäre schaffen
KI kann für die Sicherheit des Unternehmens sehr hilfreich sein. Viele Betriebe nutzen KI-Technik, um Anwendungen, Systeme und Infrastruktur ständig zu überwachen und anomales Verhalten in Echtzeit zu erkennen und zu bewerten. Hier sollten Unternehmen aber unbedingt darauf achten, dass keine „Big-Brother-Atmosphäre“ geschaffen wird. Der Personalabteilung kommt dabei eine wichtige Rolle zu. - Daten und Technik ausschöpfen
KI sollte bei Einstellungs- und Besetzungsplänen zur Anwendung kommen. Der Grund: Es gilt, kontextbezogene Daten und Technologien auszuschöpfen, um Probleme wie hohe Fluktuationsraten in Angriff zu nehmen, Mitarbeiter besser zu verstehen und den vorhandenen Pool an Talenten effektiver zu nutzen. Nur so lässt sich Arbeit intelligenter, angenehmer und kollaborativer gestalten – und letztendlich auch wertschöpfender. - KI im Recruiting nutzen
Künstliche Intelligenz wird derzeit auch im Recruiting immer wichtiger. Recruiter nutzen KI, um herauszufinden, welche Skills das Unternehmen aktuell benötigt, und wo passende Kandidaten zu finden sind. - Bewerbungsmanagement automatisieren
Mit Hilfe von KI lassen sich zeitaufwendige Aufgaben wie das manuelle Screening von Lebensläufen und Bewerber-Pools automatisieren. - Candidate Experience aufbauen
Leistungsstarke und integrierte KI-Funktionen sowie klare Abläufe helfen, im Personalmanagement eine benutzerfreundliche und personalisierte Candidate Experience vom Erstkontakt bis hin zur Einstellung und Eingliederung zu schaffen. - Mehr Effizienz durch Machine Learning
Modernste Machine-Learning-Anwendungen unterstützen das Personalwesen, die Time-to-Hire zu verkürzen, indem sie proaktiv eine Vorauswahl der geeignetsten Kandidaten treffen und Empfehlungen geben. - Chatbots einsetzen
Ein Chatbot kann eine Datenquelle sein, mit deren Hilfe Unternehmen mehr über ihre Mitarbeiter erfahren. Machine-Learning-Analysen von Fragen und Gesprächen können einzigartige und bisher nicht mögliche Einblicke liefern. So lassen sich zugrundeliegende Probleme aufdecken – und das vielleicht noch, bevor sich der Mitarbeiter dieser überhaupt bewusst ist.
Die Rolle der Menschen
Natürlich ist es keineswegs ausgemacht, dass sich die künftige Arbeitswelt so entwickelt, wie ich es skizziere. Doch bringen die digitalen Produktivkräfte sicher eine neue Form von Arbeitswelt hervor. Hier reicht die Spanne von einer optimistischen Sichtweise, in der uns digitale Techniken lästige Aufgaben abnehmen und wir dadurch kreativer werden, bis hin zum Gegenpol: Bei ihm hängen Menschen am Tropf digitaler Lösungen und verlieren mehr und mehr ihre Wirk- und Entscheidungskraft.
Was durch Digitalisierung entsteht, hängt nichtsdestotrotz von uns ab: Wir Menschen können diskursiv aushandeln, wie wir digitale Technologien nutzen wollen. Denn bei der Frage, was uns Freiheit und Selbstbestimmung in der Arbeitswelt wert ist, schweigt die digitale Blackbox. Dagegen stehen wir vor der Frage, ob wir als Gesellschaft entscheiden, wie wir das Verhältnis zwischen Mensch und Technik gestalten oder ob private Investitionen die Richtung in ihrem Sinne vorgeben.
Der Sozialphilosoph Harald Welzer hat es auf den Punkt gebracht: "Sich von Algorithmen vorschreiben zu lassen, wie man leben soll, ist der Wiedereintritt des Menschen in die selbst verschuldete Unmündigkeit. Man könnte auch sagen in künstliche Dummheit. Eine mündige Gesellschaft versteht Digitalisierung nicht als Schicksal, sondern als Gestaltungsaufgabe." (pg/fm)
- Markus Michael, Byon
Das Thema Datenschutz war in den vergangenen Jahren sehr präsent. Das ändert sich aber allmählich, weil die große Anzahl an befürchteten Sicherheitsvorfälle oder Cyber-Attacken ausgeblieben ist. Dadurch steigt die Akzeptanz der Cloud, auch im Mittelstand. Wer heute nicht in Cloud-Terminologien denkt, bekommt die Transformation am Ende nicht hin. - Christian Malzacher, Bechtle
Für modernes Arbeiten ist das Nutzungsverhalten, das mit Cloud-Technologie einhergeht, ein maßgeblicher Bestandteil. Technologie ist aber nur ein Teil von Modern Work. Entsprechend wichtig ist es, durch ein gutes Transformationsmanagement die Mitarbeiter und insbesondere das Management mit den modernen Technologien sowie dem Umgang damit vertraut zu machen. Das Thema Modern Workplace sollte in der Unternehmensstrategie verankert werden. - Klaus Wieland, DXC
In einem global aufgestellten Unternehmen muss mobiles Arbeiten fixer Bestandteil des Alltags sein. Doch die Ausgestaltungen können im Unternehmen weit auseinandergehen: Während ich selbst vor einigen Monaten zuletzt physisch im Büro war, gibt es Kollegen, die man jeden Tag dort antrifft. - Necla Haskioglu-Larsch, Genesys
Gerade in Zeiten, in denen Home- Office sehr aktuell ist, erhalten wir viele Anfragen von großen und kleineren Unternehmen. Beratung braucht aber die Intelligenz, um die echten Anforderungen des Kunden „lesen“ zu können. Gemeinsam gilt es dann, ein strategisch konsistentes Ziel zu formulieren und auf die Realisierung hinzuarbeiten. - Andreas Henning, Microsoft
Der Arbeitsplatz der Zukunft kann erstens nur zusammen und zweitens nur ganzheitlich erreicht werden. Einerseits muss ich von den Mitarbeitern über das Middle-Management bis hin zur Unternehmensführung alle mitnehmen, andererseits muss ich jeden Aspekt des Arbeitens berücksichtigen: die Technologie, die Kultur, aber auch so etwas wie die Einrichtung der Arbeitsräume. Wir kooperieren aus diesem Grund zum Beispiel mit einem Büromöbelhersteller, um noch mehr Ganzheitlichkeit zu erreichen. - Helmut Freytag, Placetel
Für viele Unternehmer bedeutet Cloud allerdings immer noch Kontrollverlust. Aus diesem Grund weckt die „Box“, also der physische Server, beinahe schon romantische Gefühle, wobei die Chancen und positiven Einflüsse der Cloud ausgeblendet werden. Unsere Aufgabe muss es sein, hier die Argumente auch in puncto Sicherheit für sich sprechen zu lassen und diese Bedenken zu mildern. - Kai Kielhorn, Atos
Wir trennen bei der Betrachtung des Digital Workplace nicht mehr “traditionell” zwischen physisch und virtuell, sondern sehen uns die komplette Arbeitserfahrung an. Diese umfasst vor allem drei Dimensionen: People, Places und Platforms! Es geht nicht mehr nur darum, Home Office zu ermöglichen, sondern ein integriertes Arbeitsplatzkonzept zu schaffen, das all diese Dimensionen abdeckt.