Investitionsstau bedroht Innovationskraft

Microsoft fordert mehr Mut zur Veränderung

14.03.2016
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Voraussetzungen für die digitale Transformation sind gut, sagt Microsofts Deutschland-Geschäftsführerin Sabine Bendiek. Allerdings brauche es dafür einen „kühnen Plan“. Unternehmen müssten auch einmal etwas wagen. Doch daran fehlt es offenbar: „Investitionsstau bedroht die Innovationskraft“, warnt Bendiek.

Um die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern brauche es "Mut zur Veränderung und einen kühnen Plan", sagte Sabine Bendiek, Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland, auf der CeBIT. Die Voraussetzungen dafür sind aus ihrer Sicht günstig: Die konjunkturelle Lage in Deutschland ist gut, die Auftragsbücher voll, auch der Bundeshaushalt stehe auf einem soliden Fundament. "Ideale Voraussetzungen, um die digitale Transformation auch finanziell zu stemmen", hieß es in einer Mitteilung des weltgrößten Softwareherstellers. Auch die Technologien für den digitalen Wandel seien ausgereift, sicher und verfügbar.

Transformation bedeutet Umbruch

Dennoch will die Digitalisierung nicht so recht ins Rollen kommen. Bendiek sieht an verschiedenen Stellen Defizite. "Die Investitionsmittel sind da - ein überzeugender Plan, sie einzusetzen, fehlt an vielen Stellen", moniert die Managerin, die seit Jahresbeginn die deutsche Microsoft-Dependance leitet. Das hat mehrere Gründe: Die Zurückhaltung vieler deutscher Unternehmen sei vor allem auch ein kulturelles Thema. "Digitale Transformation bedeutet Umbruch", konstatierte Bendiek. Die Verantwortlichen hierzulande hätten allerdings den Anspruch, Dinge im Vorfeld sehr genau verstehen zu wollen. Digitalisierung heiße aber auch, einmal etwas zu wagen und sich zu trauen, Dinge auszuprobieren - und zwar schnell auszuprobieren und daraus zu lernen. "Das ist etwas, was die deutschen Unternehmen teilweise immer noch lernen müssen."

Der US-amerikanische Softwarekonzern bringt an dieser Stelle seine Microsoft Cloud Deutschland ins Spiel. Dafür hat Microsoft im vergangenen Jahr eine Partnerschaft mit der Deutschen Telekom angekündigt. Deren Tochter T-Systems soll die Cloud-Infrastruktur betreiben und gleichzeitig als Datentreuhänder fungieren. Mit diesem Modell sollen Bedenken deutscher Unternehmenskunden hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit ausgeräumt werden. "Unsere Antwort ist hier Microsoft Cloud Deutschland", sagt Bendiek. "Hier glauben wir bei Microsoft, dass wir einen Beitrag leisten können, dass es mit Thema Digitalisierung schneller vorangeht."

"Wir zeigen, wie unsere Cloud funktioniert"

Die Microsoft-Managerin äußert indes Verständnis für die Anliegen der Kunden. Das Wissen in Sachen Cloud wachse zwar. Deutsche Unternehmen seien jedoch sehr daran interessiert, in die Black Box Cloud hineinzublicken, um zu verstehen, was dort mit ihren Daten passiert. "Das ist ihr gutes Recht", so Bendiek. "Wir sind auch jederzeit dazu bereit, mit unseren Kunden hinzugehen und ihnen zu zeigen, wie die Microsoft-Cloud funktioniert."

Microsoft will seine Cloud-Dienste "Azure", "Office 365" und "Dynamics CRM Online" ab der zweiten Jahreshälfte 2016 sukzessive auch aus deutschen Rechenzentren anbieten. Das Angebot richtet sich dem Anbieter zufolge insbesondere an Organisationen und Unternehmen in datensensiblen Bereichen wie dem öffentlichen, dem Finanz- oder dem Gesundheitssektor.

Microsoft will Innovation über Technologie treiben

Bendiek sieht Microsofts Rolle in erster Linie darin, Innovation über Technologie zu treiben. "Da kommen wir her, das verstehen wir, das können wir." Sie kündigte an, in Zukunft verstärkt spezifische Lösungen für Industrien anbieten zu wollen. "Aber das wird mit Partnern passieren." Bendiek geht davon aus, dass in diesem Zusammenhang Ökosysteme immer wichtiger werden, "zwischen Partnern, Integratoren, Technologieanbietern und Kunden". Einen Kulturkampf Industrie versus IT sieht die Managerin nicht. "Ich glaube, dass es genug Wertschöpfung für beide Seiten geben wird." Industrieunternehmen hätten erkannt, dass es keinen Sinn gebe, eigene Plattformtechnologien zu entwickeln.

Digitalisierung sei außerdem eine Frage der richtigen Organisation, stellt Bendiek fest. Unternehmen müssten sich im Zuge der digitalen Transformation ganz anders organisieren. Es gelte, Hierarchien abzubauen, direkt beim Kunden enger zusammenzuarbeiten, dort Probleme zu verstehen und zu lösen. "Daraus entstehen ganz andere Arten der Zusammenarbeit", lautet das Fazit der Managerin. Im Kern gehe es um die Frage, wie arbeiten künftig wissensbasierte, hoch-virtualisierte Teams möglichst effizient zusammen.

Dafür brauche es jedoch die richtigen Köpfe. "Köpfe, die in der Lage sind, die Ideen der digitalen Transformation anzupacken und richtig umzusetzen", sagt die Microsoft-Managerin. Für Bendiek steht an dieser Stelle das Thema Bildung im Mittelpunkt. Mitarbeiter für die digitale Transformation sollten Fähigkeiten mitbringen, etwas mit Software zu bauen, und nicht nur IT-Konsumenten sein.

Staat spielt noch keine Vorreiterrolle

Eine wichtige Rolle, die Digitalisierung voranzutreiben, spiele der Staat, konstatiert Bendiek. Der Staat müsse die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Das dürfe allerdings nicht auf Länderebene beschränkt bleiben. Es müssten vielmehr europaweit geltende, besser noch globale Rahmenbedingungen sein. Darüber hinaus sollte der Staat selbst Flagge zeigen und die neuen Technologien nutzen. "Um den Unternehmen das Gefühl zu geben, dass es richtig und gut ist, das zu tun."

Das funktioniert aber offensichtlich noch nicht. Im Moment sei der Staat noch nicht richtig sichtbar in der Vorreiterrolle, die er eigentlich im Bereich der digitalen Transformation einnehmen müsste, kritisiert Bendiek. Behörden und die öffentliche Hand seien derzeit noch etwas langsamer unterwegs ist als die Unternehmen. Dabei hätte der Staat ein enormes Wertschöpfungs-, sprich Einsparpotenzial durch die digitale Transformation und Administration.

"Die digitale Transformation ist ein massiver Umbruch", bilanziert Bendiek. "Ein Umbruch, der immense Chancen bietet. Aber es ist natürlich auch ein völlig neues Spiel. Der Kulturwandel muss an vielen Orten passieren: In den Unternehmen, im Staat, in den Köpfen der Leute."