Personalabbau

Microsoft entlässt Spezialisten für KI-Ethik

15.03.2023
Von Redaktion Computerwoche
Einem Bericht von Platformer.news zufolge hat Microsoft das in seiner KI-Organisation für "Ethik und Gesellschaft" zuständige Team entlassen.
Keine Zeit für KI-Ethik? Satya Nadella muss sich Fragen gefallen lassen.
Keine Zeit für KI-Ethik? Satya Nadella muss sich Fragen gefallen lassen.
Foto: Microsoft

Die Betroffenen sollen unter den 10.000 Beschäftigten gewesen sein, die Microsoft im Zuge eines größeren Personalabbaus auf die Straße gesetzt hatte. Der Softwarekonzern verabschiedet sich damit in einer Zeit, in der KI-Tools den Mainstream erreichen, von Expertinnen und Experten, die ein ethisch korrektes Produktdesign sicherstellen sollten.

Platformer schreibt allerdings auch, dass Microsoft weiter sein Office of Responsible AI unterhalte, das Regeln und Prinzipien für die KI-Initiativen des Unternehmens entwickele. Der Softwaregigant nehme sogar für sich in Anspruch, mehr in die Erforschung eines verantwortungsvollen Umgangs mit KI zu investieren als je zuvor.

Integration von OpenAI-Technologie im Fokus

Dennoch hätten die entlassenen Mitarbeiter des Teams "Ethics and Society" eine wichtige Rolle dabei gespielt sicherzustellen, ethische KI-Grundsätze nicht nur theoretisch zu behandeln, sondern auch anhand von klaren Regeln auf der Produktebene umzusetzen. Daran fehle es nun. Zuletzt soll das Team daran gearbeitet haben, die Risiken zu ermitteln, die sich aus der Übernahme der OpenAI-Technologie durch Microsoft in seine Produktpalette ergeben.

Das Team zählte im Jahr 2020 in der Spitze etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter Softwareingenieure, Designer und Philosophen. Im Oktober 2021 war es bereits im Zuge einer Umstrukturierung auf nur noch sieben Beschäftigte reduziert worden. Diese sieben konnten offenbar die vielen Aufgaben nicht mehr zeitnah bewältigen und entpuppten sich zunehmend als Bremse.

Platformer liegt eine Microsoft-interne Videoaufzeichnung vor, der zufolge John Montgomery, Corporate Vice President für KI, den Mitarbeitenden erklärt, dass die Unternehmensleitung von ihm mehr Geschwindigkeit in der Umsetzung erwarte. "Der Druck von Scott Kevin (CTO) und Satya Nadella (CEO) ist sehr hoch, die neuesten OpenAI-Modelle und auch die, die danach kommen, mit hoher Geschwindigkeit in die Hände der Kunden zu bringen", soll Montgomery in einem Call mit den Mitarbeitenden gesagt haben.

Geschäftliche vs. gesellschaftlich Aspekte

Einige Mitglieder des Teams wehrten sich offenbar dagegen: "Ich bin so kühn, Sie zu bitten, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken", soll ein Mitarbeiter in dem Telefonat gesagt haben. "Ich verstehe zwar, dass hier geschäftliche Aspekte eine Rolle spielen, aber was diesem Team schon immer am Herzen lag, ist die Frage, wie wir die Gesellschaft beeinflussen und welche negativen Auswirkungen wir haben. Und die sind beträchtlich." Montgomery habe abgelehnt, der Druck, schnell zu liefern, sei zu hoch.

Ein Mitarbeiter sagte gegenüber Platformer, dass die Entlassungen eine grundlegende Lücke in Bezug auf die Benutzererfahrung und das ganzheitliche Design von KI-Produkten hinterlassen werden. "Das Schlimmste ist, dass wir damit das Unternehmen und die Menschen einem Risiko aussetzen", erklärte er.

Der Konflikt zeigt, wie schwer es derzeit die Ethikverantwortlichen in den großen Tech-Konzernen haben. Im besten Fall helfen sie den Produktteams dabei, einen möglichen Missbrauch von Technologien frühzeitig zu erkennen und Probleme zu beheben, noch bevor sie den Markt erreichen. Aber sie haben innerhalb von Organisationen auch die Aufgabe, in Zweifelsfällen "Nein" oder "Langsamer" zu sagen - auch wenn das im Business gerade niemand hören will. (hv)