Die Zentrale greift durch
Merkmal vier: Alle Top-Ten-CIOs haben sich mit Projekten beworben, in denen es um Zentralisierung, Standardisierung und Vereinheitlichung geht. Wenn die Welt eines Unternehmens sich durch Globalisierung und Digitaltechniken dezentralisiert, ist es umso wichtiger, dass die Zentrale den Überblick behält.
Manchmal muss sie dafür erst einmal die Voraussetzungen schaffen wie Jörg Behrend. Der Global CIO bei Bacardi Martini hat in seiner "'ONE BACARDI' End-to-End Transformation" alle ungefähr 1600 lokalen durch etwa 50 zentrale Business-Applikationen ersetzt, die nun in mehr als 150 Ländern alle wichtigen Geschäftsbereiche unterstützen. Die neue IT soll geräteneutral sein, die alten lokalen File-, Print- und Messaging-Server sollen verschwinden.
Das auf ungefähr 30 Länder verteilte IT-Team entwickelt keine eigene Software, Customizing wird auf das beschränkt, was aus regulatorischen und anderen länderspezifischen Gründen unbedingt nötig ist. Technisch setzt Behrend auf Cloud und Software as a Service (SaaS). Das spare viel Geld, das dann in die Markenentwicklung gesteckt werde. Merger und Akquisitionen können mit der agil gewordenen IT in sechs bis acht Wochen abgewickelt werden.
Solche Umstellungen ändern Abläufe und Arbeitsweisen im ganzen Unternehmen. Alle prämierten Projekte sind - fünftes Merkmal - Change-Projekte, erfolgreiche CIOs sind Change-Manager. Egmont Foth, CIO der SAG Group, hat mit dem "SAGway" den Wandel als ständige Verbesserung verstetigt. SAG liefert Systeme für Strom-, Gas-, Wasser- und Fernwärmenetze, der wirtschaftliche Erfolg der Gruppe hängt von der Qualitätihrer Dienstleistungen ab. Den SAGway beschreibt Foth als "unsere umfassende Plattform zur Erhöhung der Operational Excellence in unseren Prozessen, Organisationsstrukturen und Systemen. Die Weiterentwicklung der Prozesse erfolgt durch unsere Mitarbeiter." Eine Besonderheit dabei sind die Lean-Management-Methoden, die traditionell eher mit Produktion als mit Service in Verbindung gebracht werden.
Der SAGway bündelt das Wissen der Mitarbeiter und ruft sie zum Best-Practice-Sharing auf. Vorrang haben die Kerngeschäftsprozesse vom Auftragseingang bis zur Abrechnung. Bereits verbessert haben sich zum Beispiel die Zeiten vom Aufmaß bis zur Abrechnung, die Arbeitssicherheits- und Qualitäts-Management-Systeme sowie die Transparenz im Baugeräte-Management.
Kostendruck und Patientenwohl
Der Betrieb soll weniger kosten, aber den Patienten soll es besser gehen. Unter diesem Druck stehen Krankenhäuser nicht nur vom Markt, sondern auch noch von der Politik her. Sie müssen handeln. Vielleicht haben es deshalb gleich drei CIOs beziehungsweise IT-Leiter aus Kliniken unter die besten zehn Wettbewerbsteilnehmer geschafft.
Krankenhauspatienten bekommen oft falsche oder falsch dosierte Medikamente. Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und im Altonaer Kinderkrankenhaus ist die einschlägige Fehlerquote von 39 auf 1,6 Prozent gesunken, seit CIO Henning Schneider das "Klinische Arbeitsplatzsystem am UKE und am AKK Phase II" eingeführt hat. Seither geben dort die Ärzte "patientennah" in ein mobiles Terminal ein, welche Arzneien der Kranke erhalten soll, die Krankenhausapotheke verpackt individuell, und das Pflegepersonal prüft den Barcode. "Phase I" war, Anfang 2011 abgeschlossen, die Einführung der elektronischen Patientenakte.
Das UKE ist nun das einzige vollständig digitale Universitätsklinikum in Europa, und die CIO-des-Jahres-Jury hat Schneider mit dem Innovation Award ausgezeichnet. Das Krankenhaus, vor elf Jahren noch kräftig defizitär, ist profitabel geworden, die Digitalisierung hat dazu einen Beitrag geleistet. Schneider mahnt allerdings: "Ein Wertbeitrag durch IT lässt sich nur erzielen, wenn alle Parallelprozesse wegfallen."
Auch Uta Knöchel hat am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) mit der "Zentralisierung der IT-Applikationen und IT-Services" viel geändert. Binnen drei Jahren ließ die Leiterin der Stabsstelle IT, die zudem als Geschäftsführerin der zwei IT-Töchter des UKSH amtiert, ein TIER-3-Rechenzentrum bauen, zentralisierte die IT-Systeme und übernahm Applikationen in die zentrale Betreuung. Für die Anwender bedeutete das neue Hardware, Programme, Oberflächen, Vorgehensweisen und Standards. Dass davon nicht alle begeistert waren, weiß jeder CIO aus eigener Erfahrung.