Um die Bedeutung von Daten und die Industrie zu visualisieren, die sich um Themen wie Data Management, Data Analytics und Co. gebildet hat, greifen wir gerne auf Metaphern aus der "alten" Welt zurück. Daten sind je nach Perspektive Rohstoff, Antrieb, Schmiermittel, aber gerne auch Klebstoff, Lebensmittel, in drastischeren Beschreibungen auch Droge, Waffe oder gar Mittel der modernen Kriegsführung. Alles richtig, alles falsch, alles in bestimmten Szenarien vielleicht auch über- oder untertrieben.
- Steve Oluborode, Tableau Software
Daten sind das neue Öl. Dass das keine Zukunftsprognose, sondern längst Realität ist, sieht man allein schon bei einem Blick auf die Rangliste der weltweit wertvollsten Unternehmen. Die Top 3 erzielen ihre Wertschöpfung allesamt mit der Monetarisierung von Daten. - Carol Stockinger, IDG
Der Job des Data-Analysten ist alles andere als neu. Er hat sich in den vergangenen Jahren aber stark gewandelt. Ging es früher darum, Doubletten zu verhindern und insgesamt die Datenqualität und-sicherheit hochzuhalten, so steht heute die Herstellung von Benutzbarkeit insgesamt im Mittelpunkt. Verstehe ich meine Daten? Wie kann ich sie zusammenführen, einteilen, analysieren? Das sind die Fragen, mit denen wir heute konfrontiert sind. - Michael Koch, Lufthansa Industry Solutions
Das Wesen der Deutschen ist es, alles im Detail verstehen zu wollen. Das ist mit dem gigantischen Datenaufkommen, das in den Unternehmen generiert wird, aber heute schlicht nicht mehr möglich. Vielleicht liegt darin die Erklärung dafür, warum sich hierzulande alles ein bisschen langsamer bewegt. - Andreas Laux, Datavard
Uns stehen heute so viele technologische Möglichkeiten zur Verfügung wie noch nie zuvor. Doch die bessere Nutzung von Daten zu realisieren ist eine kulturelle Aufgabe, die Kunden und Dienstleister nur gemeinsam lösen können. Dabei ist es wichtig, die Menschen immer wieder darauf hinzuweisen, wie wichtig Daten für die Verbesserung von Geschäftsprozessen und die Entstehung neuer Services sind. Wenn ich den entstehenden Mehrwert glaubwürdig veranschauliche, dann steigt auch die Bereitschaft für das „Sharing“. - Peter Jung, Board
Das Business wird immer dynamischer. Strukturen, Geschäftsmodelle und Besitzverhältnisse verändern sich ständig. Auf diese Dynamik müssen wir mit flexiblem Datenmanagement reagieren: Jeden Tag gibt es einen neuen „Datenschatz“ zu heben und zu verwerten, das heißt aus den Daten entscheidungsrelevante Erkenntnisse zu gewinnen und bereitzustellen. - Andreas Heißler, Uniserv
Die Initiative der Bundesregierung für eine eigene Datenstrategie klingt weniger nach „echter“ Strategie. Das Problem ist doch die große Verunsicherung innerhalb der Unternehmen darüber, was sie rechtlich überhaupt dürfen und was nicht. Allein die parallele Existenz verschiedener sich teilweise widersprechender Gesetze und Verordnungen schafft eine Intransparenz, die den Fortschritt hemmt. Was heute richtig ist, kann morgen schon wieder falsch sein. Das ist gerade für den Mittelstand ein Problem: Um ein funktionierendes Datenmanagement zu etablieren, muss ich Geld in die Hand nehmen und das ist für große Konzerne leichter zu stemmen. Kleinere Unternehmen können aber nicht „einfach mal ausprobieren“, sondern brauchen Planungssicherheit. - Oliver Schröder, Informatica
Uns fehlt es in Deutschland noch an der Geschwindigkeit in der Adaption von Geschäftsmodellen. Die Plattformökonomie in den USA hat hier schon rein organisatorisch deutliche Wettbewerbsvorteile. Ein offensichtlicher Indikator findet sich im organisatorischen Stellenwert der IT. So existieren in vielen Unternehmen immer noch gesonderte IT-Abteilungen, und der CIO berichtet an den CFO. Das alles wäre in einer agilen Struktur nicht mehr nötig, in der IT und Business idealerweise miteinander verschmelzen. - Peter Küssner, Cubeware
Die allzu verhaltene Nutzung von Daten bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist kein technisches und kein organisatorisches Problem, sondern schlichtweg: ein deutsches!
Fest steht: Daten sind das, was wir daraus machen. Das gilt für Privatunternehmen, Volkswirtschaften oder ganze Staaten. Das sieht man auch an den völlig unterschiedlichen Ausprägungen, die man weltweit beobachten kann. Peter Küssner vom Business-Intelligence-Spezialisten Cubeware verortet den "Datenstandort" Europa deshalb im Zangengriff zwischen absoluter Freiheit und Autoritarismus:
"Weltweit existieren - grob gesagt - drei völlig unterschiedliche Datenkulturen: In China ist die Datenerhebung und Nutzbarmachung ein wesentliches Machtinstrument, mit teilweise bedenklichen Ausprägungen. In den USA stellt die freiwillige Sharing-Kultur einen Hauptgrund für die Innovationskraft der dortigen Tech-Unternehmen dar. Und dann gibt es Europa und insbesondere Deutschland, wo die ausgeprägte Sicherheitskultur Fluch und Segen zugleich ist. Segen, weil eines der neuen wichtigsten Güter - Daten - den Schutz hierzulande erfährt, den es verdient. Fluch, weil es uns noch viel zu wenig gelingt, diesen Vorteil effektiv zu nutzen."
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Doch haben die Unternehmen überhaupt die Chance, wettbewerbsfähige Data-Management-Konzepte vor dem Hintergrund des hohen Datenschutzniveaus zu entwickeln? Diese Frage zu klären und Erklärungsansätze zu finden, wie sich Datensouveränität und Innovation vereinen lassen, war eine der Hauptaufgaben der IDG-Round-Tables "Data Management", an denen sich Vertreter verschiedenster Blickwinkel zum Thema versammelten.
Die DSGVO ist angekommen
Der erste Eindruck dabei: Die DSGVO, die über Jahre in verschiedenen Echokammern als Erklärung für nicht genutzte Chancen aller Art herhalten musste, scheint mehr als 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten ihren Sündenbock-Charakter verloren zu haben. Mit der Überführung in die juristische Praxis haben sich auch die Unternehmen darauf eingestellt. Das Monstrum schrumpfte analog zur steigenden Greifbarkeit. Anwender, Dienstleister und Softwarehersteller haben sich mittlerweile auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt und merken: Trotz Datenschutz stehen den Unternehmen so viele Möglichkeiten wie noch nie zur Verfügung - die sie aber leider nicht nutzen. Hierin liegt wahrscheinlich das größte Dilemma, denn die Notwendigkeit sehen Experten allein schon aus Wettbewerbsgründen dringend gegeben:
"Daten sind das neue Öl. Dass das keine Zukunftsprognose, sondern längst Realität ist, sieht man allein schon bei einem Blick auf die Rangliste der weltweit wertvollsten Unternehmen. Die Top 3 erzielen ihre Wertschöpfung allesamt mit der Monetarisierung von Daten. Um in diesem Markt Schritt zu halten, müssen deutsche Unternehmen sich von alten Denkstrukturen befreien und sich bewusst werden, welche Daten sie tagtäglich generieren. Auf dieser Basis können dann neue Use Cases und Geschäftsmodelle entstehen, die das Unternehmen fundamental verändern", beschreibt Steve Oluborode von Tableau die Situation.
Ein großer Teil des Problems ist also, dass deutsche Unternehmen noch gar nicht richtig realisiert haben, welche Möglichkeiten in den Daten stecken, die sie täglich erzeugen, beziehungsweise dass sie noch nicht gelernt haben, wie sie die Denkmuster abstreifen können, die nur bedingt kompatibel zu einer datenorientierten Herangehensweise sind. Gerade der Anspruch von "Made in Germany", immer perfekte Ingenieursarbeit abzuliefern und jedes Produkt vor dem Roll-out bis ins kleinste Detail zu durchdenken, geht nur schwer mit der probabilistischen Herangehensweise von Data-Analytics-Konzepten zusammen. Michael Koch von der Lufthansa-Sparte "Industry Solutions" sieht hier vor allem ein Mentalitätsproblem:
"Data Management für Big Data, Analytics- und AI-Applikationen bedeutet auch, mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten zu müssen und auch mit unvollständigen Informationen Ergebnisse zu erzielen. Das kollidiert allerdings mit dem deutschen Anspruch an absolute Perfektion und Sicherheit. Erst wenn wir uns - politisch, gesellschaftlich, aber auch innerhalb von Unternehmen - von diesem Denken lösen, können wir eine innovative Sharing-Kultur etablieren, von der am Ende jeder profitiert."
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Um den "Datenschatz" zu heben, der jeden Tag innerhalb von Unternehmen generiert wird, ist es also nötig, einen kompletten Mind Shift zu vollziehen: weg vom Anspruch, alles kontrollieren zu können, und stattdessen Techniken entwickeln und einsetzen, mit denen aus der Masse an unstrukturierten Informationen die richtigen Schlüsse gezogen werden. "Das Wesen der Deutschen ist es, alles im Detail verstehen zu wollen. Das ist mit dem gigantischen Datenaufkommen, das in den Unternehmen generiert wird, aber heute schlicht nicht mehr möglich. Vielleicht liegt darin die Erklärung dafür, warum sich hierzulande alles ein bisschen langsamer bewegt", so Koch.
Die IT braucht eine neue Rolle
Anstoßen kann die notwendigen Veränderungen nur das Management, indem es genug Freiräume ermöglicht, lückenhafte Informationen so zu kanalisieren, dass daraus wertvolle Erkenntnisse erwachsen. Es muss mehr Unwissenheit wagen, um Wissen zu generieren. Gerade die IT kann hier eine wichtige Enabler-Rolle spielen. Allerdings gelingt das nur, wenn sie künftig eine zentralere Rolle einnimmt, wie Oliver Schröder von Informatica fordert:
"In vielen Unternehmen existieren immer noch gesonderte IT-Abteilungen, und der CIO berichtet an den CFO. Das alles wäre in einer agilen Struktur nicht mehr nötig, in der IT und Business idealerweise miteinander verschmelzen."
Insgesamt fügt sich die zögerliche Adaption der deutschen Unternehmen in Bezug auf das Data Management gut in das Gesamtbild ein, das Experten auch in anderen Themenfeldern feststellen: Die Technologie ist da, aber die organisatorischen Voraussetzungen ändern sich zu langsam. Das liegt weniger an den rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern eher an starren Strukturen und zu wenig Mut bei der Geschäftsführung, Transformationsprozesse mit der richtigen Konsequenz anzustoßen. Peter Küssner fasst das Dilemma wie folgt zusammen:
"Die allzu verhaltene Nutzung von Daten bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist kein technisches und kein organisatorisches Problem, sondern schlichtweg: ein deutsches!"